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Daniel Grabner

Geschichten aus on- und offline, zwischen den Zeilen und hinter den Links

1. 11. 2015 - 12:50

"Do you feel like a cyborg?"

Fünf Jahre TEDxVienna. Im ausverkauften Wiener Volkstheater stellte man sich gestern die Frage: "What if…"?

„Ideas worth spreading“, diesem Grundsatz von TED, der kalifornischen Non-Profit-Organisation, werden bei den überall auf der Welt stattfindenden Ablegern, den TEDx-Events, immer noch eigene Mottos hinzugefügt, die die Vorträge und Reden thematisch nicht eingrenzen, aber zumindest einfärben.

What if…“ war also das Motto der gestrigen TEDxVienna, und das musste man für sich schon im Zuge der Online-Anmeldung zum Event vervollständigen, genauso wie die Phrase „Tell me more about:“, sonst konnte die Anmeldung nicht durchgeführt werden. An der linken, oberen Bildschirmecke läuft ein 18-minütiger Countdown. Die Antworten, so erfährt man, würden dann auch auf dem personalisierten Namensschild zu lesen sein, das jedem Besucher an diesem Halloween-Samstag schon im Foyer des Volkstheaters um den Hals gehängt wird.

Vernetzung und Austausch

Schon wenn man durch die Tür kommt, hat man das Gefühl, plötzlich um ein paar IQ Punkte intelligenter zu sein. Auf den Namensschildern steht dann (nicht unbedingt enttäuschend) doch nur der eigene Name, die freien Felder darf man selbst ausfüllen, wenn man mag. Der Austausch untereinander, das Vernetzen, scheint hier ausdrücklich erwünscht zu sein. Dazu dient auch die downloadbare Veranstaltungs-App, über die die Teilnehmer während der Vorträge miteinander messengen können, alles ziemlich fancy.

Vlad Gozman auf der TEDxVienna

TEDxVienna_Andy Wong

Vlad Gozman und Reka Artner

Ideas need to have sex.

Vlad Gozman ist der Kurator und Veranstalter der TEDx. Vor fünf Jahren hat sich der junge Unternehmer und großer Fan von TED, die Lizenz zu diesem, wie er sagt, „non-profit Franchise“ besorgt. Sein persönlicher Benefit sei es, all die spannenden und interessanten Menschen, über die er sonst nur liest nach Wien bringen und persönlich kennenlernen zu dürfen. Die Auswahl der Vortragenden trifft er gemeinsam mit seinem Team aus über 60 freiwilligen Helfern.
„Ideas need to have sex.“ liest man in der Pressemappe über Gozmans Credo. Dieses Sexappael wird hier nicht nur über das allgegenwärtige, durchgestylte Branding, an den Smoothie Bars oder in den „Sweet Breaks“ transportiert, allen voran findet es sich in den durchchoreographierten Reden der 22 Vortragenden. Meist alleine auf der dunklen Bühne, in einem roten Kreis vor dem TED-Logo stehend, sprechen sie fließend und fehlerlos in bekömmlichen, achtzehnminütigen Häppchen, die Rhetorik bis zu den kleinen Pausen zwischen den Sätzen durchgeprobt.

Publikum der TEDxVienna

TEDxVienna_Andy Wong

Inhaltlich trifft Persönliches auf Theoretisches, Menschliches auf Wissenschaftliches. Manche Redner halten Vorträge, andere halten Reden, fast alle sind getaktet durch regelmäßig eingestreute Jokes. Drei Schlagwörter unter denen sich auch die Corporate Idendity von TED zusammenfassen ließe: intelligent, charmant und ambitioniert. Diese Verpackung kommt beim Publikum (eine geschätzte Mehrheit von Mittzwanzigern) gut an, sogar beim inhaltlich relativ trockenen Vortrag über Quantenphysik verlässt kaum jemand den Saal.

Do you feel like a cyborg?

Die thematische Breite der Vorträge kann sich sehen lassen. Von der Flüchtlingsproblematik, über die Eroberung des Mars bis hin zur Überwindung von Lebenskrisen ist alles dabei. Unter der Fragestellung „What if we become transhumans?“ stellt der Chirurg Oskar c. Aszmann seinen 27jährigen Patienten Patrick vor, der bei einem Starkstromunfall die Funktionalität seiner linken Hand fast vollständig verloren hat. Patrick bat den Arzt darum, seine dysfunktionale Hand durch eine künstliche, prothetische zu ersetzen, also die Fähigkeit zu fühlen gegen die Fähigkeit zur Mobilität einzutauschen. „Do you feel like a Cyborg?“, fragt ihn Aszmann auf der Bühne und auch um den ethischen Aspekt solcher Eingriffe geht es. Das Publikum ist begeistert.

Oskar Aszmann und Patient Patrick auf der TEDxVienna

TEDxVienna_Andy Wong

Oskar C. Aszmann und sein ehemaliger Patient Patrick

Ebenso spannend das Projekt der Industriedesignerin Katharina Unger. „That was the moment, when I ate my first insect.“ sind ihre ersten Worte ans Publikum, während auf der Projektion hinter ihr zwei Finger eine Heuschrecke in Nahaufnahme halten. Unger entwickelt in Hong Kong die erste automatisierte Insektenfarm der Welt.

Katharina Unger auf der TEDxVienna

TEDxVienna_Andy Wong

Katharina Unger

In etwa zwei Wochen lassen sich darin aus einem Gramm Larven-Eier 2,4 kg an Protein erzeugen. Angesichts des Bevölkerungswachstums und der unökonomischen Nahrungsmittelproduktion (von vor allem Fleisch), ist der Verzehr von Insekten eine nachhaltige und Ressourcen schonende Alternative, das Schnitzel der Zukunft also?

Eine Insektenfarm

www.livinfarms.com

Die Insektenfarm "Farm432" zur Züchtung von Soldatenfliegenlarven

Der Vortrag der Industriedesignerin ist im letzten Block des Events angelegt. Danach hat man 12 Stunden im Wiener Volkstheater verbracht, 22 Vorträge gesehen und wahrscheinlich alle Smoothies an der Bar durchprobiert. Blickt man sich in den Pausen um, sind auch viele Menschen alleine hier hergekommen, die aber schnell miteinander ins Gespräch finden. Unbedingt musste man nicht ins Volkstheater kommen um die 22 Vorträge zu sehen, denn dazu gab auch einen Live-Stream. Was man dabei allerdings verpasst, ist das was ein TEDx – Event eigentlich ausmacht: die Veranstaltung als verbindendes Gemeinschaftserlebnis.