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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 11. 2015 - 11:55

The daily Blumenau. Monday Edition, 16-11-15.

Der ewige Kampf um die Deutungshoheit in Sprache und Benennung. Diesmal: Warum der IS kein lässiger oder gar islamischer Staat, sondern eben nur ein Daesh ist.

#demokratiepolitik #parisattacks

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Spätestens seit der französische Botschafter gestern Im Zentrum dauernd "Daesh" (sprich Da-ESCH) sagte, wenn er den islamischen Staat, auch IS, auch ISIS meinte, sollten die Alarmglocken schrillen. Seit Freitag abend, seit den allerersten Stellungsnahmen des offiziellen Frankreich, wurde mit diesem Begriff hantiert, sprachen sie vom Daesh. Und es handelt sich dabei nicht - wie sonst oft - um eine französische Extrawurst, die dem oft übersteigerten sprachlichen Nationalismus der grande nation geschuldet ist, sondern um eine wohlüberlegte Wahl der Benennung.

Und es ist erschreckend, dass ich, dass wir bislang nicht eine Sekunde überlegt und die selbstgewählte Bezeichnung dieser Gruppierung einfach so übernommen haben. Der selbsternannte islamische Staat ist ja weder ein Staat (sondern ein Kalifat, mit dem modernen Begriff Dawla hat das nix zu tun) noch islamisch (bzw. bestenfalls so islamisch wie die Inquisition christlich war, also eine pervertierte, zynische Interpretation der eigentlichen Religion). Indem die westliche Welt diese Diktion aber übernimmt, steckt sie a) alle Muslims in IS-Geiselhaft und akzeptiert sie b) eine Terror-Organisation auf staatlicher Augenhöhe.

Reingefallen, wir alle, deutsch- und englisch- und viele anderssprachige Medien, reingefallen auf den simpelsten aller Propaganda- und Deutungshoheits-Tricks aus der Marketing/NLP-Abteilung des Daesh.

Daesh, so haben von Beginn an die Franzosen gesagt (in der Folge übernahm dann etwa das US-Außenministerium, nicht Obama, der bleibt bei seiner sprachlichen quasi staatlichen Anerkennung, die Diktion), auch weil sie besser Arabisch können und man in Paris, dem migrantischen Schmelztiegel, schneller und besser mitkriegt, wie die arabische Welt, wie die Gegner der Gruppierung sie nennen.

Der Name der Gruppe hatte bereits eine komplexe hier gut beleuchtete Geschichte - und ehe man sich 2013 "the Islamic State in Iraq and al-Sham", also ISIS nannte, waren bereits einige Kürzel verbraucht. Al-Sham bezeichnet die in Europa als Levante bekannte Gegend, geht also deutlich über Syrien hinaus.

Auf Arabisch heißt das "al-Dawla al-Islamiya fi Iraq wa al-Sham", was wiederum zum dort gebräuchlichen Akronym Daiish führte, was in der Verballhornung dann Daesh ausgesprochen wurde. Vor allem die IS-Gegner verwenden dieses Wort gerne, weil es negative Untertöne transportiert - durch die Ähnlichkeit zu den Worten Daes ("der, der etwas mit dem Fuß zertritt") und Dahes ("der, der Zwietracht sät"). Hier noch eine weiterführende Analyse des Begriffs.

Nun ließe sich argumentieren, dass die korrekte Benennung einer Gruppe eine journalistische Grundsatzpflicht ist. Wenn aber der Name bereits Teil der medialen Manipulation ist und wenn er sich - fälschlicherweise - auf den Islam beruft, dann tut eine Benennung, die all dies reflektiert, aber durchaus not. Der Terminus verwischt bewusst die Linien zwischen dem Islam, den Muslims und dem Islamismus, sagt der französische Außenminister Fabius; und verwendet den Begriff Daesh. Der offizielle Islam in Europa sieht das genauso: Britische Imame haben ihren Ministerpräsidenten Cameron aufgefordert, statt des Begriffs islamic state den richtigeren "un-Islamic state" zu verwenden.

Daesh, sagt der syrische Intellektuelle Yassin Al Haj Saleh klingt "wie eines der Monster aus den Märchen, die man uns als Kinder erzählt hat". Was dem Wesen des Daesh, formerly known as IS, deutlich besser entspricht. Und dem Terrorismus in der Frage der Deutungshoheit nicht bei jeder weiteren ihm gefallenden Benennung implizit zugesteht für den gesamten Islam zu sprechen oder zu handeln.