Erstellt am: 15. 11. 2015 - 13:52 Uhr
Eagles of Death Metal sagen ihre Europa-Tour ab
Jede/r von uns war schon auf einem Konzert. Die meisten von uns kennen und lieben die kollektive Freude, wenn die Band auf die Bühne kommt und der Euphorie-Applaus erklingt. Wenn die Band, auf die man so lange gewartet hat, für die man in U-Bahn, Zug oder Flugzeug gestiegen ist, den ersten Song anstimmt. Die Freude, wenn man an einem Konzertabend in der Vorband eine neue Lieblingsband entdeckt, mit der man hinterher am Merch-Stand ein paar Worte des Lobes austauschen möchte. Wir kennen nicht nur unsere Lieblings-Konzertlokale, wir kennen auch die Rituale vor einem Konzert: Mit wem gehe ich? Wann geh ich aufs Konzert? Und wo werde ich stehen? Vorne ganz nah am Geschehen umgeben von denen, mit denen man Schulter an Schulter die Leidenschaft für die Songs der Lieblingsband einen Abend lang gemeinsam auslebt? An der Bar, wo man sich mit Freunden unterhält? Beim Mischpult, wo man auf den besten Sound hofft?
Ein Konzert ist im besten Falle ein Ereignis kollektiver Freude. Es gibt einen Anführer der guten Laune, der steht hinterm Mikro. Und selbst wenn einem die Band am Abend nicht gefällt, hat man sich im besten Fall gut unterhalten und Erinnerungen gesammelt. Es wird ja schließlich ein nächstes Mal geben. Die nächste Band wird kommen und ein weiterer Abend, den man gemeinsam mit Menschen, die einem Fremde, aber für eine Konzertlänge lang auch Freunde sind, wird kommen. Die Bestürzung unter Musiker-Kolleg_innen und Musik-Fans nach der Geiselnahme im Pariser Bataclan ist groß. Jede von uns war schon auf einem Konzert. Ob auf oder vor der Bühne. Wir lieben Konzerte, das ist unser Ort. Egal, ob Bataclan oder Arena über der Eingangstür steht.
Zwei Tage nach den verheerenden Anschlägen in Paris sagen die Eagles Of Death Metal ihre Europa-Tour, die sie Ende des Monats auch in die österreichische Hauptstadt geführt hätte, verständlicherweise ab. Während auf der einen Seite Artikel zur Band auftauchen, in denen z.B. auf ihre "proisraelische" Haltung hingewiesen wird (siehe TAZ in "Kaum ein zufälliges Ziel"), ruft ein britischer Fan die "Eagles Of Death Metal For No.1" Charts-Kampagne ins Leben.
Eagles Of Death Metal
Die beiden Konzerte von U2, die im Rahmen ihrer Innocence und Experience Tour in Paris hätten stattfinden sollten, wurden angesichts der "ongoing state of emergency across France" abgesagt.
Bono dazu: "The majority of victims last night are music fans. This is the first direct hit on music that we've had in this so-called War on Terror or whatever it's called. It's very upsetting. These are our people. This could be me at a show. You at a show, in that venue. It's a very recognizable situation for you and for me and the coldblooded aspect of this slaughter is deeply disturbing and that’s what I can’t get out of my head."
Die Foo Fighters sagten ihre verbleibenden Europa-Dates ebenfalls ab. In einem Statement schreiben sie: "In light of this senseless violence, the closing of borders, and international mourning, we can't continue right now. There is no other way to say it. This is crazy and it sucks. Our thoughts and prayers are with everyone who was hurt or who lost a loved one." Motörhead, die am heutigen Sonntag im Pariser Zenith auftreten sollten und deren Tourbus & Crewtruck die Grenze nicht überqueren konnte, sahen sich ebenfalls gezwungen ihren Auftritt abzusagen. "France is understandably on lockdown until local authorities can gauge the full extent of what has occurred. We just hope everyone can heal" ist im Statement der Band zu lesen.
Jeff J Mitchell/Getty
Am Abend der Pariser Anschläge hat auch Dan Auerbach mit seiner Band The Arcs im Le Trianon gespielt, eine Venue gleicher Größenordnung wie das Bataclan. Im Rolling-Stone-Artikel "We were hunkered down listening for gunshots" spricht er über Nick Alexander, der bei den Bataclan-Anschlägen getötet wurde. Der Brite war Merch Manager für die Eagles Of Death Metal, genauso wie für Sum41, MGMT und Dan Auerbachs Band The Black Keys. Er schreibt über das "weirdy gypsy lifestyle" einer tourenden Band, die in dem Fall der Black Keys aus rund 30 Personen besteht, und erinnert sich an Nick Alexander:
"He was just an absolute rock & roll guy. He lived for it. Selling merch is a really, really tough job. He was one of the first ones in, last ones out. You have to be 100 percent prepared for that short burst of sales, that wave of people when they come in and when they come out. When you find someone really good at that job, you try to hold on to them. He was that guy for a lot of people."
Auch für MGMT, die auf ihrer Facebook-Seite schreiben:
"He sold merch for us on our two European tours in the Fall of 2010, including those three nights at Le Bataclan... If you have a t-shirt from that tour, wear it proudly to honor Nick!", meint die Band und lässt den schönen Satz fallen: "We make music and play music to help make people happy. It is what every band we’ve ever met wants to do. Happiness, like music, comes in many different forms and styles. But happiness doesn’t come the way we saw last night. We all need to figure out how to make happiness win."
Die kanadische Musikerin Austra meldet sich über Twitter zu Wort, indem sie nicht nur schreibt, "The violence felt so far away till they attacked our personal place of worship: a concert venue", sondern auch an Beirut erinnert:
Love to Paris, Beirut, Baghdad. I hope these tragedies make it clear how important it is to help refugees who experience terror every day.
— AUSTRA (@austratalks) November 14, 2015
Der amerikanische Rapper Astronautalis, der sich zur Zeit in Frankreich aufhält, am Abend der Anschläge ein Konzert in Laval vor 300 Leuten gespielt hat, zitiert in einem Facebook Posting Bob Marley: "The people that are trying to make this world worse aren't taking days off, why should I?"
und Albert Camus:
"The only way to deal with an unfree world is to become so absolutely free that your very existence is an act of rebellion."
Von mir jetzt noch ein Lied. Jeff Buckley singt Edith Piafs "Hymne à l'amour" und "Je n'en connais pas la fin". Aufgenommen 1995 im Pariser Bataclan. Ich kenne das Ende auch nicht. Aber falls jemand ein Tondokument für die kollektive Euphorie bei Konzerten hören möchte. Das ist es.
Update vom 16.November:
Am Tag nach den Anschlägen haben Garbage anlässlich ihrer 20.Jährigen Band-Jubiläums-Tour ein Konzert in der Usher Hall in Edinburgh gespielt. Shirley Manson hat in ihrer Heimatstadt, folgende Worte gefunden um das Konzert einzuläuten: “They want to create terror and chaos and hatred and misunderstanding and suspicion and the best thing you can do against that kind of terrorism is to fight against it and remain optimistic, be kind, be tolerant, be forgiving, be educated…I want us to choose life over fear. I want us to rebel against fear.” Das ganze Video gibt es hier.
Auch Bilderbuch haben am 14.November ein Konzert in Klagenfurt gespielt und bei ihrem Konzert folgendes gesagt: (Danke an FM4 Hörerin Martina L. für den Link)
Ich empfehle auch einen Blick auf die Facebook-Seite der musikalisch vielleicht im Schreiduell angesiedelten aber stets eloquenten und auch politisch engagiert Band Enter Shikari, die am Tag nach den Anschlägen folgendes gepostet haben:
Weiterlesen:
#parisattacks auf FM4
"Through the sadness and anger, we maintain our belief that events like this should not be an excuse for more hatred, bigotry and violence. If we resort to that, we are no better than the small number of people on this planet who wish to spread ignorance and hatred for their own agendas. More than anything, we are all one people, sharing a small planet in the universe, and most people want nothing more than to live their lives in peace and happiness. Don’t allow the politics of hate and division to convince you otherwise."