Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Oasen, Inseln, Klonfabriken?"

Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

1. 12. 2015 - 14:35

Oasen, Inseln, Klonfabriken?

Das Klima wandelt sich und wird verwandelt. Drei Beispiele, wie die Mitwelt in der nahen Zukunft gestaltet werden könnte. Aus Graz, dem Silicon Valley und China.

Wo juckt dich der Klimawandel?

Die Earth-Talkerin und Umweltaktivistin Angie Rattay ist zu Gast bei Elisabeth Scharang in FM4 Auf Laut von 21 - 22 Uhr.

Die Nummer ins Studio zum Mitdiskutieren:
0800 226 996

"Wenn wir etwas gegen den Klimawandel machen wollen, müssen wir alle mithelfen. Es gibt nicht eine Lösung von einem Regierungsgremium, es bracht viele Lösungen von uns allen", sagt Markus Jeschaunig. Mitten in Graz hat der Künstler eine "Oase Nr. 8" auf einem Gebäude installiert, wo Bananenpflanzen Früchte tragen sollen.

Direkt unter der Oase hat es arktische -19° C, denn hier lagert Backware in einem Tiefkühlhaus. Auch die Abwärme des Kühlhauses der Pizzeria im Nebenhaus nutzt Jeschaunig für sein Projekt, das Kunstwerk und Experiment zugleich ist. Wie funktioniert das? Wenn es -19° C hat und es draußen wärmer ist, muss drinnen runtergekühlt werden, gleich wie bei einem Kühlschrank. Die Wärme, die dabei entzogen wird, entweicht, erklärt Markus Jeschaunig: "Ich habe mich am Kälteaggregat angedockt und führe diese Abwärme in einen Pufferspeicher, der wiederum mit der Oase verbunden ist".

Die "Oase Nr. 8" ist eine Blase aus ETFE-Material auf einem Haus und zwischen zwei Gebäuden. in der Gewächshaus-Blase wachsen tropische Pflanzen.

Radio FM4

"Abwärme ist weltweit bei jeder Kühlanlage, ob in Büros oder Lagern, vorhanden", erinnert Jeschaunig. Ihm geht es darum, klar zu machen, wie wir mit Energie umgehen und wieviel Potential ungenützt bleibt. "Man sieht nicht, wieviel Energie entweicht. Ich wollte es wissen! Das ist jetzt das Experiment." Obwohl das Prinzip der Abwärmenutzung für die Oase sehr effizient ist, braucht es elektrische Energie, um den Kompressor zu betreiben und es fällt Abwärme an, die entweicht.

Bananen aus Graz

"Die Oase ist eine sechs Meter hohe Blase aus ETFE-Folie, die sich über einen Überdruck und Luft aus einem Ventilator aufrecht hält. Wie ein Kaugummi, den man aufbläst. Es gibt quasi eine Lippe aus Holz, wo die Folie eingepresst ist. Unterhalb ist ein Erdkörper von sechzig Zentimeter Tiefe, wo die Bananen wurzeln", erklärt Markus Jeschaunig. Abends, beleuchtet mit dem tropischen Grün, ist die Installation ein Hingucker und Kunst im öffentlichen Raum auf dem 1820 erbauten Haus, ums Eck vom Grazer Jakominiplatz.

Über ein Jahr soll die "Oase Nr. 8" bestehen. Durch einen schmalen Spalt zwischen zwei Gebäudemauern gelangt man zum Eingang, durch eine Membran noch, da einen Schritt weiter Überdruck herrscht, und dann steht man mittendrin. Die Bananenpflanzen gedeihen gut. Scheint die Sonne, wachsen sie bis zu zehn Zentimeter am Tag. Eine Ananas trägt eine Frucht, die Papayas hingegen kämpfen mit den Temperaturen, die mögen 25° C und achtzig Prozent Luftfeuchtigkeit.

Der Künstler Markus Jeschaunig steht in der "Oase Nr. 8" und hält Kehrbesen und Schaufel, um ihn Banenenpflanzen

Radio FM4

In der Oase gibt es Nächte mit 13° C und Tage mit 40° C. "Aber es ist ein abgeschlossenes System, eine Simulation der Tropen. Es geht darum, Dinge umzukehren und das, was woanders wächst, hier mit unserem eigenen Müll, den wir ausstoßen, zu ziehen", so der Künstler, der sich intensiv mit Klimawandel und der Cradle-to-Cradle-Bewegung beschäftigt hat. "Wir müssen Richtung Effektivität denken: Die Cradle-to-Cradle-Bewegung - was von der Wiege zur Wiege heißt und nicht von der Wiege zur Bahre - denkt in Kreisläufen. Dinge, die Abfall sind, müssen wieder Nahrung werden. Das funktioniert am Komposthaufen, aber das geht auch in der Technosphäre, also mit technischen Dingen. Effektiv ist es dann, wenn gar kein Müll mehr entsteht".

Inwieweit hat sein Experiment und Kunstwerk, also der umgesetzte Klimawandel im Kleinen, mit dem Klimawandel weltweit zu tun? Ernähren können wir uns von der kleinen Oase nicht, aber man könne das Konzept im Großen wiederholen, mit Abwärme im Megawattbereich. Der Import von Tropenpflanzen in die Industrieländer braucht Unmengen an Primärenergie, die man sich sparen könnte. In Blumau soll jetzt ein Gewächshausprojekt umgesetzt werden, das sich aus dem Thermalwasser beheizt. "Es ist großes Umdenken notwendig, um solche kleinen oder größeren Praktiken zu kultivieren. In Summe macht das einen Effekt. Der wirklich große Effekt wird sein, wenn mächtige Konzerne und die Industrie auf diesen Zug aufspringen werden", sagt Markus Jeschaunig.

Der Künstler Markus Jeschaunig pflegt die tropischen Pflanzen in seinem außergewöhnlichen Gewächshaus, der "Oase Nr. 8", mitten in Graz

Radio FM4

"Das ist eine Urban-Gardening-Praxis, wie man etwas anbauen kann mit allem, was zur Verfügung steht: mit Regenwasser, Abwärme und die Sonne ist sowieso gratis vorhanden", sagt der Künstler Markus Jeschaunig. Er ist Teil des Teams, das den Österreich-Pavillon auf der Expo 2015 konzipiert hat

Zukünftig auf der Insel, inklusive neuem Staatsmodell

Die Elite des Silicon Valley hat ihre eigenen Utopien. Patri Friedman ist der Enkel des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschafters Milton Friedman, libertärer Aktivist und Software-Entwickler bei Google. Er plant ein Inselprojekt außerhalb von staatlichen Hoheitsgewässern, in dem ein neues Staatsmodell umgesetzt und erprobt werden soll: "To establish permanent, autonomous ocean communities to enable experimentation and innovation with diverse social, political, and legal systems".

Dafür hat Patri Friedman das Seastading Institute gegründet, das auch kräftig von Paypal-Investor und Risikokapitalgeber deutscher Herkunft, Peter Thiel, unterstützt wird. Menschen wollen aus Armut auf diese flotierenden Inseln geholt werden, Krankheiten wollen überwunden werden, die Meere gereinigt, der Kohlenstoff in der Atmosphäre reduziert und die Welt ernährt werden. Das alles verfolgt The Seasteading Institute und kündigt seine Pläne in Werbevideos an.

Entwurf für die erste "Seastead": "The Swimming City" - die schwimmende Stadt - von András Gyõrfi

The Seasteading Institute

Gewinnerentwurf für die erste "Seastead": "The Swimming City" des ungarischen Grafikdesigners András Gyõrfi

Apropos schwimmende Objekte, die sich als zukünftige Lebensräume behaupten könnten: in dieser Datenbank findet sich u.a. auch die Unterwasserwelt "Syph" dokumentiert und wahrscheinlich gleich archiviert. Die futuristischen Unterseewelten australischer ArchitektInnen verharren in der Entwurfsphase.

Die erste "Seastead" könnte 2020 errichtet werden. Zwar ist man offenbar noch in Verhandlungen mit diversen anderen Staaten, wo sich die auf Betonplattformen begründete Stadt bauen ließe, aber Entwürfe sind bereits publik. Allerdings werden dort gerade mal dreihundert Personen leben.

Der günstigste Quadratmeterpreis für "Seastead" ist mit 500 US-Dollar in einer Online-Umfrage beziffert, dort findet sich auch die Antwortmöglichkeit "I cannot afford these prices". Aber schließlich wird ein Bausparen auch nicht für den Transhumanismus reichen, mit dem man sich auch gleich zu beschäftigen beginnen könnte. Transhumanismus, das steht für ein Denkkonzept, das den menschlichen Körper erweitern und auch überwinden will und zwar mit Technologie. In den USA gibt es einen eigenen Präsidentschaftskandidaten der transhumanistischen Partei, wie der Autor Thomas Wagner kürzlich in Wien zu berichten wusste und die Idee des Transhumanismus findet bei den mächtigen Menschen in Silicon Valley enormen Anklang.

Ökostädte und Klonfabriken

Weil China über weite Landstriche verfügt, die noch nicht entwickelt sind, könnten dort in Zukunft "Ecocities" entstehen, die man in Europa niemals realisieren könnte. Hier könnte man neue Städte komplett mit ökologisch nachhaltigen Systemen hochziehen. In Europa gäbe es weder das Land dafür, noch den Willen der PolitikerInnen dazu. Das behauptete zumindest der Finne Eero Paloheimo, der als Abgeordneter der Grünen dem Parlament seines Heimatlandes angehörte und erst in China wirklich Gehör fand. Dutzende "Ökostädte" sind weiter als die Planungsphase, etwa jene Ökostadt in der nordchinesischen Stadt Tianjin, 200 weitere dieser Modellstädte sollen bald folgen. Erneuerbare Energien, städtische Landwirtschaft - den ChinesInnen geht die Luft zum Atmen aus.

Indes kooperiert die Boyalife Group mit dem südkoreanischen Unternehmen Sooam Biotech darum, die laut eigenen Angaben weltweit größte Klon-Farm in Tianjin zu eröffnen, unterstützt von Sinica, dem Institut für Molekularmedizin der Universität Peking, der Tianjin International Joint Academy of Biomedicine. Dort sollen laut Medienberichten u.a. einhunderttausend Kuhembryos pro Jahr erzeugt werden. Das geklonte Rind könnte die Erderwärmung gleich noch mal beschleunigen: Kühe gelten aufgrund ihrer Methanemissionen als eine Ursache für den Klimawandel. Davon handelt die US-amerikanische Doku "Cowspiracy", die Leonardo DiCaprio mitproduziert hat. Microsoft-Gründer Bill Gates finanziert bereits jetzt die Forschung an Produkten "beyond meat".

Die "Klonkühe" sollen zukünftig die Fleischversorgung garantieren. Denn Chinas Landwirtschaft kommt der Nachfrage nach Rindfleisch nicht mehr nach. Rennpferde, Haus- und Polizeihunde sowie Primaten für Tierversuche sollen dann auch erzeugt werden. Auch hier ist die Idee des Transhumanismus implementiert, denn auf Tiere allein will man sich nicht beschränken: "Unfortunately, currently, the only way to have a child is to have it be half its mum, half its dad", sagt der Geschäftsführer Xu Xiaochun. Seine Landsfrau Shi Yan würde man dazu gerne befragen: Sie will die chinesische Landwirtschaft von Pestiziden befreien und propagiert nachhaltigen Lebensstil.