Erstellt am: 8. 12. 2015 - 10:10 Uhr
Im Todeslabyrinth des Zufalls
Rogue
1980 erscheint an der Universität Berkeley ein Spiel, das ein erstaunliches Nachleben haben wird: "Rogue" ist ein auf den ersten Blick simples Fantasy-Rollenspiel, in dem wir rundenbasiert immer tiefer in ein monsterverseuchtes Gemäuer absteigen. Anstelle von Grafik stellt der ASCII-Zeichensatz die Welt dar: Ein @ steht für unseren Helden, das kleine 'g' ist ein Goblin, ein 'D' ein Drache, und so weiter. Was "Rogue" und seine vielen Nachfolger, die "Rogue-likes", also wörtlich: "Spiele wie 'Rogue'" aber seit Anbeginn auszeichnet, ist ein besonderes Set an Eigenschaften, die sie quasi unendlich wiederspielbar machen.
Was macht ein "Rogue-like aus?
* Zufallsgenerierung: Levels, Gegner und Gegenstände werden bei Spielstart jedes Mal neu berechnet.
* "Permadeath": Das 'Game over' bedeutet ein Zurück zum Spielstart.
* Komplexe Systeme: Unzählige Gegenstände, Zauber, Charakteroptionen und Skills machen jeden Spieldurchgang einzigartig.
Seit 35 Jahren blüht und gedeiht in dieser Nische ein liebevoll gehegter Dschungel an Spielen, die - meist Open Source und kostenlos - dieses Rezept in unterschiedlichen Varianten verkörpern. Das große Mainstream-Potenzial des Prinzips zeigte sich zuerst mit dem Aufstieg der Action-RPGs à la "Diablo", das Zufallsgenerierung und andere Elemente übernahm, in den letzten Jahren aber vor allem im Aufstieg der "Rogue-like-likes" oder, weniger sperrig, "Rogue-lites", in Spielen wie "FTL", "Spelunky", "The Binding of Isaac" oder "Rogue Legacy".
Mit dem aktuellen Steam-Release von "ADOM - Ancient Domains of Mystery" betritt ein Klassiker des ehrwürdigen Genres die große Bühne. Aus diesem Grund ein - natürlich unvollständiger - Blick auf ein Genre, das wohl noch so einige Konsolengeneration mühelos überleben wird.
Aber Vorsicht: Die simple Optik täuscht. Rogue-likes gehören zu den komplexesten Spielen überhaupt - und wer ihnen einmal verfallen ist, will mehr. Ansteckungsgefahr!
Nethack: Falcon's Eye
Nethack
1987 erstmals erschienen, ist "Nethack" eines der populärsten klassischen Rogue-likes. Das Ziel: das Amulett von Yendor aus den Tiefen des Labyrinths zu holen. Die sprichwörtliche Detailversessenheit des Entwicklerteams ("The dev team thinks of everything") und eine Vielzahl an Darstellungsmöglichkeiten abseits des Original-ASCIIs machen "NetHack" zum zeitlosen Klassiker und zum Pop-Phänomen - für viele ist es gar "the deepest and most challenging video game ever created".
Im Bild: "NetHack" mit dem grafischen Interface "Falcon's Eye".
Thomas Biskup
ADOM - Ancient Domains of Mystery
Seit 1994 entwickelt der Deutsche Thomas Biskup sein Rogue-like, und das - ungewöhnlich im Genre - ganz allein und mit nicht-offenem Quellcode - so bleibt das liebevoll betreute "ADOM" sein Baby. Soeben ist "ADOM", das besonderen Fokus auf Story legt, in einer grafisch und im Interface aufpolierten kommerziellen Version erschienen - die kostenlose Variante steht weiterhin zur Verfügung. Wie bei allen Rogue-likes gilt: steile Lernkurve, dann quasi endlose Wiederspielbarkeit.
DCSS
Dungeon Crawl Stone Soup (DCSS)
Das unhandlich benannte "DCSS" gilt als besonders einsteigerfreundlich, ohne auf Komplexität zu verzichten, und lässt sich auch im Browser online spielen. Als "moderneres" Rogue-like legt die sehr aktive Entwickler-Community einen besonderen Fokus auf Abwechslung bei gleichzeitiger spielmechanischer Tiefe.
Brogue
Brogue
Wer sich von der Schönheit des klassischen ASCII-Looks überzeugen möchte, kommt an "Brogue" nicht vorbei: komplexes, aber elegantes Interface, vereinfachtes, aber dennoch herausforderndes Gameplay, Lichteffekte und der schönste Buchstabensalat, der je im Genre programmiert wurde, machen "Brogue" zum modernen Rogue-like-Musthave.
DarkGod
Tales of Maj'Eyal (TOME)
"TOME" ist ebenfalls vor einiger Zeit als kommerzielle Version erschienen; die Open-Source-Version ist aber nach wie vor kostenlos. Als Erbe der großen Rogue-like-Urahnen "Moria" und "Angband" verbindet es klassisches Dungeon-Crawling mit einer umfangreichen Fantasy-Oberwelt und zahlreichen Quests.
Rogue-like-Universe
Natürlich kratzen diese Tipps nur an der Oberfläche eines Genres, das vielfältig ist wie wenige andere. Es gibt ein Rogue-like zum Shooterklassiker "Doom", diverse Zombie-Apokalypsen, Steinzeit-Survival-Simulatoren, hoch ambitionierte Weltensimulationen wie "Dwarf Fortress" oder "Ultima Ratio Regum", aber auch maximal einsteigerfreundliche Ultralight-Versionen wie die "Cardinal Quest"-Reihe oder Mitteldinger wie Dungeons of Dredmor" - und es kommen ständig neue hinzu.
Egal, mit welcher Einstiegsdroge ins Genre man beginnt: Wer einmal die unnachahmliche Komplexität, den Abwechslungsreichtum und den ganz speziellen Nervenkitzel der hammerharten "Permadeath"-Kultur schätzen gelernt hat, blickt über mangelnde Grafikpracht und sperriges Interface gnädig hinweg, beißt die Zähne zusammen - und spielt noch eine Runde.
Und noch eine. Und noch eine.