Erstellt am: 23. 11. 2015 - 15:01 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 23-11-15.
#demokratiepolitik
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Prolog
Nach 2001, als der 9-11-Terror ein medial praktisch zuordenbares Gesicht bekam, hatte ich einen immer wieder auftretenden, mich zusammenzuckenlassenden Hör/Assoziationsfehler: ich verstand Jörg Haider wenn im Hintergrund-Nachrichten-Geräuschpegel von Al Kaida die Rede war.
Krieg?
Es gibt keinen Krieg der Religionen, es gibt keinen Krieg der Kulturen. Es gibt einen diffusen, entlang unklarer Grenzen und mit wechselnden Allianzen geführten Konflikt, der von den zwei extremen Bewegungen mittels diverser Befeuerungs-Tricks zu einem Krieg hochgepimpt werden soll.
Religion?
Die eine dieser Bewegungen hatte nach den letzten radikalisierten Jahrzehnten und nach den letzten Jahrhunderten der Kolonialisierung leichtes Spiel damit, für Hysterisierung Anfällige mit einer komplett pervertierten Ego-Shooter-Gamer-Version einer bereits zum verzerrten Comic geronnenen Religion in den Bann zu ziehen. Dazu erfreut man sich der Unterstützung finanzkräftiger Islamisten, die - wegen ihrer engen Elitenvernetzung mit den anderen World-Leadern (siehe auch Bin Laden-Familie & USA) - diese Fantasien nicht ausleben können. Ziel dieser Bewegung ist ein globaler Weltenbrand, der sowohl die Ungläubigen als auch die Zuwenig-Gläubigen schädigen soll, und der zur vollständigen Ausrottung subjektiv empfundener Ungerechtigkeit und zur Errichtung einer neuen Weltordnung unter dem Banner eines bigottgefälligen Kalifats führen soll.
Demokratie?
Die andere Bewegung hat es, nach Jahrzehnten ermüdender Versuche des Industriestaaten-Kapitalismus tatsächliche Mitbestimmung nur anzutäuschen und nach Jahrhunderten der obrigkeitshörigen Mitgliedschaft im Club der herrenmenschelnden Hegemonie, ebenso mehr als leicht für Hysterisierung Anfällige mit einer esoterisch verbrämten, verschwörungstheoretisch bemäntelten Widerstands-Ideologie unterdrückter Rassisten, Xenophoben und Nationalisten zu einer Union der besorgten Bürger zu einen. Dazu erfreut man sich finanz- und politmächtiger Unterstützung durch Populisten und Scharfmacher diverser Schattierungen, denen weniger Kriegs-Fantasien denn die Segnungen der Kriegswirtschaft am Herzen liegen. Ziel dieser Bewegung ist ein regional begrenzter Weltenbrand, der - ganz nach Vorbild der alten Kreuzritter - gefälligst dort unten bei den Ungläubigen geführt wird, und - das wiederum global - zur vollständigen Ausrottung subjektiv empfundener Ungerechtigkeit und zur Errichtung einer neuen Weltordnung unter dem Banner scheinbar handlungsfähigerer Autokratien (die die angeschlagenen westlichen Demokratien dank der Kriegs-Bewirtschaftung ablösen) ersetzen soll.
Moral?
Klar, ich bin durch das neue Liessmann'sche Gebot jetzt zur Moralaskese und der Analyse verpflichtet. Der Hinweis auf die verblüffende Ähnlichkeit der beiden extremistischen Denkwelten und die Vergleichbarkeit der beiden Zielsetzungen ist aber auch ganz ohne Moralisieren handhabbar.
Beide Systeme kämpfen gegen die gefühlte Willkür eines selbsternannten, am anderen Ende des Spektrums stehenden, Feindes und sind begierig darauf nach ihrem Endsieg das sicher zumindest hundertjährige Reich des gefühlten Gegenteils zu errichten.
Kollateral?
Beide Systeme verbindet auch die selbstverständliche Sicherheit, dass alle anderen, die sich als da in den Weg stellen wollen, selber und also an ihrer Ausmerzung als Kollateralschäden aber sowas von schuld sind. Egal ob es sich um den #notinmyname-Islam oder die nichtnationale europäische Zivilgesellschaft handelt.
Gespalten hat man sich in beiden Lagern (in Mitteleuropa erleben wir das seit einigen Monaten protoytpisch) ja ohnehin schon.
Die beiden extremen Systeme spielen also das, was Franz Beckenbauer einen gepflegten Doppelpass nennen würde.
Die Mitte?
Es ist nicht die Religion, Dummkopf.
Es geht nicht um die angeberische Errichtung von Gottes Himmelreich auf Erden, und auch nicht um die behauptete Verbesserung des menschenrechtlich immer noch absolut besten Systems (der Demokratie), es geht um komplettes Kurz- und Klein-Geschlage, bomb 'em back to stone age.
Nun sind beide Systeme aber Medien-Profis, große populistische Künstler. Die einen haben Djihadismus über die banale Realität hinweg zu gleißendem Pop gemacht, die anderen haben Nationalismus, Rassismus und Xenophobie zur neuen Mitte hochgepimpt.
Die eigentliche (quasi vormalige) Mitte, all jene, die diese Extrem-Positionen (schon allein wegen des Bewusstseins als Kollateralschaden enden zu können) ablehnen, werden in der Fluch-oder-Segen-Medienlogik zerrieben. Weshalb - im Westen - nur medial umfassendes Gehör findet, wer ins Wolfsgeheul einstimmt; alles andere wird nicht nur als deutlich zu wenig wehrhaft in Quasi-Kriegszeiten diffamiert, sondern findet zunehmend auch einfach nicht mehr statt. Die Kriegsbewirtschaftung geht vor; die Interessen von Konzernen und Industrien, Geldgebern und Medienhäusern sind (großteils) simpel nachvollziehbar gelagert. Man ist Partei, hat sich (vorläufig einmal) fürs Mitlaufen mit den Gewinnern entschieden.
Interessen?
Aktuell wachsen beide Bewegungen, egal welche einen neuen Schlag setzt: sie befeuern, befruchten, bedingen einander. Sie treiben die Mitte vor sich her, wie es ihnen beliebt; was angesichts des alle Menschen- und Bürgerrechte außer Kraft setzenden Duktus der beiden Denkschulen und der entsprechenden Bewegungs-Eingeschränktkeit der demokratischen Institutionen auch nicht schwer ist. Und angesichts der wegen des Sicherheits-Alarmismus zunehmend reduzierten Rechte auch immer schwerer wird.
Sie bilden eine Koalition, über deren Unfreiwilligkeit erst einmal eine Runde Nachdenken angesagt ist.