Erstellt am: 7. 11. 2015 - 13:10 Uhr
Die melancholischste Boyband der Welt
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Es ist schon einige Jahre her, dass ich das letzte Mal auf einem Konzert in Salzburg war, aber die Grundhaltung eines Konzertpublikums wird offensichtlich von Generation zu Generation weitergegeben. Also war es für mich eher ein Déjà-vu als eine Überraschung, dass die Crowd im Salzburger Rockhouse den Kärntner Jubilaren am Anfang zwar wohlwollend, aber emotional etwas reserviert gegenüberstand.
Die Gitarre nach dem vermeintlichen Liebesentzug
Naked Lunch, 25 Jahre Jubiläumstour:
- 8.11. Klagenfurt Stadttheater (ausverkauft)
- 10.11. Zürich Rote Fabrik
- 12.11. Linz Posthof
- 13.11. Graz Generalmusikdirektion
- 20.11. München Orangehaus
- 21.11. Berlin Bi Nuu
- 23.11. Wien Arena
Es war eine Grundhaltung, mit der die Band, für die das Konzert der Auftakt zu ihrer 25-Jahre-Jubiläumstour war, so ihre Probleme hatte. "Salzburger Schnürlregen", nannte das Bassist Herwig "Fuzzmann" Zamernik nach dem Konzert, und Frontmann Oliver Welter war emotional so getroffen vom vermeintlichen Liebesentzug, dass er vor der Zugabe seine Gitarre Minuten lang mit den Füßen malträtierte.
Doch genau diese für grauhaarige, gut gekleidete Herren eher unorthodoxe Emotionsäußerung war der Moment, in dem der Funke übersprang – nicht nur, weil das interessant klang, was der Welter da erzeugte, als er sein Instrument behutsam, aber bestimmt über den Bühnenboden kickte. Welter war schon im ersten Drittel des Konzerts deutlich irritiert gewesen, als er nach Wünschen fragte und die Lümmel in der letzten Reihe konsequent Wonderwall verlangten. Wollten sie einfach nur Tambourine hören, den Hit aus Naked Lunchs Brit-Pop-Phase, oder hatten sie den Titel von Waterfalls nicht mehr so ganz im Kopf?
FM4/Christian Stipkovits
Vielleicht hat auch die extrem laute Abmischung die Emotionen vor der Bühne niedergedrückt (und den empfindsamen Teil des Publikums mit der Zeit in den Vorraum gescheucht). Die Musik selbst war es jedenfalls nicht, denn bis in den hintersten Winkel der Halle gab es nach jedem Song, nach dem Opener This Is Hardcore, nach 41 und God, nach Country Girl und First Man on the Sun Zustimmung und Applaus, und auch die alten Nummern wie das mit unglaublicher Dynamik vorgetragene Suicide Butterfly – zum ersten Mal seit ewiger Zeit wieder Bestandteil eines Naked Lunch Konzerts –, das fragile aber ebenso druckvolle Waterfalls oder die extended Version von The Deal kamen auch beim jungen Teil des Publikums gut an.
Bei den langjährigen Fans funktionierte all das sowieso, die waren nach dem Konzert über das Best-of-Programm hörbar glücklich – obwohl sich manche ein paar mehr alte Hits gewünscht hätten (schmerzlich vermisst wurden die 90er-Jahre-Superhits Tambourine und Closed Today). Doch ausnahmslos alle, die am Schluss aus der Halle strömten, waren beglückt und aufgewühlt. Denn bei den Zugaben war die emotionale Verbindung zwischen Band und Publikum plötzlich intensiv spürbar gewesen, ob bei The Sun oder beim berührend am Bühnenrand vorgetragenen Funeral (Welter: "Die älteste Boyband der Welt"). Bei Shine On, dem letzten Stück, begonnen von Oliver Welter mit Gitarre allein, waren Band und Publikum schließlich glückselig vereint. Sogar die Lümmel in der letzten Reihe haben mitgesungen.