Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Old Man, look at my life!"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

12. 11. 2015 - 09:01

Old Man, look at my life!

"Give me things that won't get lost" - Neil Young ist Siebzig

Schön, eine Art Nachruf auf wen schreiben zu können, der nicht tot ist. Sondern nur alt. Der eigentlich schon immer alt war. Und stur. Ein alter sturer Kauz.

Einige unverzichtbare, nicht so bekannte Songs des Jubilars

  • Out on The Weekend
  • Harvest
  • Words
  • Tell me Why
  • Roll another Number for the Road
  • Everybody knows this is nowhere
  • Ohio
  • Till The Morning Comes
  • Love is a Rose
  • Deep Forbidden Lake
  • Campaigner
  • Pocahontas
  • Thrasher
  • Powderfinger
  • Revolution Blues
  • On the Beach
  • Ambulance Blues
  • Don't cry no Tears
  • Winterlong
  • Captain Kennedy
  • Are There Any More Real Cowboys?
  • Saddle Up The Palomino
  • Homegrown
  • Southern Pacific
  • Human Highway
  • Over and Over,
  • Change your Mind
  • I'm The Ocean

und die "Greatest Hits" braucht man dazu sowieso noch

Während die anderen Sixties- Kauze, die jetzt so durch die Legendensendungen gezogen werden, dereinst junge Posterboy-Schnuckel waren - Dylan, Ray Davies, Paul Simon, Roger Daltrey, zu ihrer Zeit alles fesche junge wilde Typen - war Neil Young immer schon ältlich, schon als junger Mann ein krummer, hässlicher alter Kauz. Von Kinderlähmung und Epilepsie gezeichnet, behäbig schlurfend, mit hängenden Mundwinkeln. Und seine Band: Immer etwas zu langsam, die Rhythmusgruppe neben dem Beat, die Stimme zu dünn, die Soli zu lang.

Ein junger Neil Young auf der Bühne

Mark Estabrook / free use

Neil Young 1976 bei einem Konzert in Austin, Texas

Und die komischen Platten: Hier ein Lagerfeuer- Sehnsuchtsalbum, da ein depressives Heroin-Album, dann ein depressives Anti-Heroin Album, ein Country Album, eins mit Opernsängern und Liedern über Steaks und Züge, eins mit Synthesizerfiepen und Vocoderstimmen, eins im Elvis-Stil, was mit Willie Nelson, was mit seinen Söhnen, Lieder für Johnny Rotten und gegen seine fett gewordenen Hippie Freunde, Lieder für Nixons Seele und ganze Platten gegen Bush, über Autos und tote Indianer und die armen Farmer und die klaren Flüsse   ...hin und her, rauf und runter, Großes und dann wieder Flaches - kauzig eben. Und was ich oder die anderen, die da nicht mit wollen, darüber denken, war und ist ihm herzlich gleichviel. Hauptsache er kann über die Liebe singen, denn die Menschen wollen Lieder über die Liebe hören.

All das macht Neil Young groß. Wie einen Baum mit fester Wurzel in dessen Krone sich verschiedenfarbige Vögel die bunten Federn ausrupfen. In dessen Kopf sich alles drehen darf und bewegen darf, sodass er es darin mit feiner Antenne aufspürt und daraus Lieder über Melancholie und Optimismus bastelt, wie sie kein zweiter dieser Legenden genannten klassischen Songwriter geschafft hat. Auch Dylan nicht, wie ich finde.

Der alte Neil Young auf der Bühne mit Gitarre reckt eine Hand nach oben

CC BY 2.0 von Takahiro Kyono flickr.com/75972766@N02

CC BY 2.0 Neil Young in Dresden 2014

Der ältere Herr mit Hut sieht glücklich aus. Er hat ja auch Geburtstag, einen siebzigjährigen Kindergeburtstag, schließlich ähnelt seine Art, Kunst zu machen der eines neugierigen und von Emotionen überwältigten, begeisterten Kindes, das von großer Liebe zu Musik und zum Lärm erfüllt ist, zum magischen Moment des zusammen erzeugten rauschenden Sees aus Noise, Feedback und Bass, zum einfachen Lied, zur Kraft der simplen Harmonie und des aus ihr entstehenden unmittelbaren Glücks des Moments. Fünfzig Jahre macht er das jetzt schon, jemand, dem Alter oder Geld nichts anhaben können, dem es Freude bereitet, jüngeren Leuten zuzuhören und über Neues zu reden.

Dass er mit seinen Volten und Eskapaden auch nerven kann, dass man mit fast Siebzig nicht seine Ehefrau verlässt und sie dann auch noch mit einer Uhr vergleicht, die nicht mehr tickt, dass man auch seine Autos auf Elektroauto umbauen lassen könnte, ohne darüber Bücher und Konzeptalben zu verfassen … vielleicht weiß er das auch - aber auch hier ist ihm wohl wieder herzlich gleichviel, was andere darüber denken.

Hauptsache er kann über die Liebe singen, denn die Menschen wollen Lieder über die Liebe hören.

Also alles Gute, alter Kauz.