Erstellt am: 5. 11. 2015 - 18:16 Uhr
We can do it
Die Show macht von Anfang klar, dass sie sich der Außenwahrnehmung hinsichtlich ihrer Titelfigur bewusst ist: Während schon der große Superman nicht selten mit seinem Image als braver Biedermann mit null Risiko in der Personality zu kämpfen hat, so haften der Erzählung vom kleinen Cousinchen Supergirl die Makel von Eindimensionalität und Oberflächlichkeit an.
Der Vorwurf, hier würden überholte Rollenbilder und Sexismus bedient. Supergirl sei halt Superman in Weiblich, bloß schwächer, kleiner, langweiliger, weiblicher eben. Dafür aber ein natürlich blondes, gerne sexy inszeniertes Centerfold für den Geek.
Die vor zwei Wochen mit recht überwältigenden Zuschauerwerten angelaufene CBS-Show "Supergirl" räumt auf und haucht dem Charakter neues Leben ein – mit Witz und frischem Blick, und nicht zuletzt dank der herausragenden Hauptdarstellerin Melissa Benoist, möglicherweise bekannt aus "Glee".
CBS
Das Finden und Behaupten der eigenen Identität, Selbstermächtigung durch Spaß und Freude und Euphorie, nicht bloß durch bitteren Kampf und Zwang, sind so zentrale Themen von "Supergirl". Das Bestehen neben dem übermächtigen Superman, das Finden der eigenen Nische und des eigenen Glücks. In der Tarnidentität im Alltag, im Job, im Versuch, Superheldin zu sein.
Im Zuge des wohl nicht so bald endenden Superheldenbooms in Serie und Kino muss man sich wundern, dass gerade dieses in der Vergangenheit oft scherenschnitthafte Supergirl aktuell die erste weibliche tragende Superheldinnen-Figur mit eigenem Vehikel samt großem Getöse und Aufwand im Rücken geworden ist. Selbst Scarlett Johansson muss noch auf ihren "Black Widow"-Film warten, die heiß herbeidiskutierte Show "Jessica Jones" mit Krysten Ritter in der Hauptrolle startet demnächst auf Netflix und dürfte dem unschuldig-fluffigen Charme von "Supergirl" mehr Sleaze und Darkness gegenüberstellen.
Unter anderem federführend bei "Supergirl" ist Produzent, Autor und Regisseur Greg Berlanti, der auch für die luftigen, tollen Comic-Shows "Arrow" und "The Flash" (Crossover-Episoden sind glücklicherweise abzusehen) verantwortlich zeichnet. So lebt auch "Supergirl" von einem lockeren, flauschigen, betont comic-haften Ton, dem von "The Flash" nicht unähnlich.
Ein Ton, der sich nicht wie so viele Superhelden-Shows an der Schwere, der Pein und der Abbildung von Seelenzerfurchung von beispielsweise Christopher Nolans Batman orientiert, vielmehr an High-School-Comedys, Rom-Coms oder Soap Operas angelehnt scheint – bloß eben mit Action-Hintergrund.
Über den Umstand, dass "Supergirl" also ebenso wie "The Flash" und "Arrow" mit dem unangenehmen Device des alleserklärenden Voice-Overs beginnt, mag man hinwegsehen. "My Name is Kara Zor-El", spricht so in der Eingangssequenz das Supergirl und legt ihre Geschichte dar: Vor Jahren wurde ihr Cousin, Baby-Superman, von ihrem Heimatplaneten Krypton, dem Untergang nahe, aus Sicherheitsgründen Richtung Planet Erde entsandt.
Kara Zor-El, damals ein paar Jahre älter als der künftige Superman, sollte in einer Raumkapsel folgen und sich um den Kleinen sorgen. Turbulenzen im Kosmos jedoch ließen sie im All stranden und erst rund zwanzig Jahre später die Erde erreichen – ungealtert. Superman war also schon Mann und Held, brauchte keine Hilfe mehr.
In der Gegenwart der Show lebt Kara Zor-El nun als Mittzwanzigerin unter dem Namen Kara Danvers in einer New-York-haften Großstadt mit dem schönen Namen National City und versteckt, ja, unterdrückt ihre Superpowers. Denen von Superman kaum unterlegen. Normalsein, so lautet die Devise, nicht auffallen, mitschwimmen.
Einzig ihre menschlichen Zieheltern – nach selbstreferenziellem Cameo-Dogma fast schon logisch von Dean Cain, dem "Superman" aus der Serie "Lois and Clark", und Helen Slater, dem "Supergirl" aus der fürchterlichen 1984er-Verfilmung des Stoffes, dargestellt – und die Ziehschwester wissen um die wahre Identität.
Normalsein – das bedeutet nun für Kara in einem großen Medienhaus zu arbeiten und als Assistentin Kaffee holen zu dürfen. Ihre Chefin wird als fünfmal überzeichnet toughe, doppelt cartoonige Karikatur des Stock Characters der Karriere-Bitch und professionellen Zicke von Calista Flockhart gegeben. Sie scheint in ihrer Darstellung zufällig ausgewählte Momente von Meryl Streeps Figur aus "The Devil Wears Prada" auch einem Kleinkind verständlich machen zu wollen.
Das ist nicht schlimm. In dieser Show, die klar mit Trash- und Camp-Appeal spielt, dabei aber nie zu "ironisch" über Bord geht, ist Flockharts Charakter bislang der einzige, der über die Maßen überhöht ist und kann so auch in diesem ohnehin sonnendurchfluteten, federleichten Setting als kleines, albernes Comic Relief funktionieren.
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Kara derweil weiß, dass sie im Job zu Höherem berufen ist und wird auch außerhalb des Büros durch ungünstige Umstände gezwungen, ihre Superkräfte nun doch auszupacken. Es folgt die übliche Entwicklungsgeschichte - man muss erst seine außerweltlichen Fähigkeiten unter Kontrolle bringen, das mit dem Fliegen noch mal neu erproben und, vor allen Dingen, ein halbwegs würdevolles Trikot entwickeln. Vom Schussel zur Prinzessin, Brille auf, Brille ab, klar werden hier auch die Mechanismen von Hollywood-Hässliche-Entlein-Geschichten mitgedacht und kommentiert.
Action, Mystery, Verschwörung, Kara findet Verbündete und kommt Geheimnissen auf die Schliche, von denen sie lieber nicht gehört hätte, bemüht sich um die Entschärfung unguter Superschurken. Perfekt ist das - analog zu Supergirls anfangs sympathisch ungeschickt oft nicht komplett glückenden Heldentaten - nicht immer: da zu glatt gut gelaunt und wohlig-froh ausgeleuchtet, dort mit gar öligen Augenzwinker-Dialogen ausstaffiert. "Supergirl" ist freundliches Popcorn-Entertainment, das bestens flutscht und swingt; Entertainment, in dessen Subtext gar nicht mal so subtil, aber doch wie beiläufig Message mitrauscht. Gegen Sexismus und angestaubte Weltvorstellung.
Melissa Benoist trägt als Supergirl die Show so mühelos, mit einer Energie, man kann sie fühlen, dass es eine Freude ist. Mit eventuell magnetischer Kraft sendet sie das Vergnügen, den gefährlichen Spaß, die Aufregung, die ihrer Figur das neu betriebene Superheldinnentum beschert, durch den Monitor.
Übersprudelndes Entdeckertum und das Kribbeln einer ersten Teenagerliebe. Der Name "Supergirl" wird Kara in der Serie freilich gegen ihren Willen, wenig einfallsreich, von den Medien aufgedrückt. Eine weibliche Superheldin, so Kara, eine Novität, ein seltener Glücksfall, müsse doch immerhin mit folgendem Namen bedacht werden: Superwoman.