Erstellt am: 9. 11. 2015 - 16:51 Uhr
"Das Team bin ich"
Betritt man die Räumlichkeiten des Wiener Verlags Wortreich, ist man gleich mal überrascht, dass es sich eigentlich nur um einen einzigen Raum handelt. Ein länglicher Raum, nicht größer als ein mittleres WG-Zimmer, 18 Quadratmeter mit einem Fenster. An der linken Wand befinden sich Bücherregale bis zur Decke, an der rechten stehen zwei Schreibtische. Seitdem die Neo-Verlegerin diesen Raum im Jänner zum ersten Mal betreten hat, kommt sie täglich pünktlich um 8 Uhr morgens durch die Tür. "Das Team bin ich", erzählt sie. Darüber hinaus besteht der Wortreich-Verlag aus zehn weiteren freiberuflichen Mitarbeitern, die für Marketing, Grafik, Lektorat etc. zuständig sind.
Verlag Wortreich
"Es bleiben junge Stimmen über"
Bisher bestritt Cvancara ihren Lebensunterhalt im Plattengeschäft der Eltern, solange bis es schließen musste und die studierte Publizistin in den Musikvertrieb eines Major-Labels wechselte. Ihre Leidenschaft, das Schreiben, brachte sie schließlich auf die Idee, sich selbstständig zu machen und einen Verlag zu gründen. Als Autorin habe sie einen guten Überblick über die österreichische Verlagslandschaft bekommen. Cvancaras Gründe, hier auch einen Platz für sich zu beanspruchen, könnte man durchaus als idealistisch bezeichnen: "Ich hab‘ einfach die Notwendigkeit nach einem starken Partner für die Autoren gesehen", erzählt die Verlegerin. Es gebe einfach zu viele Autoren, die "liegen bleiben würden", ein Autor vom Stil eines Nick Hornbys hätte in Österreich keine Chance. "Es gibt aber genug Autoren die unterhaltsam schreiben, aber trotzdem gehaltvoll sind." Diese Nische möchte Cvancara mit dem Wortreich-Verlag besetzen.
Jazziges Verlagsprogramm
Verlag Wortreich, Alice Haring
Seit Jänner sind im Verlags-Programm sieben Romane und ein Kurzgeschichtenband erschienen. Neben renommierten Autoren wie Bachmannpreisträger Peter Wawerzinek oder Patrizia Brooks, finden sich auch Debüts von jungen Autoren darunter. Da wäre beispielsweise die 24jährige Katharina Ferner: "Wie Anatolij Petrowitsch Moskau den Rücken kehrte und beinahe Revolution auslöste" heißt ihre Schelmengeschichte. Oder auch der 31jährige Autor Gábor Fónyad, der in seinem Debüt "Zuerst der Tee" die unterschiedlichen Lebenswelten zweier Menschen in einem britischen Küstenstädtchen humorvoll aufeinander prallen lässt. Gerade diese beiden Autoren können zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien vorweisen, haben auch Literatur-Stipendien erhalten, aber erst im Wortreich-Verlag haben sie einen Platz für ihre Debüts gefunden.
Verlag Wortreich, Alice Haring
Obwohl alleine Caroline Cvancara darüber entscheidet, wer in ihrem Verlag verlegt wird, lässt sich keine einheitliche Linie in den bisherigen Veröffentlichungen ausmachen. Vielleicht ein Umstand, der mit ihrem früheren Job im elterlichen Plattenladen zu tun hat, vermutet die Verlegerin: "Ich komme ja aus dem Jazz, das würde erklären, warum das Verlags-Programm nicht ganz so eingeschränkt ist."
Pragmatisches Auswahlverfahren
In der Entscheidung, ob ein Manuskript in ihren Verlag passt, geht Cvancara nach einer unkomplizierten Regel vor: "Es muss mich von der ersten Zeile an fesseln, ich muss bis zum Ende dranbleiben wollen." An mögliche Verkaufszahlen denkt die Verlegerin dabei nicht. "Die Bücher verkaufen sich trotzdem", lacht sie. Nicht zuletzt deshalb, weil es ihr gelungen ist, mit Morawa einen starken Vertriebspartner zu finden und vermutlich auch, weil die Wortreichbücher eine einheitliche Ästhetik aufweisen, auf die Cvancara sichtlich stolz ist. Eine befreundete Malerin lässt sich vom Inhalt der Bücher zu individuellen Buchcover inspirieren.
"Verlage gründet man nicht, wenn man reich werden will"
Lässt sich mit dieser pragmatischen Einstellung Geld verdienen? Kann man so einen kleinen Verlag zu einem erfolgreichen Player in der deutschsprachigen Verlagslandschaft machen? Für Karoline Cvancara ist das gar nicht so wichtig, sie ist Optimistin: "Ich wurde bei der Gründung ausgelacht, weil ich mir vorgenommen hab‘, im ersten Jahr kostendeckend zu sein", erzählt sie. Mittlerweile weiß sie: "Es ist ein harter Kampf, aber man hat sehr wohl eine Chance."
Verlag Wortreich, Alice Haring
Verlosung und Lesung
Wir haben zwei Neuerscheinungen aus dem Wortreich Verlag verlost:
- Peter Wawerzinek - "Ich - Dylan - Ich"
- Karoline Cvaranca - "Am Tiefpunkt genial"
Die GewinnerInnen wurden per Email verständigt.
Am Montag, den 9. November, werden in der Wiener Buchhandlung Orlando diese beiden Bücher präsentiert. Bachmannpreisträger Peter Wawerzinek liest aus "Ich - Dylan - Ich" und Verlagschefin Karoline Cvaranca aus "Am Tiefpunkt genial". Beginn ist um 19 Uhr.
Buchhandlung Orlando, Liechtensteinstraße 17, 1090 Wien.