Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Krise, barock ausgemalt"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 11. 2015 - 15:51

Krise, barock ausgemalt

Der Song zum Sonntag: Basia Bulat - "Infamous"

Das ist wieder einmal ein Lied von der Zerrissenheit, die in Beziehungen, in Verhältnissen, insbesondere denen, die unter dem Schirm "Liebe" gefasst werden, gerne auftaucht. Es ist die alte Geschichte, über die schon dreihundertzwanzig Liebeslieder gesungen worden sind: Gestern war noch alles Euphorie, Ekstase, Rosen und hundert gemeinsame Flaschen roter Wein. Heute: müde. Das Feuer ist eingeschlafen, Langeweile, Pein, Hass. Aber eben auch: Vom anderen weggehen - das ist ein bisschen schwer.

Die kanadische Musikerin und Sängerin Basia Bulat hat sich bisher drei Alben lang vornehmlich um die schönen schwierigen Themen aus dem Poesialbum gekümmert, Herzschmerz und die Turbulenzen im Bauch in kleinen Indiefolk gepackt, der immer wieder zu glänzen wusste, dabei aber oft auch gar putzig und formelhaft niedlich dahergekommen ist.

Zerbrechlicher Kammerpop, mal spartanisch am Piano, dann wieder mit Streichern oder mit Coffeeshop-Jazz gewürzt. Oder auch mit Ukulele. Musik, die gut und gerne "Indie"-Comedys mit Pixie-Charme und quirky Autowerbungen vertonen darf.

Basia Bulat

Basia Bulat

Nun wird alles ein wenig anders. Anfang 2016 erscheint unter dem Namen "Good Advice" das vierte Album von Basia Bulat, die Vorabsingle deutet schon im Titel leise eine Hinwendung zum Gefährlicheren an: "Infamous"- die anrüchige Cousine vom Abstellgleis. Nicht "famous", nicht schillernd berühmt, sondern berüchtigt, möglicherweise gar verrufen.

Ein Berühmtsein mit schwarzen Flecken, ein Ruhm, in dem Fehltritte, aber eben auch das spannende Risiko mitschwingen. "We could be famous", singt Basia Bulat, und, "or even infamous, if you want". Man kann sich bei diesem Bekenntnis zur moralischen Zweifelhaftigkeit sicherlich auch eine sexuelle Konnotation dazudenken.

So gesteht die Erzählerin in dem Song "Infamous" ein, dass mit ein bisschen Willen gemeinsam mit einem geliebten Gegenüber vielleicht doch noch ein paar Aspekte des guten, wilden Lebens ausprobiert werden könnten. Ein Hin und Her mit Jucken und Stechen.

Bullshit mag sie aber nun auch nicht mehr gefüttert bekommen und verwirft in Leben und in Lied schon totgekaute Phrasen: "Don’t waste my time pretending love is somewhere else". Basia Bulat singt das alles mit einer Gewissheit und mit Saft, mit einer Selbstsicherheit und Überzeugung, die ihre Protagonistin in einem prächtigen Licht erscheinen lassen. Es mag zwar bitter werden, wir aber glühen.

Produziert hat den Song Jim James von My Morning Jacket, der in seinem Schaffen als tüchtig handwerkender Rauschebartfolker für gewöhnlich auch nur punktuell Prunkstücke zutage fördert – mit "Infamous" aber glückt ihm ein Popsong von großer Strahlkraft und Eleganz. Der Song ist mit allem Pomp, Synthesizern und Streichern ausstaffiert und betont so den Akt des Triumphierens im Angesicht eines Zerbrechens.

Eine Produktion voller Bombast, Verve und Leben, die sich mit dem Country-Soul-Meisterwerk "Dusty im Memphis" von Dusty Springfield messen kann. Ein schlichter Song, in dem die oft simple, oft erhebende Macht der Popmusik ohne falsche Scham funkelt.