Erstellt am: 24. 11. 2015 - 19:11 Uhr
"You used to call me on my cell phone"
Die Entstehungsgeschichte von Drakes Hotline Bling ist eine verworrene: Ob der Ohrwurm tatsächlich als Remix über den mindestens ebenso catchy Beat zu Cha Cha des R&B-Newcomers D.R.A.M. aus Virginia aufgenommen wurde, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Als Drake seine neue Single diesen Sommer in der eigenen Internetradio-Sendung zum ersten Mal vorspielen ließ, war sie jedenfalls noch als Remix gekennzeichnet.
D.R.A.M., dem das Skandälchen sicher auch etwas Aufmerksamkeit gebracht hat (aber eben nicht soviel wie ein offizieller Remix), fühlt sich zwar etwas beraubt, denkt aber lieber an die Zukunft. Drake vergleicht sein Vorgehen mit dem jamaikanischen Dancehall, wo ja auch mehrere Künstler/innen über denselben Riddim gehen.
Außer der Gesangslinie und einem lateinamerikanisch angehauchten Groove sind sich die finalen Tracks jetzt aber auch gar nicht übertrieben ähnlich - ein Super Mario-Sample da, einmal Timmy Thomas dort. Zum seltsamen Zeit-Tor, das sich da zwischen der Siebziger-Jahre-Friedenshymne und der kriegerischen Jetzt-Zeit öffnet, hat der große Dave Thompkins übrigens das Thinkpiece to end all Thinkpieces geschrieben.
Drake
Den größten Anteil an der irrwitzigen viralen Verbreitung des Songs (der nur wegen einem Systemfehler nicht auf Platz 1 in die Charts ging) hatte aber sicher das Video, in dem Drake nach einer Girl 6-Referenz durch eine von James Turrell abgeschaute Landschaft tänzelt. Seine seltsamen Moves erinnern viele Menschen an den weirden Onkel, der betrunken auf einer Hochzeit tanzt - egal ob dieser Onkel nun aus Indien oder Bayern stammt. Drake gibt die perfekte Identifikationsfigur für alle und nimmt sich auch selbst nicht ernst - über die Flut an animierten GIFs und Vines, die diese Viralmarketing-Perfektion nach sich zog, hat Kollege Phekt schon referiert.
Textlich ist an Hotline Bling noch interessant, dass es nach einer härteren Phase (inklusive seinem etwas einseitigen Sparring mit Meek Mill) wieder die Rückkehr des weinerlichen Drake markiert, der seine weitgereiste Ex auf Instagram stalkt. Darüber hat der FM4 HipHop-Lesekreis mit Mahdi Rahimi, Ole Weinreich und meiner Wenigkeit genauso gesprochen, wie über Mr. Grahams schlechten Ruf als culture vulture, der sich nicht nur Musik und Kunst aus verschiedenen Richtungen aneignet, sondern auch das "Entdecken" von Newcomern für seine Zwecke verwendet.