Erstellt am: 4. 11. 2015 - 15:23 Uhr

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 04-11-15.

Was wirklich wichtig ist. Der ÖFB schärft seinen Euro-Kader nach.

#fußballjournal15

Wichtig wird nicht das Testspiel gegen die Schweiz am 17. November; das wird Marcel Koller wegen gleich doppelten Ehrgeizes mit der bestmöglichen Mannschaft bestreiten - es geht darum einstellig zu überwintern und auch darum, sich gegen seine Schweizer Heimat keine Blöße zu geben. Dort wird also nichts Unvorhergesehenes passieren und nicht experimentiert werden.

Wichtig wird der Trainingslehrgang in Spanien (Orihuela Costa/Alicante) von Montag (9.11.) abend bis Sonntag früh davor, die Arbeit im taktischen Bereich, die Vertiefung des bisher erlernten Abläufe, das Feilen an Details und vor allem das Abchecken des menschlichen Miteinander.

Wichtig für den Teamchef ist ja eigentlich nicht so sehr das Absichern des Erreichten, sondern das Draufbleiben, das Einschwören der Einser-Garnitur. Das wird nur wegen einiger Ausfälle nicht in der gewünschten Vollständigkeit klappen. Einser-Goalie Robert Almer und Rechtsaußen Martin Harnik fehlen fix, dazu sind Kapitän Christian Fuchs und Sechser Julian Baumgartlinger wohl nur bedingt belastbar, sofern sie überhaupt mitkommen, diese Entscheidungen fallen erst am Wochenende.

Wichtig wird dadurch der Einbau der zweiten und (wegen des zusätzlichen Ausfalls von Leitgeb, Kavlak, Pehlivan und auch Lazaro) auch der der dritten Reihe in den aktuellen Kader. Spielerisch und menschlich. Weil mit Ausfällen immer zu rechnen ist, auch bei der Euro '16, dem ab jetzt einzigen Ziel des ÖFB-Teams, und weil es in einer Trainingslager-Situation auch darum geht, jene interessanten Kräfte, die bislang noch nicht getestet wurden, hereinzuholen in die Welt des Marcel Koller, in seine Vorstellungen und Anforderungen, in diese mittlerweile schon von Legendenstatus umflorte Feelgood-Area, in der alle mitziehen, Stinkstiefelei sich von selber verbietet.

Wichtig wird also die potentielle Ausweitung des an sich feststehenden, hier erläuterten 24er-Kaders sein. Um Möglichkeiten zu haben. Nächstes Jahr gibt's erst im März (21. -29.) noch einmal Trainingslager, da wird's wohl schon um konkrete Anleitungen für das Turnier selber gehen, die dann wohl mit dem tatsächlichen Finalkader besprochen werden. Und in der zweiten Mai-Hälfte, nach Meisterschaftsende sind (abstellungstechnisch ist man da, vor allem bei den Legionären, auf guten Willen angewiesen) schon allein deshalb keine Tests mehr möglich, weil der Kader am 31. Mai feststehen muss.

Wichtig ist also das, was an Conclusio aus dem Trainingslager kommt. Und dort bekommen drei Neue, drei Nachrücker ihre Chance. Andreas Lukse als dritter Tormann, Robert Gucher, der unbekannte Legionär anstatt der vielen verletzten defensiv-zentralen Mittelfeldspieler. Und Karim Onisiwo statt Martin Harnik.

In diesem Zusammenhang ließ Teamchef Koller durchaus tief blicken.

Zum einen rankte er seine Tormänner, klar und endgültig: Almer ist die Nummer 1, Özcan sein Back-Up, Lindner die Absicherung als Nummer 3 und Lukse der Einspringer im Fall der Fälle. Dahinter ist die Tür zu. Außerdem putzt sich Koller da merklich an Tormann-Coach Lindenberger und dessen Verantwortung ab.

Zum anderen bekommt nach (dem durchaus gelobten) Stefan Schwab jetzt der Serie A-Kapitän Gucher seinen (schon beim letzten Mal angedeuteten) Schnupperkurs.

Zum dritten war es nicht der von den Medienvertretern geforderte Florian Kainz oder gar Schobesberger, sondern der lobbylose Onisiwo, den Koller als Flügel testen will.

Dazu kamen jede Menge recht unverhohlene Festlegungen. Etwa die auf Michael Madl als allerersten Abwehr-Stand-By-Akteur. Oder die auf Guido Burgstaller (den Koller durch seiner Förderung erst zum Legionär gemacht hat) als versatilen Nachrücker im offensiven Mittelfeld (noch vor den bereits erwähnten Rapidlern). Oder der implizite Wunsch dann beim letzten Trainingslager im März auch noch Gregoritsch und Schaub einzubinden, auf die er jetzt, wo es für den Nachwuchs gegen Deutschland um die Quali-Wurst geht, sinnvollerweise verzichtet hat.

Auf die potentiellen Nachrücker für Fuchs (Ulmer?) und Baumgartlinger (Schwab?) gab Koller keine Hinweise, aber schon im Fall war aus dem, was er zu sagen hatte, nicht herauszulesen, dass er sich für Onisiwo entscheiden würde. Dass auch der Teamchef einen rapidkritischen Blick hat, ließ sich auch nur indirekt heraushören. Auch interessant: die bewusste Nicht-Erwähnung des noch vor einiger Zeit zum nächsten Alaba erklärten Super-Talents Tino Lazaro. das ist mit seiner aktuellen Verletzungs-Misere nur unzureichend erklärt. Hier hat man wohl erkannt, dass der Salzburger nur durch gezielte Nicht-Öffentlichkeits-Politik geschützt wird.

Interessant wurde es dann im Fall von Andreas Ivanschitz, der sich jüngst durch Assist und Tor im MLS-Playoff hervorgetan hat, dessen Spiele aktuell auch im TV (via Eurosport) live zu sehen sind: Koller brachte persönliche Wertschätzung zum Ausdruck, orderte den Ex-Kapitän dann aber auf eine Wartebank, von der aus es nur dann ein Aufstehen und Mitmachen gibt, wenn einige Stricke reißen und ein routinierter Anker nötig wird. Koller sieht Ivanschitz im übrigen auch nur als das, was er derzeit in Seattle spielt, einen crossgefährlichen Winger, nicht aber als das, was er auch sehr gut kann, nämlich als im Zentrum einsetzbar.

Abgestiegen aus dem Abruf-Kreis ist übrigens Andreas Weimann. Interessant ist, dass bei den U21-Akteuren nicht von Alessandro Schöpf, der ja auch den gerade vielfach ausfallenden Sechser könnte, die Rede war. Interessant ist, dass bei den U21-Akteuren nicht vom derzeit Furore machenden Florian Grillitsch, der Harnik hätte ersetzen können, die Rede war. Chancenlos, der ihm zu verdankenden Tabellenführung zum Trotz, ist der beim ÖFB mit dem Bannstrahl belegte Raphael Holzhauser. Der Sohn des Bestrafers hat das Glück, dass sein Sündenfall a) nur virtuell und b) außerhalb des ÖFB stattfand.
Für andere, die schon lange hoffen (Gorgon, Hosiner, Sonnleitner...) ist der Zug abgefahren.

Nicht unwichtig ist auch, wie sich zeitnah zum Schweiz-Test die U21-Mannschaft in ihrem entscheidenden Gruppenspiel um die Quali (oder gar den Sieg) in seiner Campaign schlägt. Das Match in Fürth (17.11., 18:00, Deutschland - Österreich, wohl live auf zwei Kanälen zu sehen) ist das letzte U21-Bewerbspiel vor der Euro 2016, das mit voller Kraft gefahren werden muss (auf das Heimspiel gegen die Färöer trifft das nicht zu) erst im Herbst 2016 kommen die nächsten Aufgaben. Wenn sich Gugganig, Wydra, Schöpf, Grillitsch, Schaub oder Gregoritsch da bewähren, kann das ihren Karrieren einen Boost geben und sie auch für eine Team-Beförderung zumindest ins Blickfeld sorgen.

Unabhängig von allen sportlichen Belangen stellt sich der lange Jahre recht amateurhaft strukturierte ÖFB hinter den Kulissen neu auf, der Präsident macht den Eindruck als wolle er unbedingt - sollte er nach der Euro Koller an einen besseren Anbieter verlieren - zumindest diese langwierige Front begradigen.

Wichtiger ist aber, dass der Garant für eine nachhaltigen Verband, Sportdirektor Ruttensteiner weiterhin friktionsfrei arbeiten kann. Auch über eine mit welchem Kader auch immer bestrittene Euro hinaus.