Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Adele - "25""

Susi Ondrušová

Preview / Review

23. 11. 2015 - 16:05

Adele - "25"

Pop ist Zucker und Zucker braucht der Mensch. Das neue Album von Adele.

Die größte Überraschung in der Berichterstattung zum neuen Adele-Material lieferte Lionel Richie, der wenigstens so viel Humor hatte, die Frage zu stellen, die eigentlich gewitzte Musikjournalisten und Blogger nach dem Besuch eines "Wie schreibe ich Headlines"-Seminars, hätten stellen sollen:


Von allen Worten, die die englische Sprache hergibt, muss es ausgerechnet ein "Hello" sein, mit dem Adele sich ihren Weg in unsere Gehörgänge verschaffen will! Okay mit Worten wie "ubiquitous" lässt sich höchstens ein Of Montreal-Popsong schreiben. Aber genau das ist Adele: ubiquitous. Allgegenwärtig. Sie hat Grammys, Brit Awards, einen Oscar, Kind, Karriere, sie hört gerne Chvrches und Grimes. Sie mag Damon Albarn nicht mehr so sehr wie früher. Sie ist also wie du und ich. Nur, dass sie ihre Tweets vom Management absegnen lassen muss (#drunktexting), während wir unsere betrunkenen Tweets halt einfach wieder löschen, wenn sie uns zu peinlich für den Arbeitgeber werden.

Dass Adele Humor hat, hat sie zuletzt bewiesen, als sie im Rahmen einer BBC Show verkleidet an einem Adele Wettsingen teilgenommen hat. "Adele – meet your Adeles!"


In UK zählt Adeles Vorgängeralbum "21" zum bestverkauften Album aller Zeiten, so wird ihr zweites Werk in einem Atemzug mit den Beatles, Abba und Queen genannt. Gefühlt ist "25" in England mit ähnlich großer Spannung erwartet worden, wie der königliche Nachwuchs. Dass das Album nicht geleaked ist, grenzt an ein Wunder.

"Hello" ist jedenfalls zur "fastest selling single of 2015" gekürt worden. In Interviews erzählt Adele, dass sie an "Rolling In The Deep" eineinhalb Tage gearbeitet hat. Bei "Hello" waren es sechs Monate. Der Guardian nannte "Hello" eine große Ballade – "but a superior example of its kind". Dabei ist der scheinbar Refrain-lose Song, tatsächlich der schwächste vom Album.

Dass die Single in über 20 Ländern die Nummer Eins der Charts wurde, mag nicht verwundern. Genauso wie Adeles Entscheidung, das Album – wie schon Taylor Swift – nicht über Streaming Dienste anzubieten. Adele ist eine der wenigen Künstlerinnen, die tatsächlich Platten v€rkauft. Was auch Musik Fans, die mit Adele nichts anfangen können, freuen sollte. Ein Umsatz in Millionenhöhe ermöglicht dem Label von Adele - XL Recordings – schließlich in Alben von Künstlern wie Ibeyi, Le1f oder Titus Andronicus zu "investieren".

Popsongs schreiben ist schon ein komischer Beruf. Wenigstens aber kein einsamer: Für "25" hat sich Adele mit Phil Collins und Damon Albarn getroffen. Erst durch die Schreibsessions mit Greg Kurstin (Lilly Allen, Sia, Kylie Minogue) konnte sie ihre Schreibblockade überwinden und sich thematisch von Songs übers Mutterdasein verabschieden und dem alles dominierenden Thema von "25" widmen: "I would call it a make-up record. Making up for lost time. Making up for everything I ever did and never did. 25 is about getting to know who I've become without realizing.", meint Adele über ihre neuen Songs.


Neben Paul Epworth, haben Danger Mouse und Ariel Rechtshaid (Haim, Vampire Weekend) an "25" mitproduziert. Letzterer dürfte auch die Brücke zum kanadischen Musiker Tobias Jesso Jr gewesen sein, der mit Adele gemeinsam den Song "When We Were Young" erarbeitet hat. Songwriting Credits teilt sich die Musikerin auf "25" auch mit Max Martin (Taylor Swift) und Ryan Tedder (One Republic, Beyonce).

Aber genug des Namedroppings. Dort wo Adele draufsteht ist natürlich auch Adele drin. Allen voran eine großartige Sängerin. Von den elf Songs vom neuen Album ragen genau drei aus dem "slow dance"-Balladen Muster heraus: "River Lea", bei dem man die Live-Konzert-Massen schon im Takt klatschen hört, ebenso wie "Water Under The Bridge" mit einem aus dem Hinterhalt kommenden "whoohooo". Auch besonders gelungen: "Send My Love (To Your New Lover)" , das gleich nach "Hello" im Tracklisting platziert ist, was ziemlich clever ist, weil "Hello" in seiner dahingeschrienen Opulenz mittlerweile so dermaßen nervt, dass das darauffolgende simple Gitarrengezupfe und das fröhliche "we ain´t kids no more" umso besser einfährt.

XL Recordings

"25" ist auf XL Recordings erschienen.

Es gibt gewohnt viel Streicher und Klavier (Love In The Dark, All I Ask, Remedy) und entlanggezogene Adele-Schreie wie sie Whitney Houston und Mariah Carey nicht besser hinbekommen haben. Höre zum Beispiel: "Sweetest Devotion". Dass das Album thematisch diesmal nicht nur von Herzschmerz-Du-hast-mich-verlassen-boohooo-Texten zusammengehalten wird, sondern als Erinnerungsnotiz und Liebesbrief an "frühere Zeiten" gedacht ist, tut dem Material nur gut. Statt nur der "du liebst mich nicht mehr"-Thematik geht es jetzt um die Erkenntnis "Früher war alles anders – was ist aus uns passiert – wir sind wohl erwachsen – es war so schön – aber nichts wird mehr so sein wie es war – das ist auch okay so". Wenig Reue, einfach nur Erkenntnisse. Insofern ist der Nostalgie-Mantel diesmal kein samtschwerer, sondern ein seidenleichter und seidenweicher. Pop ist Zucker und Zucker braucht der Mensch. So einfach ist das.