Erstellt am: 2. 12. 2015 - 09:33 Uhr
Musiker, die dichten
Christoph Hudl
Um den Albumtitel „Young“ könnte man eine interessante Metapher spinnen. Der Sänger von Hearts Hearts, David Österle, sitzt im Studio und erzählt, wie es ihm beim Schreiben der Lyrics geht. „Jung“, wohl der letzte Begriff, der einem dazu einfallen würde. Schon gar nicht zu den Gedankenschlössern, die er sich rund um die Songs seiner Band baut. Die Texte, so David, führen eine Sehnsucht mit sich, eine Sehnsucht nach anderen, weiteren Erfahrungs- und Gedankenräumen. Dass man oft im Hier und Jetzt nicht ganz weiß, ob man das volle Potential ausschöpft. Die experimentellen, oft fast schon abstrakten Klangspielereien umzüngeln diese durchdachten Ideen.
Alte Seele, junger Körper?
David, Daniel, Johannes und Peter Paul haben sich für ihr Debütalbum Zeit gelassen. Viel Zeit. Trifft man die Band und unterhält sich mit den vier Musikern, ist schnell klar, weshalb.
Der Grundtenor ist – ähnlich den zehn Stücken des Albums – im Umgang untereinander ein zurückhaltender, respektvoller und vor allem bedachter. Man kennt sich schon länger, gestartet haben David und Daniel 2010 mit einer Form von Singer-Songwriterprojekt. Schnell war klar, dass das aber nicht ganz ausreicht. Zumindest nicht für die Art von Musikidee, die Hearts Hearts transportieren wollen.
Am Weg zu Hearts Hearts, einer wenn man so will melodisch-elektronischen Band, ist das Quartett durch verschiedene Stadien, die auch anhand unterschiedlicher Bandnamen festgehalten werden können, gelaufen. Viel wurde ausprobiert, als dann auch schließlich Johannes und Peter Paul zur Band stoßen. Peter Paul will anfangs eigentlich nur live ein bisschen Unterstützung anbieten, Blut ist aber schnell geleckt. So auch bei Johannes, der bei Peter Pauls Mama Musikunterricht genossen hat. Gefunden, beginnt das Projekt zu wachsen.
Zur Perfektion
Hearts Hearts
Das Debütalbum "Young" von Hearts Hearts erscheint am 4. 12. via Tomlab.
Das Debütalbum, das am 4. Dezember erscheinen wird, wirkt in vielen Aspekten wie ein Zusammenfließen mehrerer Stränge, wie ein Spinnennetz, in dem kein noch so leiser Ton unbedacht eingespielt, eingesungen wurde. Ins Experimentelle abrutschend und doch präzise, das ist die Brücke, die es Hearts Hearts zu schlagen gelingt. In der Diskussion darüber, ob man zwischen Studio- und Liveband unterscheiden kann, fällt das erste Mal die Anspielung Thom Yorke / Radiohead. Ihn bzw. die Band finden natürlich alle einstimmig sehr gut. Auch, wenn sie sonst oft – zuhause, getrennt voneinander – unterschiedlichste Musikrichtungen hören. Auf manche Dinge kann man sich eben einigen, schmunzelt Peter Paul.
Die Vergleiche mit anderen zu suchen, ist Journalistenkrankheit. Eine neue Band genremäßig sofort einzuordnen, ist gleichzeitig ihr wichtigstes und schlimmstes Symptom. Im Fall von Hearts Hearts ist die Stirn, puh, schnell abgewischt. Da fallen neben genannten Namen noch am ehesten alt-J, The XX. Sich (auch in der österreichischen) elektronischen Musiklandschaft einzigartig zu platzieren, ist in den letzten Monaten nicht mehr die einfachste Übung. „Young“ schafft es.
Die Stimme als Instrument
Eva´maria Müller und Anna-Sofie Lugmeier
Hearts Hearts feiern auch gerne. Diesmal vor allem bei ihrer Releaseshow in der Grellen Forelle am 17. 12.
Inspiration ist überall. Das kann ein Moment auf der Straße sein, das kann ein Buch sein. Sänger David zeichnet für die Texte verantwortlich und findet die Worte gern auch einmal zwischen den Zeilen großer Literaten. Er sieht seine Stimme aber schlichtweg als zweitrangig an. Sie sei auch eine Art Instrument, die sich ins Zusammenspiel mit allen anderen teilnehmenden stellt. Das Wichtigste bleibt die Musik, nicht der Text. Musiker, die dichten. Und nicht Dichter, die musizieren.
Dass die Band sich keine Deadline für ihr Debütalbum gesetzt hat, hat dem Prozess, den ihre Songs durchlaufen haben, mehr als gut getan. „Young“ überrascht mit Feingliedrigkeit und Intensität, wie sie ihresgleichen sucht. Bei der Frage nach der Liveumsetzung und der möglichen Zufriedenheit derselben seufzt Sänger David kurz. Ein bisschen nervös ist man schon noch, bevor man auf die Bühne geht. Auch alle Sounds und verschiedenen Layers der oft ausufernd-groß arrangierten Songs umzusetzen, ist kein Kinderspiel. Cellistin Christina Ruf unterstützt sie dabei, aber generell ist es schwierig, die Vielschichtigkeit des Albums zu viert, bzw. in dem Fall zu fünft, umzusetzen. Die traumähnliche Atmosphäre des Albums einzufangen, wird sicher noch einiges an Übung brauchen, das wissen Hearts Hearts. Aber die Ruhe und Sicherheit, mit der sie das sagen, lässt keine Zweifel offen.