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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

29. 11. 2015 - 16:23

Dunkles Leuchten am Firmament

Der Song zum Sonntag: David Bowie - "Blackstar"

David Bowie beschwört Bilder von rituellen Handlungen, von Tod, Akte der Demut und der Hingabe. Mit seinem vor gut einer Woche wieder einmal überraschend wie aus dem Nichts veröffentlichten Song "Blackstar" gibt Bowie Rätsel auf und lässt den Hörer obskuren Referenzen nachspüren.

"In the villa of Ormen, stands a solitary candle", lautet die erste Zeile von "Blackstar". Dieses "Ormen" scheint sich auf das norwegische Gasfeld Ormen Lange zu beziehen, benannt nach dem Langboot eines Wikingerkönigs aus dem 10. Jahrhundert. Außerhalb Norwegens dürfte diese Geschichte nicht rasend vielen Menschen bekannt sein.

David Bowie

David Bowie

Gasfeld, Boot, König – zudem bedeutet das Wort "Ormen" übersetzt "Schlange", in diesem Geflecht aus Begriffen und Assoziationen funkelt der Mystizismus. Die Kerze, die "solitary candle", die dort einsam brennt, mag auf einen spirituellen Ort hindeuten.

Zumal David Bowie in diesem Lied in weiterer Folge von gefallenen Engeln, wieder zum Leben erwachenden Geistern und knienden Frauen singen wird – sie mögen beten, sie mögen hoffnungsvoll die eigene Exekution und eventuell so eine schönere Existenz im Nachleben erwarten: "On the day of execution only women kneel and smile", heißt es da verschwörerisch.

David Bowie legt glücklicherweise keine eindeutige Lesart nahe, bleibt vage und nebulös, umreißt durch seine symbolhafte und bildreiche Sprache aber doch ein Themenfeld: Religion, im weitesten Sinne, Glaube an Außerweltliches, Selbstaufgabe im Dienste eines möglicherweise nur eventuell existenten Gotteswesens.

Auch in musikalischer Hinsicht gibt sich "Blackstar" zunächst nicht leicht greifbar, nicht groß an Catchiness interessiert. Viel zitiert ist der Song in der vergangenen Woche als eines von Bowies seltsamsten Stücken überhaupt bezeichnet worden. Das ist eine Übertreibung.

Im Vergleich zum 2013 erschienenen, grundsoliden Album "The Next Day" und seinen mal sehr guten, mal sehr braven und recht herkömmlich gestrickten Songs mag die Hinwendung zur offeneren Form überraschen: "Blackstar" dauert zehn Minuten, fügt sich nicht allzu ehrergeben in Strophe-Refrain-Strophe-Schemata. Es gibt Elektronik, Breakbeats, Jazz-Saxophon, Stimmverfremdung, Flöten. In der Mitte bricht der Song in sich zusammen, bricht in eine neue Richtung auf.

Blickt man aber auf Bowies Kokainhochphase der späten 70er und seine damit größenwahnsinnigen und der Erdhaftung völlig entkommenen Alben zurück, erscheint "Blackstar" bloß als eine Rückkehr zur Hochform. In Hinblick auf Gesang und Melodien hat der Song etliche versöhnliche, ja, bezaubernde Momente anzubieten, ist kaum auf Verstörung oder Nervung aus. Die Reibung entsteht aus dem Verhältnis zwischen schwer zu entschlüsselnden, unheilvoll tönenden Texten und dem wohligen, beruhigenden Ton in Bowies Stimme.

Und wer ist dieser "Blackstar"? Emblem einer todbringenden Sekte, gar der Heiland höchstpersönlich? Bowie glaubt an sich selbst und die Selbstbestimmung: "I'm a blackstar", singt er immer wieder, und "I am the great I am".

Ein beunruhigendes Lied, das schemenhafte Szenarien entwirft, die mit einem so genannten Zeitgeist zu tun haben und immergültig sind. Es werden keine Auswege und keine Lösungen vorgetäuscht, vielleicht liegen die Antworten in uns. Der schwarze Stern – das bin immer noch ich.