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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

8. 11. 2015 - 15:39

Ziemlich beste Freunde

Der Song zum Sonntag: EL VY - "Need a Friend"

Matt Berninger trägt sein Herz wieder mal ganz ungeniert auf der Zunge. Er lässt die großen Gefühle raus und den Blick in sein Innerstes zu. Dabei macht er sich angreifbar, verletzbar und nicht selten selbst zum Idioten oder Unsympathen. Mit seiner Hauptband The National bläst Berninger Trübsal auf höchstem Niveau und beweint in Rotweinlaune die eigenen Unzulänglichkeiten, im Hobbyprojekt EL VY darf's etwas lockerer und gewitzter zugehen.

Zwar nutzt der Sänger auch bei The National immer wieder Zynismus und Selbstironie, um dem schönen Schmalz interessante Twists zu verleihen, bei EL VY sind die Ungezwungenheit und der Spaß an der Sache schon an der Oberfläche spürbar.

EL VY

EL VY

Matt Berninger, Brent Knopf
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Gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten und Produzenten Brent Knopf, den vermutlich niemand mehr so recht von der feinen Band Menomena kennt, hat Matt Berninger unter dem Namen EL VY ein ziemliches Durcheinander von einem Album aufgenommen: Auf der Platte namens "Return to the Moon" gibt's skizzenhaften Indierock, der Soul sein möchte, elektronische Spielereien und weirdes Georgel. Alleinunterhalter-Crooning mit Second-Hand-Glam und Vodka-Fahne, Blues, der sich als gefühliger R'n'B kostümiert. Das geht nicht immer gut.

Der Song "Need a Friend" ist ein Highlight und zeigt, dass EL VY möglicherweise ein etwas einseitiges Bild von der Idee "Freundschaft" haben. Es ist immer eine Geben und ein Nehmen, das Nehmen ist gerade mal wieder die bequemere Option, meine Sichtweise ist sicher wieder mal die richtigere, jeder Freund ist anders.

Die Produktion des Stücks ist klar und scharf, Drums, Bass, Synths, alles ist sauber konturiert aus dem Mix herauszuhören, der Song hat spröden Groove und Punch – der Sachverhalt nämlich ist klar: "I don't need your love, I just need a friend", singt Berninger.

Schön, wenn in einem Song einmal jemand keine Liebe braucht, Berninger scheint jedoch auch keinen Freund zu brauchen, vielmehr einen Assistenten. Speziell einen, der dem selbstherrlichen Rockstar, den der Erzähler in diesem Song gibt und der Berninger eben sicherlich manchmal auch selbst zumindest ein bisschen ist, mit Drogen versorgt. "You were supposed to be here before the last song, you were supposed to bring me your brother's weed", heißt es im Refrain.

Berninger singt den ganzen Song über von seinen "Needs" - dem gegenüber stehen die Aufgaben, die sein Freund seiner Meinung nach so zu erfüllen habe. Feines Verhältnis. Wenn er nicht bekommt, was er will, wird Berninger ganz traurig: "Man, this is heartbreaking, heartbreaking, heartbreaking", wiederholt er wieder und wieder, gerade so, als wäre soeben die größte Liebe aller Zeiten enttäuscht worden.

Wer hier der Egoist und Gockel ist, ist den ganzen Song über klar, gleichzeitig bietet – bei allem Wissen um Manieren und gutes Benehmen - die Selbstverliebtheit des Erzählers halb humoriges, halb selbstreinigendes Identifikationspotenzial. Was soll man schon auch groß machen? Man hat halt, genau jetzt nämlich, so seine Bedürfnisse.