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Eva Deutsch

Elektro, Anziehzeug und anderer Seelenbalsamico. Aus dem Untergrund mit ganz viel Schwarz.

3. 11. 2015 - 17:31

Hipster Forever!

Werden die Vollbärte bald abrasiert und die Fixie Bikes in den Sperrmüll geworfen? Absolut nicht. Dein verhasster Hipster wird einmal ein hochrangiger Politiker werden und seine Dogmen an dich weitergeben.

Die Hipster

Promedia

"Die Hipster - Trendsetter und Neo-Spießer" ist seit Oktober im Buchhandel erhältlich. Erschienen bei Promedia.

Die Klischees über Hipster sind bekannt und breitgetreten: Die Männer tragen Vollbärte und Umhängetaschen, die Frauen Leggings bzw. Jeggings oder Vintage-Kleidchen, verspielte Hüte und Hauben. Hipster eröffnen Grafik-Agenturen, Kaffeeröstereien und Bioläden in den angesagtesten Vierteln der Stadt, spielen Tischtennis während der Arbeitszeit und feiern die Retro-Kultur.

In den 1950er-Jahren das erste Mal vom US-amerikanischen Schriftsteller Norman Mailer als jugendlicher Bohemien entdeckt, zeigt sich der Hipster heute an der Oberfläche hochgradig individualisiert, in seinen Tiefenschichten aber durch und durch konformistisch. Seine berüchtigte Ironie gilt den einen als letzter Beweis für den Untergang politischer Jugendkulturen. Andere feiern sie als endgültigen Sieg über eine längst überkommene bürgerliche Ernsthaftigkeit.

Ein Trend geht um. Oder doch nicht?

Der Jugendforscher Philipp Ikrath versucht in seinem neuen Buch das Phänomen der Hipster gesamtgesellschaftlich zu fassen und geht dem jugendlichen Lebensstil auf den Grund. Aber ist über den Hipster nicht schon längst alles gesagt worden? Sogar "American Apparel", das Hipster Modelabel per se, ist insolvent. Der Hipster - ob männlich oder weiblich - ist also keine Trend-Eintagsfliege, sondern eine Lebenseinstellung mit Zukunftspotenzial.

Warum hasst man Hipster?
Ikrath: "Tatsächlich ist der Hass und zwar der Hass der Menschen auf Hipster der Grund gewesen, warum ich das Buch geschrieben habe. Er wird stellvertretend gehasst für Dinge, die den Menschen an der Gegenwart nicht gefallen. Instabilität, der Druck, der damit einhergeht, die politische Indifferenz, das Nicht-Festgelegt-Sein. Das kristallisiert sich in diesem Typus heraus und meinem Eindruck nach ist Hipster-Kritik eigentlich eine Gesellschaftskritik."

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Wer ist spannender? Hipster oder Bobo?
"Der Hipster. Weil er für die Zeit, in der wir leben, symptomatisch ist. Der notwendige und geforderte Individualismus. Diese Flexibilität, die man heute in jeder Stellenanzeige liest und die total wichtig ist. Die Idee, dass der Mensch nichts Festes, nichts Stabiles ist. Sondern ein Wesen, das unterschiedliche Persönlichkeiten, verschieden Rollen spielt, sich ständig verändern muss. Das sind alles Eigenschaften des Hipsters, die ihn für mich interessanter machen, weil er ein Symbol ist für die Zeit ist, in der wir leben."

Was macht der Hipster wenn er erwachsen ist?
"Der Hipster ist die zukünftige gesellschaftliche Elite. Gerade dadurch, dass er so gut in den Zeitgeist passt und die Werte, die verlangt werden, verinnerlicht hat, prägt er den Zeitgeist entscheidend mit. Etwa die Flexibilität, dieses Unfertig-Sein, die ständige Veränderung. Er ist nicht nur ein Resultat des Zeitgeistes sondern treibt ihn selber voran. Der Hipster wird in den Führungsetagen der Unternehmen und in der Politik sitzen. Er wird die Gesellschaft verändern, flexibilisieren, wird sie auseinander nehmen, fragmentieren. Da bleibt kein Stein mehr auf dem anderen."

Das Interview mit Philipp Ikrath in voller Länge:

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