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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

13. 11. 2015 - 07:43

Hello (again)

In "Steve Jobs" werden Wesen und Wahnsinn des leidenschaftlichen Apple-Marketers in einem kurzweiligen Kammerspiel inszeniert.

Die Geschichte ist nun schon einige Jahrzehnte alt: Auf der einen Seite steht die durchschnittliche Heimcomputerkultur, auf der anderen Seite steht Apple. Die üblichen Geräte sind günstig, aber hässlich. Praktisch, aber durchschnittlich. Apple-Computer hingegen sind teurer, aber schick, teils leistungsschwächer als die Normcore-Konkurrenz, dafür exzentrisch und ungewöhnlich.

Mit Jahrgang 1979 waren Apple-Geräte für mich die längste Zeit hinweg lächerliche Distinktionsziegelsteine, überteuerte, unpraktische Statussymbole, mit denen man angeblich so viel besser Videoschnitt und Bildbearbeitung abwickeln könnte und die hinsichtlich Bedienung in jeder Hinsicht praktischer wären als die gerne beklagte fehleranfällige Windows-Konkurrenz. Wer Apple kaufte, so mein Gedanke, hatte dann zwar vielleicht ein hübscher aussehendes Gerät, sich damit aber auch gleichzeitig als dekadenter, unbedarfter User geoutet. Gängige Heimcomputer, die unter anderem wegen ihrer modularen Gestaltungsmöglichkeiten so toll waren, fanden ihre gegenteilige Entsprechung im exklusiveren, geschlossenen, kaum erweiterbaren Mac - dem feuchten Traum aller DAUs. Wer sich darüber hinaus für Computerspielkultur interessierte, konnte die Häme noch weiter ziehen, denn Gaming war auf Apple-Computern die längste Zeit eine große Lachnummer.

Geschichte lernen

Erst mit zunehmendem Geschichtsbewusstsein ist mir klar geworden, dass der seit den 90er Jahren zelebrierte (und gut vermarktete) Kampf zwischen Macs und Windows-PCs nur der Mittelteil der Apple-Geschichte ist. Denn danach kamen Ipod, Iphone und Ipad; und davor: der Apple II.

Wie wichtig und bahnbrechend der 1977 erstmals auf den Markt gekommene Apple II war, ist ein Faktum, auf das in jüngster Zeit stärker aufmerksam gemacht wird. Der Apple II war der Ur-Heimcomputer, der die Idee der zimmergroßen Rechenmaschine in Konzern- und Universitätsgebäuden in wenigen Jahren mit jener des kleinen, verspielten und zugänglichen Familiengeräts ersetzte. Der vom hochbegabten Ingenieur Steve Wozniak gebaute und dem größenwahnsinnigen Visionär Steve Jobs vermarktete Heimcomputer war tatsächlich jene Revolution, von der Jobs von Anfang an überschwenglich fabulierte.

Computer says "Hello"

Doch leidenschaftliche und unerbittliche Innovatoren müssen mit Widerstand und Scheitern rechnen. Hatte sich Wozniak beim Apple II noch mit dem Konzept des heute klassischen, modularen Heimcomputermodells durchgesetzt, sollte 1984 mit dem Mac (bzw. 1983 mit seinem Vorgängercomputer Lisa) fortan die Designphilosophie von Jobs den Ton angeben. An diesem Punkt setzt der biographische Spielfilm "Steve Jobs" ein: Jobs (Michael Fassbender) ist kurz davor, jene legendäre Pressekonferenz zu geben, bei der der Ur-Mac vorgestellt wird. Doch der freundlich aussehende Computer weigert sich schon während der Vorbereitung, "Hello" zu sagen. Techniker Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg) schlägt deshalb vor, diesen Part in der Vorführung einfach wegzulassen. Jobs says no.

Versus "Big Blue"

Empfehlung:
Die TV-Serie "Halt and Catch Fire" beschäftigt sich ebenfalls mit Rivalitäten von Computer-Herstellern in den frühen 80er Jahren.

Gleich hier, zu Beginn des Films, sieht man auch Teile des legendären, von Ridley Scott inszenierten Macintosh-Werbespots, in dem eine faschistoide Propagandaveranstaltung durch eine Hammerwerferin gestört wird, die die Knechtschaft des repressiven Systems durch eine Explosion beendet. Die Botschaft ist klar: "Big Blue" IBM, jener Konzern, der Jahrzehnte lang das Synonym für Computerherstellung war, hatte seine Quasi-Monopolstellung und Marktmacht herrisch vor sich hergetragen - und in den 70ern und frühen 80ern vor lauter Arroganz die Zeichen der Zeit, also den Heimcomputer, fast verschlafen. Doch Apple hat IBM wachgerüttelt und mit dem Mac, einem schicken, kompakten Personal Computer mit einer grafischen Benutzeroberfläche, den nächsten Hammer geworfen.

Kurzweiliges Kammerspiel

Doch bevor der Spot gezeigt wird, gilt es eben noch das Problem mit dem "Hello" zu lösen. Fiebrig diskutieren Hertzfeld sowie Jobs und die amtstreue Apple-Marketingleiterin Joanna Hoffman (Kate Winslet) in den Gängen hinter der Bühne darüber, was getan werden soll. Damit die Situation noch ein bisschen angespannter wird, sitzen Steve Jobs' ehemalige On/Off-Geliebte Chrisann Brennan (Katherine Waterston) und die gemeinsame Tochter Lisa (deren Vaterschaft er sich verweigert) nebenan in einem Zimmer. Gleichzeitig gibt es väterliche Ratschläge vom Apple-CEO John Sculley (Jeff Daniels), den Jobs höchstpersönlich in die Firma geholt hat.

"Steve Jobs" ist bei weitem nicht der erste (Spiel)film über den legendären Apple-Mitbegründer. Darüber hinaus gibt es jede Menge Dokus und Bücher. Die Liste ist lang.

Es ergeben sich hitzige Diskussionen und Streitereien, die alle dichtgedrängt kurz vor dem großen medialen Knall auf der Bühne stattfinden. Jobs exzentrische und kompromisslose Persönlichkeit wird dabei gebührend ausgebreitet: Der Mann wird als aufbrausendes, selbstsüchtiges Arschloch gezeichnet, der sich von niemandem verstanden fühlt. Alle rings um ihn herum denken zu klein und nerven ihn mit lächerlichen Banalitäten. Aber sie werden schon sehen, wie groß Steve Jobs und seine Vision tatsächlich sind.

Michael Fassbender als Steve Jobs

Universal

Es liegt die Vermutung nahe, dass in weiterer Folge die Pressekonferenz ausführlich inszeniert wird und der Film sich danach stilistisch und örtlich auffächert. Stattdessen bleiben Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Aaron Sorkin aber fast ausschließlich in den Räumen hinter der Bühne verhaftet, und das den ganzen restlichen Film über. Die Gänge und Zeiten ändern sich, doch die Personen und Konflikte bleiben gleich: Wir sehen die sehr problematische Beziehung zwischen Steve, Chrisann und Lisa, die von Misstrauen, Überforderung und Geldstreitereien gesäumt ist, sowie das sich immer mehr zerrüttende Verhältnis vom Apple-Visionär zu seinen Kolleg/innen und Vorgesetzten.

Die Konsequenz dieser Darstellung macht den Film zu einem gelungenen Kammerspielfilm, der sehr pur auf zwischenmenschliche Konflikte und emotionale Unzulänglichkeiten fokussiert und das Gefühl, sich unverstanden zu fühlen, herausstreicht. Ob Steve Jobs seine Kompromisslosigkeit auch hätte leben können, wenn er kein adoptiertes Kind gewesen wäre, das Elternliebe nur in gering portionierten Mengen erfahren hat? Diese Frage steht nach dem Film zwar im Raum, "Steve Jobs" verschwendet aber keine Minute damit, seine Protagonist/innen in weinerlichem Selbstzweifel suhlen zu lassen. Besser, wir lassen sie sich gegenseitig noch ein bisschen ihre Meinung geigen.

Was war seine Leistung?

"Was tust du eigentlich?", fragt Firmenmitgründer Steve Wozniak in einer eindringlichen Szene seinen ehemaligen Kumpel vor einer weiteren Pressekonferenz, bei der dieser sich erneut weigert wird, die Namen von verdienstvollen Apple-Employees zu nennen. "Ich spiele kein Instrument", antwortet ihm dieser, "Ich spiele das Orchester." Gegen Ende des Films wird der Größenwahn dann zwar ein bisschen zurückgefahren. Doch bevor es zu wattebauschig wird, wird ein Schlusstrich gezogen. So endet die Erzählung vor der modernen Apple-Ära. Auch das ist konsequent. Wie Ipod, Iphone und Co. vor dem Tod ihres Visionärs entstanden sind, daran können wir uns ja selbst erinnern.