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Susi Ondrušová

Preview / Review

26. 11. 2015 - 12:43

Die Band mit dem Licht

Alt-J live in der Wiener Stadthalle: Sechs Perspektiven auf einen Konzert-Abend.

Im Februar waren sie hier, im August waren sie da und nun sind sie also zum dritten Mal in diesem Jahr in Österreich. Am Debüt "An Awesome Wave" kann man sich eigentlich gar nicht satt hören, mit "This Is All Yours" ist man nun auch schon warm geworden, also ab in die Stadthalle.

Statistisch gesehen haben sich 9.000 Menschen gestern in der Halle eingefunden und die 360-Grad-Beobachtungsbrille aufgesetzt. Hier eine Erzählung aus sechs Perspektiven. Darüber, was diese Personen nicht nur gehört und gesehen haben, sondern auch, was sie gedacht haben.

Franz Reiterer

Perspektive 1: Nennen wir sie Anna

Fan. Muss dringend aufs Klo. Hätte aber trotzdem gern, dass es länger gedauert hätte.
Lieblingslieder: Every Other Freckle, Dissolve Me und Breezeblocks.

Einlass ist zwar nicht gleich Konzert-Beginn, aber gute Plätze sollen es heute werden. Vorglühen, quatschen, Merchstand abchecken, solang noch kein Riesenansturm ist. Eine Teetasse, ein Kapperl oder ein T-Shirt? Alles. Vorne links dann stehen. Gute Schultern. Heute sind wir zu sechst hier. Nur vier werden ganz vorne bleiben, zwei haben wir beim Vorhang hinten stehen gelassen. Kaum zu glauben, Steaming Satellites als Vorband, ich kenn die doch aus der Schule. Eine SMS muss her. Steht dem Max gut die Frontmann-Rolle. Lob und Prost. Gerade noch auf der Bühne, schon die Antwort: "leider ziemlich geil". Was für ein Auftakt! Aber es könnt auch schon bald losgehen. Wir sind bereit. Das Handy wird mitfilmen.

Perspektive 2: Nennen wir ihn Bernd

Fan. Liebt alles was mit Tontechnik zu tun hat. Spielt auch in einer Band.
Lieblingslieder: Fitzpleasure. Left Hand Free. Nara.

Winterjackensaison. Zur Garderobe? Sicher nicht nochmal anstellen. Heute wie bei jedem Konzert: ab zum Front Of House. Alle Tontechniker sind meine Freunde und dort wo Tontechniker stehen, gibt es den besten Sound. Dass dort die meisten Pärchen stehen, macht nichts, wenigstens wird hier nicht zu sehr flächendeckend getanzt. Vierdimensional! Mit Geruch und so. Das war am FM4 Frequency in St. Pölten olfaktorisch ein Desaster. Hangovermäßig auch. Heute eher der Plan, sich an mehr zu erinnern als die Bierpreise. Die angepassten Ohropax sind heute wieder dabei! So eine leise sanfte Band auf Album vor allem auf der Marantz High End Anlage mit den JBL-Monitoren vom Vater. Die beste Auflösung, aber live ist live. Und der Druck eines gut sortierten Line Arrays durchflutet den Körper ganzheitlich mit Schall. So "shock & awe"-mäßig. Und dann dieses Licht! Wenn ich die Augen zumache, sehe ich, wie sich die Scheibe vor meinem inneren Auge auf dem Plattenteller dreht. Nur weil ich die Umrisse der Band sehe, weiß ich, dass die Musik echt ist. Vielleicht ein paar Schritte mehr in die Mitte näher zum Geschehen. Für die volle Ladung Sound und Experience.

Perspektive 3: Nennen wir sie Clara

Fan. Geht gerne tanzen. Liebt ihren Freund noch immer mehr als die Band.
Lieblingslied: Taro.

"Taro" ist mein Klingelton. Mein Freund kommt von der Bar zurück. Hat Gummibärchen in der Hand und Bierschaum im Bart. Endlich eine Band, deren Texte er nicht auswendig kennen muss, weil alles nach genuschelten Lauten klingt. Sie könnten ungarisch singen und ich würd es gar nicht merken! Wann kommt "Taro"? Sicher erst zum Schluss.

Perspektive 4: Nennen wir ihn Dean

Lichttechniker. Er weiß, wie es funktioniert.
Lieblingslieder: Alle.

Weiß, Blau, Gelb, dann Rot, dann wieder Blau und Gelb, dann abwechselnd Weiß und Rot. Geradlinig und simpel. Gottseidank sind die meisten Konzerthallen so mehrzweckmäßig steril, da lenkt nichts ab und man muss sich an dem Lichtspiel-Kino erfreuen. Die Band bewegt sich kaum, also heißt das Konzept: die Band muss mit dem Licht eins werden. Keiner wird Gesichter sehen, nur Umrisse und Schatten. Weiße Lichtkegel zeigen, wo ein Bandmitglied steht. Striche und Quadrate flimmern über die Bühne. Bei "Warm Foothills" fliegen weiße Friedenstauben über die Schirme. Lichtspots verformen sich zu einem Dreieck. Gottseidank sind keine Kamerakräne hier, die die schönen Bilder, dieses Band-Monument zerstören könnten. Zwei Ideen, wie man das Lichtspektakel noch toppen könnte: Ein Vorhang aus Lichtröhren, aber die Idee hatten schon Radiohead. Oder: Nur mehr in innen weiß ausgemalten kugelrunden Hallen spielen, damit man die Projektionen von der Bühne gleich ausweiten kann auf alle Wände. Es gibt kein Zentrum und nicht den einen Blickwinkel auf einen Sänger oder die vier Musiker. Drehbühne vielleicht. Aber dafür braucht es ein drittes Album. Hoffentlich bald!

Perspektive 5: Nennen wir sie Susi

Fan. Ja, ich war auch hier.
Lieblingslieder: Tesselate. The Gospel Of John Hurt.

Was für ein Glück, dass ich auch diesmal zufällig gerade den Spot als Konzert-Aussichtsplattform wähle, wo ich von Menschen umgeben bin, die nicht nur bei den Steaming Satellites mitsingen, sondern auch nach jedem Alt-J-Song ihre Hände zum Dreieck formen.
Alt-J spielen natürlich auch ihr "Tetris"-Lied "The Gospel Of John Hurt".

No space.
L-Shaped.
Tetris.
Tile seeking.
Somewhere.

Was John Hurt mit Tetris zu tun hat, weiß natürlich niemand, aber ich sollte endlich das Blues People-Buch fertig lesen. Ob viele Leute heute ein Buch in ihrem Rucksack heute dabei haben? Ob Alt-J je ein Buch mit gesammelten Lyrics veröffentlichen werden? Ich würde es kaufen. Selbst wenn's "Woah ooh" heißt. Der Keyboarder trinkt Tee. Ich hab Wasser. Woooah oooh.

Perspektive 6: Nennen wir sie Gus, Joe, Thom und Cameron

Die Band. Lieblingslied: Lovely Days.

It´s good to see you again Vienna!
Are you gonna help me sing this?
Cheers guys!
How are you doing?
We´ve been here three times in this city this year. It’s been awesome so thank you.
Thank you so much Vienna.
You´ve been incredible.
Thank you for having us in your brilliant city.
This is our last nite… our last song!
Thank you.
See you soon.