Erstellt am: 21. 11. 2015 - 16:30 Uhr
Das Lachen der Täter
Eine Woche nach dem 13. November redet man auch in Berlin noch viel über die Anschläge von Paris. Die Opfer der Attentate erscheinen uns ähnlicher und vertrauter als andere Opfer von Krieg und Terror und diese vermeintliche Ähnlichkeit erzeugt das beklemmende Gefühl, "das hätte auch in Berlin, in unserer Straße, unserem Club passieren können, das hätten auch wir sein können."
Und so versucht man im Gespräch miteinander, die jungen Täter und ihre "Gegenkultur" irgendwie zu begreifen - eine jugendliche Gegenkultur namens Daesh, die Abenteuer verspricht und gleichzeitig eine Kultur des Todes ist.
Deshalb hatte wohl auch eine Veranstaltung am Donnerstag großen Zulauf: Unter dem Titel "Klaus Theweleit: Das Lachen der Täter. Eine Befragung in ernsten Zeiten" war eine Diskussion in der "Denkerei" angekündigt.
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Christiane Rösinger
Die Denkerei
Die Denkerei ist ein recht seltsamer Ort direkt am Kreuzberger Oranienplatz. Die großen Schaufenster des ehemaligen Warenhauses, beklebt mit allen möglichen philosophischen Rätseln und Sinnsprüchen, bieten den Blick auf einen großzügig gestalteten, relativ leeren Raum mit gediegener Innenausstattung. Die Denkerei nennt sich "Kultureinrichtung" mit dem Untertitel "Amt für die Arbeit an unlösbaren Problemen und Maßnahmen der hohen Hand".
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Christiane Rösinger
Verantwortlich für die Denkerei sind die mehr oder weniger bekannten Denker Bazon Brock, Peter Sloterdijk und Peter Weibel und gehen soll es in der Denkerei um die Diskussion komplexer Problemstellungen. Dazu finden hier monatlich Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst, Wissenschaft, Gesellschaft mit wechselnden Gästen statt.
Am Donnerstag war die Denkerei bis auf den letzten Platz von einem in dieser Gegend eher ungewöhnlichen, eher professoralen Publikum besetzt. Statt des Kreuzberg-typischen Antifa-Streetstyles aus Parka und Funktionsjacken trug man Künstlerschals zu schwarzem Tuch und grauem Haar.
Zuerst stellte der recht selbstverliebt wirkende Hausherr Bazon Brock seine Gäste vor: Theorie-Star Klaus Theweleit, seit 1979 mit seiner Dissertation "Männerphantasien" berühmt für seinen neuen Wissenschaftssound, einer Mischung aus Literaturwissenschaft und Psychoanalyse, autobiographischer Erzählung, Comic, politischem Kommentar, in der auch Bob Dylan-Songs und Jimmy Hendrix-Gitarren Platz haben.
Der Anthropologe Lenz Prütting stellte seinen bisherigen Lebensweg von der Universität zum Theater zum Bauernhof dar, eingeladen war er als Verfasser des 2000 Seiten starken Standardwerks zum Lachen "Homo Ridens, Eine phänomenologische Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens".
Das Lachen der Täter
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Residenz Verlag
Theweleit stellte dann die Grundthesen seines neuesten Buches "Das Lachen der Täter" als "Versuch eines Psychogramms der Tötungslust", vor.
Darin geht es mit Beispielen von Norwegen und Breivik über afrikanische, ostasiatische, südamerikanische Fälle bis hin zum lachend tötenden Dschihadisten des "Islamischen Staats" um etwas Universelles: Die Grunddisposition eines bestimmten Tätertyps. Und um das Lachen als Begleitmusik des Tötens, die mit dem Lachen begangene Feier des Gewaltakts. Die lachenden Täter glauben im Namen eines "höheren Rechts" zu handeln, Breivik handelt im Namen der Bruderschaft der Tempelritter, die Dschihadisten im Namen eines Kalifats, das sie "Islamischer Staat" nennen. Die SS berief sich auf eine "höhere Rasse".
Dieses universelle Lachen der Täter sieht Theweleit bei den Folterern in Guantanamo, während des Jugoslawienkriegs in Bosnien, bei Hate Radio in Ruanda, den NSU-Morden, in Indonesien und bei den Morden mexikanischer Drogenkartelle.
Auch beim sogenannten "Happy Slapping" als Schulhofspiel ("happy" weil es den Peinigern so viel Spaß macht einen Mitschüler zu quälen und dabei zu filmen) und bei grausamen Initiationsriten an Universitäten sieht Theweleit das Universelle in den verschiedenen Kulturen des männlichen Tötens: Grausame Gewalt als Spaß und Spannungsabfuhr mit der Begründung "weil sie es verdient haben", weil es von einer "höheren Macht", "zur Erfüllung der Mission" erlaubt ist.
Als Quelle für seine Untersuchungen wies Theweleit auf zwei Filme hin: "The Act of Killing" und "The Look of Silence".
Der Lachphänomenologe Lenz Prütting verwies auf den Begriff der "Lachkotze" aus der alttestamentarischen Tradition hin. Gemeint ist mit "Lachkotze" das Triumphlachen, das Lachgeheul der Sieger.
Das interessante Wort ist eine Übersetzung aus dem althebräischen und meint das spottende Lachen, das, so Prütting, im Wortstamm auch das hebräische Wort für Spotten, Speien und Kotzen in sich trage - Lachkotze eben.
Daraufhin stritten sich die drei gelehrten älteren Herren Brock, Theweleit und Prütting ein bisschen über Adorno und Freud - Adorno sah das Lachen als Gewaltakt, als Ausdruck der blinden verstockten Natur, Freud wiederum untersuchte das Lachen des gesättigten Babys an der Mutterbrust - und warfen sich interessante Sätze wie: "Sie kommen wie Heidegger und andere Idioten ohne die Mutter aus!", zu.
Theweleit erhob den Vorwurf, die Anthropologen hätten keine Ahnung von Psychoanalyse und hantierten mit gelinde gesagt altertümlichen Begrifflichkeiten, Prütting gelang es trotzdem immer wieder auf seine "Lachkotze" zurück zu kommen.
Dann zerfaserte die Diskussion zwischen Kotze, Bulimie, Metabolismus, Hiob und rituellen Speisevorschriften, aber auch dem soldatischen Körper, der die anderen Körper als Korsett gegen das Zerfließen braucht.
Um die Morde von Paris ging es dann doch gar nicht, und das Publikum stellte, wie so oft bei solchen Diskussionen, eher sinnlose Fragen, zum Beispiel ob Schweigen nicht schlimmer sei als Lachen, und was denn mit dem Weinen wäre, das man den Männern doch verbiete.
Theweleit selbst sieht keinen Unterschied zwischen der Struktur eines Mörders wie Breivik oder eines Daesh-Killers - beider Tötungslust ist die gleiche. Das Interessante an dieser Argumentation ist, dass damit die Verbindung von Gewalt und Islam gekappt wird.
Die Anschläge von Paris sind damit nicht mehr nur Verbrechen, die im Namen einer Religion ausgeübt werden, sondern es sind Verbrechen, die auf eine Struktur der Gewalt verweisen, die in jeder Gesellschaft möglich ist, wenn die Form des Zusammenlebens sie nicht verhindert.