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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

15. 12. 2015 - 12:42

Von Bitcoins, Verantwortung und TED-Talks

Neulich am Sonntag verwirrte mich Right Is the Might of the Community: a lecture performance on future democracy von Nathan Fain und Maria Rößler im Berliner Hebbel am Ufer.

Nathan Fain, der sich auf Twitter Cyphunk nennt, steht auf einer kleinen Bühne, neben ihm glüht ein "Specter"-Schriftzug, rechts schaukelt ein mit Reis gefüllter Plexiglaswürfel, vor einer Kamera steht ein Marx-Sparschwein, hinter ihm auf dem Schreibtisch idlet eine abgeranztes Macbook und auf der Projektionsfläche laufen Schaubilder, Videopassagen und Codeschnippsel. Das Stück heißt Right Is the Might of the Community.

@Nathan Fain

Fain trägt ein Bühnen-Headset und spricht zum Publikum wie zur Kamera, aus den Lautsprechern kommt Kickstarter-Minimal und manchmal ist das Rieseln des Reises so laut, dass man genau hinhören muss, was man gerade verpasst.

Es geht um das Kapital, um Inflation, Marx, Freud, um Neuroimaging, Sozialpsychologie und ganz viel auch um Bitcoin. Und das alles in einer halben Stunde.

Bitcoin spielt eine große Rolle: Beim Eintritt erhalten alle ZuschauerInnen ein Bitcoin-Wallet im Wert von einem Euro. Und am Ende des Stücks droht Fain: Wer nichts mit seinen Bitcoins anfängt, spendet seinen Betrag automatisch an ein Portal, wo ein Kopfgeldwettlauf zwischen al-Assad und Assange läuft.

Beim Herausgehen liegen Flugblätter vor dem Eingang. Eine akademische Kritik an den verwendeten Methoden des Vortrags: "Wrong is the Might - A Counterstatenent by the International Institute for Science & Sanity", das die Neuro-Physiognomischem, 'positiven' neuro-essentialistischen und Technologie-vs-Menschliche-Natur-Argumente zerlegt. Jetzt ist klar: Das war keine halbgare Technikkritik, kein TED-Satire oder gar ernst gemeint, sondern eine Farce.

Right is the Might of the Community - Teaser from cyphunk on Vimeo.

Für seinen Vortrag nahm Fain die Rolle eines Neoliberalen an, der in der dezentralen Organisation von Technik, Kommunikation und Geld die Lösung aller Probleme sieht, sagt er in einem anderen Vortrag:


"Die Ideologie, die dieser Charakter ausdrücken will ist, dass die Probleme der Welt, besonders Umweltprobleme, mit ökonomischen Modellen zusammenhängen, die ständiges Wachstum voraussetzen, das durch Inflation gewährleistet wird. Aber er kommt ins Straucheln und sieht die Schuld an unserer Unfähigkeit, nicht zu konkurrieren. Besonders Männer hätten einen psychologischen Hang zur Konkurrenz. Also beschuldigt er Männer - und wendet sich den asexuellen Bitcoins als die Lösung zu."
Nathan Fain; Exploit in the Theater

Das spektakuläre Ende seiner Performance sollte die Zuschauer in einen Schockzustand versetzen, indem sie bemerken, wie sich die Algorithmen um die physische Welt legen. Seine Kritik gelte dem Ansatz, wonach das Kollektiv Macht über die Gewalt eines Individuums habe (darauf bezieht sich auch der Titel seiner Performance, ein Zitat aus einem Briefwechsel zwischen Freud und Einstein: "Wir sehen das Recht ist die Macht der Gemeinschaft.")

Dahinter steckt ja das alte Problem, dass Technik und Technologie in der liberalen Praxis als irgendwie losgelöst von der akuten Gesellschaft und nicht als deren Ausdruck gesehen wird. Dass also eine neue Technik oder ein technologisches Wissen die gesellschaftlichen Zustände überwinden oder deren für gut befundenen Grundlagen unverfälscht zutage treten lassen kann.

Nathan Fain

Fains Stück ist also zuerst eine Kritik an dem Wunsch der Liberalen, dass Gutes aus Wirtschaft entsteht und eine möglichst unbefleckte Wirtschaft möglichst pure Gesellschaften hervorbringen kann - und damit an der Hoffnung, dass ausgerechnet Bitcoin ein besonders reines Medium für die Interessensübermittlung ist.

Jetzt ist das alles für sich schon diskussionswürdig (ich bin voll seiner Meinung), was mich aber überraschte und störte, war etwas ganz ästhetisches. Dass nämlich die Performance zwar die zarte intellektuelle Überwältigung von TED-Performances als Ausgangspunkt für eine besonders ekelhafte Darstellung eines liberalen Kunsthacker-Sacks benutzt, aber selbst in ihrer Schockmethode samt überraschender Wendung arrogant gegen die ZuschauerInnen ist. Und diese Widerwart hat mich selbst überrascht, dass die Inszenierung in einer Welt der Selbstentfremdung keinen Unterschied mehr darstellt. Wer oder was etwas sagt, ist egal. Die Deutung liegt nicht in der Welt, sondern nur noch im Moment.

Und deshalb fand ich das Stück, trotz aller Übereinstimmung, schlecht. Schlecht aber interessant.