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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 11. 2015 - 15:08

The daily Blumenau. Thursday Edition, 26-11-15.

Neues aus dem alarmistischen Zeitalter: Ruheräume, Frauenversteherei und Klassenkampf.

#demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Die Kronen-Zeitung kann sich heute in einem symptomatischen Detail nicht so recht entscheiden, ob sie lieber ihr aktuelles Kerngeschäft der Panikmache in Sicherheitsfragen oder ein anderes Core-Business, den Stolz auf Folklore aller Art, betreiben will. Sie zitiert (ohne Nennung) einen Standard-Bericht über die terroristische Gefahrenlage im Schnitzelland und bleibt dabei an der Formulierung, dass die Dschihadisten Österreich "als Ruheraum nutzen" könnten, ähnlich wie es Geheimdienstkreise seit '45 tun, ähnlich wie es auch schon im Yugoslawien-Krieg gehandelt wurde. Dass auch die Terror-Krieger nicht dorthin kacken, wohin sie sich zurückziehen können, wenn sie durchatmen müssen (wofür ja auch der Wien-Ausflug des Paris-Drahtziehers spricht). Interessant ist der Begriff des Ruheraums, vielleicht nicht mehr als eine falsch-direkte Übertragung des englischsprachigen Rest Rooms, von wegen kacken...

Jedenfalls stockt da der aktuelle "wir sind akut gefährdet!"-Alarmismus, der für Zäune- und Security- und Überwachung- und Armee- und Polizei-Aufbau/Stockung und das partiell-punktuelle Aussetzen von Menschenrechten die Trommel schlägt, alles im Namen eines aufpeitschenden, postdemokratisch orientierten Autoritarismus; wenn auch nur für einen halben Tag. Eine Nachricht, eine Analyse wie diese wird den Bewusstseinsstrom des angstbesessenen Dauerfeuers aber nicht hintan- oder gar in Frage stellen. Um Inhalte und deren Untersuchung geht es längst nicht mehr.

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Der Alarmismus ist der vorherrschende Zustand von Menschen und Medien; der aktuelle Normalfall. Kaum etwas, was nicht sofort nach seinem Aufpoppen, bar jeder Überprüfung, von besorgten Bürgern aller Gewichtsklassen für alle sichtbar hochgehängt wird. Es muss nicht standhalten und es hält auch kaum etwas stand, entscheidend ist nicht etwa der Inhalt oder die konkrete Sachlage, sondern eh nur die Dichte des alarmistischen Trommelfeuers, sein Stakkato. Der Alarmismus ist der beste Verbündete des Populisten, aber auch des Journalisten. vor allem des Experten und des Pollsters. Er sichert ihnen Einkommen und Macht.

Das Gegenteil des Alarmismus ist die Beschwichtigung. Dafür gibt es in Österreich historisch bekanntlich ja auch eigene Hofräte, Figuren, die den Politiker-Typus der Koalitionsparteien bis heute entscheidend prägen. Die Beschwichtigung war einst eine sichere Einnahme- und Machtquelle, solange sie die Köpfe der Bevölkerung mit Zukunftsversprechen füllen konnte, heute ist sie - mangels Perspektive - kaum noch etwas wert.

Zwischen diesen beiden Extremen (und wieder sind es die Extreme, die einander bedingen und erschaffen haben, die einander mit ihren Reflexen Nahrung geben) werden die zarten Reste einer behutsam analysierenden und faktensammelnden Bürgergesellschaft aus staatlichen Organisationen, NGOs und Medien zerrieben.

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Die Ruheraum-Analyse (die im übrigen durch Hinweise auf ein vergleichbares Szenario in Belgien durchaus beeinsprucht werden könnte) wird also keiner Debatte zugeführt, sondern geht unter, schwimmt vorbei, findet keinen Eingang in einen Befindlichkeits-Topos, in dem der unwirsche Abtausch von Annahmen die Annahme von Tatsachen ersetzt hat und in dem zivile Flüchtlingshelfer auf derselben Ebene wie Kreuzritter präsentiert werden, weil die (hier gut gekonterte) einem elitären Öffentlichkeits-Begriff das Wort redende Medien-Schelte zu wörtlich genommen wurde, und die Verpflichtung zu einer scheinobjektiven Wahrheit unter bewusster Inkaufnahme eines Moralverlusts dann halt bewirkt, dass Rechtsextreme sich unwidersprochen als die Mitte der Gesellschaft darstellen können.

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Im Alarmismus geht es vorrangig darum gut auszusehen, wenn man etwas (was ist zweitrangig, Hauptsache laut und kraftvoll) vorbringt. Logik ist keine nötig, ebensowenig die Behauptung auf Diskrepanzen im eigenen Tun und Sagen anzuklopfen.

Der oberösterreichische VP-Bürgermeister etwa, der sich gegen die Zuteilung von Flüchtlingen/Asylwerbern wehrt, weil sie "Menschen mit völlig anderem Verständnis dem weiblichen Geschlecht gegenüber" seien, ist sich der Absurdität seiner Aussage wahrscheinlich auch gar nicht bewusst. In den Herkunftsländern der Flüchtlinge sind zwar mehr Frauen in den Regierungen als in seiner Heimat (und herrscht an den Stammtischen ein Frauenbild aus dem 18. Jahrhundert) aber auch hier sind es nicht Fakten, sondern behauptete Gefühligkeit, die zählt und wahrgenommen wird.

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Dafür, dass sich all dies - und auch sonst kaum etwas - ändert, sorgt eine seit Jahren gut geölte Maschinerie der rigiden Klassengesellschaft: Österreich ist in Europa Spitzenreiter in der Vererbung des Bildungsniveaus der Eltern an die Kinder. Nirgendwo wird sozialer Aufstieg so erschwert, ist das Bildungssystem (und in seiner Folge auch der Arbeitsmarkt) so undurchlässig. Und auch Österreichs Akademikerquote (entgegen dem Wunschdenken vieler Stammtische, auch der digitalen, die unabdingbare Basis für jeglichen Aufschwung, dem geistigen wie dem ökonomischen) bleibt unter aller Kanone, trotz schöngerechneter neuer Berechnungskriterien, in denen etwa HTL-Aufbaulehrgänge als Kurzstudium gewertet werden.

Der Diskurs darüber, zielgerichtete Empörung, Präsentation konkreter (in den Think-Tank-Schubladen bereitliegenmüssender) politischer Konzepte bleibt aus. Alarmismus in diesem Bereich ist unsexy, inhaltlich zu komplex, unverkaufbar, sagt das Medium, akzeptiert die Politik, achselzuckt die Öffentlichkeit. Schließlich ist mit einer konstruktiven, reformorientieren Debatte kein verkaufsträchtiger, machteinbringender und die allgemeine Empörung hochhaltender Staat zu machen.