Erstellt am: 22. 11. 2015 - 12:22 Uhr
Zwischen Teufel und dem tiefen Schwarzen Meer
"Ich hatte schon länger die Idee, mir einen großen blauen Pfeil auf den kahlen Schädel tätowieren zu lassen", sagt der Ich-Erzähler, "über den ganzen Kopf, die Pfeilspitze am Nasenbein".
Solche Überlegungen bestimmen den Alltag in „adibas“: Was die Musikauswahl auf einem in einer Umkleidekabine vergessenen iPod über seinen Besitzer aussagt, welche Läden die angesagtesten Vintage-Klamotten haben, seitenlang kann der Ich-Erzähler räsonieren, warum comme des garcons besser ist als Fendi, wo es die besten Croissants der Stadt gibt. „adibas“ handelt von verwestlichten, verweichlichten, desaströs desinteressierten Menschen. Wenn er, Zaza Burchuladze gefragt werde, wo Georgien liegt, antwortet er heute: „Zwischen dem Teufel und dem tiefen Schwarzen Meer“.
Aufbau Verlag
"Stell dir vor, es ist Krieg und du bist falsch angezogen," steht in goldenen Lettern auf dem schwarzen Einband von „adibas“ (den ein leicht abgewandeltes Turnschuh-Herstellerlogo ziert). Es ist ein witziges Buch, dessen Kritik an der Gesellschaft sich nicht aufdrängt. Man könnte diese Akkumulation an gefälschtem, gefaktem, imitierten Leben auch nur abgefahren finden, würden den Erzähler nicht ein paar Nachrichtenmeldungen von Soldaten und Panzern erreichen. Und da skypt auch schon eine Freundin aus London und erkundigt sich ganz aufgeregt, ob der Nobelbezirk Vake bombardiert werde.
Den Erzähler lässt das kalt, er lässt sich einen blasen und wenn er gerade keinen Sex hat, dann denkt er dran. Niemand in "adibas" hat eine originelle Idee. Georgien, sagt Zaza Burchuladze, sei komplett leer, aus dem Inneren der Georgier komme nichts. „Wir erwarten, dass alles von außen kommt, es ist sehr wichtig, das zu verstehen, wir bleiben unser Leben lang Kinder und erwarten entweder den Weihnachtsmann oder den Teufel. Alles, Gutes und Schlechtes kommt nur von außen.“
"adibas" ist bei blumenbar im Aufbau Verlag in einer Übersetzung von Anastasia Kamarauli erschienen.
In „adibas“ gibt es keine Analyse, die Geisteshaltung der Gesellschaft entfaltet sich rein über Oberflächen und popkulturelle Verweise. Es ist eine Geisteshaltung, die darin besteht, keine Haltung zu haben. Politik, also der physisch auf Tiflis zurollende Krieg und der zur Hilfe einfliegende französische Präsident Sarkozy, juckt in diesem Sommer 2008 in Tiflis niemanden. Es ist heiß, man liegt im Freibad, holt sich einen Drink, vergißt den iPod in der Umkleidekabine.
„adibas“ ist pure Perspektivlosigkeit, eine Sammlung von Momenten und Szenen, die das Wesen des Krieges entlarven, dieses allem allen Sinn nehmende Wesen des Krieges. Zaza Burchuladze hat einen Ausdruck für das innere Vakuum gefunden, Resultat eines kurzen Krieges, dessen Folge der Autor in einem Satz zusammenfasst: „I am Georgian, therefore I'm dead.“