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Daniel Grabner

Geschichten aus on- und offline, zwischen den Zeilen und hinter den Links

10. 11. 2015 - 18:03

Let’s start a food revolution!

Industriedesignerin Katharina Unger hat eine Desktop-Insektenfarm entworfen. Ihr sogenannter Hive produziert 500 Gramm Insektenprotein pro Woche und soll uns Insekten als Nahrungsmittel begreiflich machen.

Vom elterlichen Bio-Bauernhof an der österreichisch-ungarischen Grenze ist es ein weiter Weg nach Hong Kong. Ebenso weit scheint der Weg vom Schnitzel zum Mehlwurm-Burger. Die 25jährige Industriedesignerin Katharina Unger ist beide Wege gegangen. Seit zwei Jahren lebt sie in der asiatischen Metropole. Dort wurde ihr auch die Abhängigkeit der Menschen vom ineffizienten Nahrungsmittelsystem, der unökonomischen und umweltschädlichen industriellen Massentierhaltung bewusst, die als Hauptverursacher des Klimawandels gilt. Gleichzeitig entdeckte sie die Vorteile von Insekten als Nahrungsmittel. "Ich habe nach Alternativen gesucht, hab‘ mir auch Algen und andere pflanzenbasierte Proteine angesehen. Insekten kamen da als großartige Alternative auf, weil sie extrem gesund sind, weil sie wenig Raum, Licht und Wasser brauchen und auch ganz wenig CO2."

Frau mit Maden in der Hand

FM4 / Daniel Grabner

Weltweit ernähren sich ca. zwei Milliarden Menschen von Insekten. 2013 hat die UN Lebensmittelbehörde FAO den Verzehr von Insekten empfohlen, und auch die EU fördert Projekte, die Insekten als Proteinquelle erschließen. In Österreich will der Verein Speiseplan den Menschen Insekten als Nahrungsquelle schmackhaft machen. Sind Insekten angesichts des steten Wachstums der Weltbevölkerung eine nachhaltige Nahrungsquelle der Zukunft?

Kollege Christoph Weiß hat den Verein Speiseplan besucht. Mehr dazu hier.

Madenzucht-Gerät

Livinfarms

Der Hive zu Hause

Für Katharina Unger ist diese Zukunft bereits eingetreten. Fast täglich ernährt sie sich von Insekten. Gemeinsam mit der Industriedesignerin Julia Kaisinger, einem Mechatroniker, und einer Insektenforscherin hat Katharina das Unternehmen Livinfarms gegründet und ein futuristisch aussehendes, weißes, ca. sechzig Zentimeter hohes Kästchen entworfen: eine Insektenfarm, der sogenannte Hive. Unter minimalem Aufwand lassen sich darin zu Hause Mehlwürmer züchten. "Die meisten Food-Revolutions finden weit entfernt von zu Hause statt. Die Inspiration war, ein Gerät zu machen, mit dem man privat züchten kann, unabhängig von jedem größeren System. Mit unserem Hive kann man diese Revolution von der eigenen Küche aus starten."

Salat mit Insekten

Livinfarms

Wie funktionierts?

Alles beginnt mit zwei Mehlwurmkäferpuppen, die in eine Kammer an der Spitze des Hives platziert werden. Aus ihnen schlüpfen Mehlwurmkäfer, die sich paaren und Eier legen (ein Weibchen bis zu 500). Die Eier fallen durch ein Gitter in eine Kammer darunter und die geschlüpften Mehlwurmlarven anschließend ebenfalls durch ein Gitter in die erste aus sechs Laden. Der Hive sorgt für die optimale Temperatur und Luftfeuchtigkeit für die Insekten. Gefüttert werden sie mit Küchenabfällen. Die Larven durchlaufen ihre wöchentlichen Entwicklungsstadien bis zum Mehlwurm. Einmal pro Woche betätigt man einen Hebel, so dass sie in die nächste, darunterliegende Lade fallen. Die Laden trennen somit die Wurmstadien. Zwischen der letzten Lade und der sogenannten Ernte-Lade ist wieder ein Gitter eingebaut, das mittels spezieller Vibration die Würmer von Essensresten und Kot befreit. Danach klettern sie über die Ränder in die Erntekammer und werden dort mittels Kühlung am Übertritt in die nächste Entwicklungsstufe gehindert. 500 Gramm an Mehlwurmprotein lassen sich damit wöchentlich gewinnen.

Maden in einer Maschine

Livinfarms

Design mit Aufgabe

Die Insektenfarm ist nicht nur ein besonders effektiver Proteinerzeuger. Der Hive hat auch die Aufgabe, dem Menschen das Insekt als Produkt, als Nahrungsmittel begreiflich zu machen. "Wenn man versteht, wie das wächst, wenn man versteht, dass das sauber aufwachsen kann und auch noch gut schmeckt, dann fängt man an, darüber nachzudenken, das wirklich als Nahrungsmittel zu sehen", erklärt die Industriedesignerin. Und tatsächlich, die stylische weiße Optik des Hives und seine Funktionsweise vermitteln das Gefühl von Sicherheit, Hygiene und Kontrolle. Im Erzeugungsprozess sind abgesehen vom Füttern der Käfer/Larven/Würmer kaum Eingriffe notwendig.

Maden in der Hand

FM4 / Daniel Grabner

Let’s start a revolution!

Doch was bringen all die logischen Argumente für den Verzehr von Insekten, wenn uns die kulturell über Jahrtausende gewachsenen Nahrungsgewohnheiten der westlichen Welt davon abhalten? "Die größte Herausforderung liegt in den Köpfen der Menschen", sagt Katharina. "Man sieht, dass in Europa Nachhaltigkeit ein großes Argument ist, deswegen bin ich zuversichtlich, dass der 'logische Kopf' der Menschen ganz viel Einfluss auf die Wahrnehmung nehmen wird. Wenn man begreift, dass das einfach nur ein proteinhaltiges Lebensmittel, ein gesunder Fleischersatz ist, dann glaube ich wird diese Revolution passieren."

Und diese Revolution kann man unterstützen. Für den Hive wurde heute eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter gestartet. Ab 500 US-Dollar kann man sich die Insektenfarm also schon für zu Hause reservieren.

Küche

Livinfarms