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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

18. 11. 2015 - 13:39

Es war ein guter Abend

Die US-Band Death Cab For Cutie spielte erstmals seit Jahren wieder ein Konzert in Wien.

Vage Erinnerungen nur an das erste Konzert von Death Cab For Cutie in Wien. Es muss 2003 oder 2004 gewesen sein, nachdem das „Transatlanticism“-Album der Band aus Seattle erschienen war, das bereits dritte dieser Gitarrenpopband rund um Sänger Ben Gibbard und Gitarrist Chris Walla.

Ich erinnere mich an einen gestressten, nervösen Ben Gibbard im FM4-Interview. Wir saßen oben im Büro der Szene Wien und redeten. Gibbard und Band hatten ihren kleinen Van draußen auf der Straße geparkt, verspätet aus Prag kommend. Irgendetwas war mit dem Auto gewesen – ein Defekt, oder war´s heftiger Schneefall, der dem Van zu schaffen gemacht hatte.

Fastforward: Ben Gibbard gibt vor dem gestrigen Wien-Konzert – Death Cab For Cutie waren seit damals nicht mehr hier –, keine Interviews. Das erspart ihm all die Fragen, wie es denn der Band so gehe ohne Chris Walla, ihren Gitarristen und Keyboarder, Producer und überhaupt integralen Bestandteil. Und das erspart Gibbard auch mögliche Fragen über seine Ex-Frau Zooey Deschanel, US-Serienstar und Sängerin, die den Indierocker verließ. Aber dabei wollten wir doch gar nicht über Zooey sprechen, über Chris schon, aber der freundliche Death Cab Drummer Jason McGerr springt ein und beantwortet alles freundlich und auf den Punkt. Paris und seine Tragödie spricht er an, dass Death Cab kurz dachten, sie würden das Wien-Konzert kurzfristig absagen, das dann aber doch nicht taten, weil sie ja endlich wieder hier spielen wollten. „We´ll see you next time!“, sagt Ben Gibbard dann immer wieder auf der Bühne, und nächstes Mal soll nicht wieder zehn, zwölf Jahre lang sein.

Death Cab for Cutie Sänger

Susi Ondrusova / FM4

Taschenkontrolle am Eingang zum Death Cab For Cutie Konzert. Das bedeutet sowieso jedes Mal für mich einen mittleren Nervenzusammenbruch, weil ich ja mindestens Zimmer-Küche-Kabinett in besagter Tasche mitführe, wohin immer ich gehe, man weiß ja nie, was man alles braucht. Polizei ist auch da. Paris. Wien. Einfach ein Konzert.

Draußen ist noch eine kleine Schlange, drinnen hat die Band bereits begonnen, die Vorband aus Seattle – Chastity Belt, äh, Keuschheitsgürtel, eine Frauenband im Post-Riot-Grrl-meets-Warpaint Stil – ist längst fertig. Ich steige ein beim, glaub ich, dritten Lied von Death Cab: „Photobooth“, einem fünfzehn Jahre alten Song der Band, vom Album „We Have The Facts And We´re Voting Yes“. Es folgt „Black Sun“ vom aktuellen, heuer erschienenen Album.

Death Cab For Cutie sind eine amerikanische Indierock-Aschenputtel-Geschichte. „We had no means“, erzählt Drummer Jason McGerr im FM4-Interview am Nachmittag. Wir waren arm. Bellingham, Washington – dort kommen keine Stars her, aber die Posies waren die ersten, die uns zeigten, dass man auch aus Bellingham kommen kann und via Seattle internationalen Erfolg haben kann, meint Jason. Die Posies, das war diese supermelodiöse Band, die in den frühen 90er Jahren aus Bellingham auszog, um im Grunge-Fahrwasser Alternative-Pop erfolgreich zu zelebrieren.

Death Cab for Cutie

Susi Ondrusova / FM4

Die Melodie ist es auch, die mich und andere seit den späten 90er Jahren hineinkippen ließ in die Musik von Death Cab For Cutie. „There´s beauty in failure“ singt Ben Gibbard in „Black Sun“, und man glaubt es ihm, obwohl dieser Mann nun ein Rockstar ist, aber kein grinsender, selbstbewusster wie etwa Dave Grohl, sondern ein Zweifler, ein Grübler, noch immer ein manischer „Nerd“. Ben Gibbard war nie ein „happy bunny“, sondern ein, ja, fast verzweifelt Suchender, einer dem sich Falten auf die Stirn eingegraben haben, auch wenn er irgendwann im Zuge dieses Wien-Konzerts entspannt und freudig hinter seinen Stirnfransen hervorlächelt, während er von einer Gitarre zur nächsten wechselt, samt schöner schwarzer akustischer Takamine, wie Thom Yorke etwa sie auch spielt.

Nach „Black Sun“ beginnt dieses Konzert so richtig, auch wenn mein Death Cab-Herz an diesem Abend noch nicht ganz erwärmt ist: „The New Year“ vom quasi epochalen Death Cab-Album „Transatlanticism“, 2003 erschienen, steht an. Männer mit Gitarren, vier an der Zahl, Äxte sagen manche dazu. Rock. Keine Electronics wie am neuen Album. Letzteres vermissen manche, andere wiederum sind genau deshalb hier – weil das eben Rock ist.

Death Cab for Cutie

Susi Ondrusova / FM4

Thank you very much, sagt Ben Gibbard, der grundsätzlich ein wortkarger Frontmann ist, auch einer, der als Sänger vergleichsweise wenig Raum auf der Bühne einnimmt. Aber auch Drummer Jason McGerr thront nicht, wie zumeist Schlagzeuger tun, in der Mitte hinten auf der Bühne, sondern eher links in der Ecke.

Death Cab For Cutie sind seit dem Ausstieg von Chris Walla nach den Aufnahmen zum neuen Album „Kintsagi“ ein Trio bzw live ein Quintett, was die Konzertsache irgendwie einfacher macht: Walla, stets zerrissen zwischen Gitarre und Keyboards, diese Situation konnte man so nicht ersetzen, zwei Musiker mussten her, oder man hätte sich live verstärkt des Computers bedient, was man jedoch nicht wollte.

Applaus, gefolgt von akustischem Vibe: „Title And Registration“, wieder ein Song von jenem 03er Album „Transatlanticism“. Ben Gibbard singt “I stumble upon pictures I try to forget“. Die Vergangenheit, die ist ein Hund. Und der nächste Song ist, sagt Gibbard jedenfalls, „for lovers only“: „Little Wanderer“ vom aktuellen Album „Kintsugi“, dessen aus dem Japanischen kommender Titel mit Bruch und - sichtbarer, nicht versteckter - Reparatur von eben diesem zu tun hat. „Little Wanderer“ ist superhübsch, wenn auch fast ein wenig zu dick aufgetragen. Aber, wie Ben Gibbard in diesem Song singt, „someone´s gotta be a lighthouse“, und ja, dieser Leuchtturm, das ist ausgerechnet er, dieser indie-rock-maniac- turned-rock-star. Manchmal ist die Welt eben doch gerecht.

Death Cab for Cutie

Susi Ondrusova / FM4

Mit „Pictures In An Exhibtion“ – vom allerersten Death Cab Album „You Can Play These Songs With Chords“ - kehren wir wieder in rockiges Territorium zurück an diesem Konzertabend. Das alte Seattle winkt dezent. Dann greift Ben Gibbard nochmals zur semiakustischen Gitarre und spielt ein Stück vom neuen Album: „You Haunted Me All My Life“. Der Übergang zu einem 2005er Song – „What Sarah Said“ – ist fast nahtlos.

Nächstes Jahr wird Ben Gibbard 40. Das ist eigentlich etwas, was kein Problem sein sollte in this day and age. Dieser hochsensible und dennoch auch etwas hemdsärmelige Künstler aber lacht und erzählt von der Bühne, dass ihm zuletzt der Nacken weh getan hat. Wie soll das werden mit 50, oder gar 60, meint Ben Gibbard und sagt einen „song about dying“ an: „I Will Follow You Into The Dark“ vom 2005er Album „Plans“.

Noch einmal Gitarren austauschen und die komplette Band kommt nach dieser Solo-Exkursion von Ben Gibbard wieder auf die Bühne. Gute Stimmung nun im Saal, großer Sound, Gitarenklirren. Allzuviel Fleetwood Mac? Ach was. „I Will Possess Your Heart“ vom 2008er Album „Narrow Stairs“ steht an.

Eine Stunde ist gespielt. Thank you. Ich bin auch nun endgültig herzerwärmt an diesem Death Cab Abend. „El Dorado“ vom aktuellen Album tut das Übrige. Sehr schön. Diese cascading rhythms, wie die Musik nun tanzt. Dass die Polizei – der Sicherheit wegen - vor der Tür steht, ist in diesem Moment vergessen. „Passenger Seat“ – wieder ein Song vom „Transatlanticism“-Album – folgt, und dann – endlich – „Soul Meets Body“. Kaum zu glauben, dass die „Nummer“ schon wieder zehn Jahre alt ist. Throw your hands in the air! Ein Pop-Vibe nun bei dieser Band aus Seattle, die „einst“ als kleine Indieband begonnen hatte. „I curse myself for being surprised“, singt Ben Gibbard nun in „Bixby Canyon Bridge“ vom 08er Album „Narrow Stairs“.

Jugendlich wirkt Ben Gibbard, zumindest von hinten im Saal betrachtet, keine Spur von der Angst des Altwerdens, die er vorhin, wenn auch lachend, ausgedrückt hatte. Ein furioses Finale. Das braucht nur noch eine intensive Zugabe: Gibbard singt - nur mit Piano-Begleitung – „Brothers On A Hotel Bed“, ein berührendes Stück vom 2005er Album „Plans“. Dann nochmals Tempo, mit „Marching Bands Of Manhattan“ vom „Plans“-Album, und schließlich die allerletzte Zugabe: „Transatlanticism“, der Titelsong von jenem Album von Death Cab For Cutie, das zwölf Jahre alt ist und sich als Wiederentdeckung des Abends erweist. Und da trabt er dahin, fort von der Bühne, Ben Gibbard, gar nicht brütend, sondern glückselig lächend: „See you soon!“. Auf jeden Fall.