Erstellt am: 30. 10. 2015 - 17:12 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 30-10-15.
#wasmitmedien
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Die Stimmung ist ja längst gekippt.
Und der Wirbel um den Kommentar des Steirerkrone-Chefredakteurs Christoph Biró samt dessen (vorläufigen?) Rückzug, ist der beste Beleg dafür.
Denn weder die wütenden Entgegnungen noch die Faktenchecks, die die Haltlosigkeit der hateposting-Gerüchte, die der Kommentar zu einer lauwarmen xenophoben Suppe hochkochte, klar belegten, ändern etwas an den beiden grundsätzlichen Problemen:
1) Österreich ist - durch bewusste instrumentalisierte Polarisierung - in zwei Lager zerfallen, das eine glaubt dem anderen nichts, egal wie profund die Fakten sind;
2) den Medien glaubt man per se nichts mehr, bzw. immer nur das, was ins Weltbild passt.
Das heißt: auch die diversen Faktenchecks verpuffen planlos. Denn auch sie lassen sich, wie jedes sorgfältige Stück Journalismus, immer auch bestätigend lesen. Wenn man nur bestätigt bekommen will, dass es in den ÖBB-Zügen zu Beschädigungen gekommen ist, kann man sich mit dieser Info begnügen - und kann überlesen/sehen, dass die Zahlen mit der des Planbetriebs, also der Normalität identisch sind. Und dass die Straftaten im Burgenland in den Nickelsdorf-Hochzeiten sogar zurückgingen, lässt sich - wie letztlich alles - trefflich ausblenden.
Zutaten: unaufgearbeitete Vergangenheit, xenophobe Grundstimmung, der Enge des Landes geschuldete Kleingeistigkeit, schlechte Bildung, Ausbildung, keine Medienbildung, am Stammtisch entstehende Verschwörungstheorien, befeuernder Polit-Populismus, all das begierig aufgreifende Boulevard-Medien, Wird-man-ja-noch-sagen-dürfen-Wutbürgertum, dreiste Hass-Postings und erfundene (per Hörensagen verteilte) Raubers-G'schichten, die wiederum von Politpopulisten und Boulevard aufgegriffen werden, eine virtuelle, von Ängsten und Vorurteilen durchdrungene Weltsicht, die via Bestätigung durch andere wächst und gedeiht, Einbunkern, Abschotten, Ende der demokratischen Diskurskultur.
Und so wird auch dieses exemplarischste aller möglichen österreichischen Beispiele, das alle Zutaten umfasst, anhand derer die Wissenschaft (und auch der Journalismus, der sich selten, allzu selten mit seinen eigenen Fehlleistungen beschäftigt und daraus Kraft zieht) einen klassen TED-Talk performen könnte, wirkungslos bleiben. Und nur die einen darin bestätigen, dass die anderen (die Krone, die Birós, die Zündler, die Xenophoben, die Nationalisten, die Rechtsextremen...) weiter in der Position des Hetzens verharren werden, während die anderen davon ausgehen, dass die einen (die Twitteria, die achsoguten Menschen, die Willkommenskulturler, die Linken, die Verharmloser, die Ausverkäufer des Abendlandes) weiter ihre Augen vor dem offensichtlichen Schrecken verschließen.
Beide gehen davon aus, dass der jeweils Andersdenkende unbelehrbar ist. Und haben damit wohl auch recht. Wer sich dieser Tage entschieden hat (und es waren meist Gefühlsentscheidungen in diesem Sommer/Herbst) der wird sich nicht mehr umorientieren; und der - womöglich noch beträchtliche - Teil der Unentschlossenen wird so handeln, wie es in Österreich seit den Babenbergern üblich ist: opportunistisch, auf Seiten der Sieger einlaufen.
An dieser Radikalisierung, die es etwa in Deutschland, das vor vergleichbaren Problemen steht, in dieser polarisierenden Form nicht gibt, sind zu einem hohen Maß die Medien schuld; die klassischen, der Mainstream, die System-Medien, das, was der international geeichte Verschwörungstheoretiker die Lügenpresse nennt.
Nicht indem aktuell viel gelogen oder geschönt oder gefärbt berichtet wird. Das ist gar nicht der Fall; im Gegenteil. Die Freiheit des Einzelnen, das Selbstbewusstsein der Redakteure/Journalisten ist durch die neue Expressivität von Social Media angestiegen, die Zügelung der Berichterstattung war noch nie so schwach ausgeprägt wie heute. Es geht um die Sünden der Vergangenheit, um alte Strukturen, die im Zuge der - überfallsartig schnellen und für die meisten User überhaupt nicht bewältigbaren - Demokratisierung des öffentlichen Ausdrucks offensichtlich werden. Augenöffnend sind.
Denn seit es für jede Lebensäußerung neben den "normalen" Medien auch noch zig andere G'schichtl-Einflüsterer gibt (die dann vielleicht auch noch ihre Historie der Unterdrückung durch den vormaligen Hegemon ausbreiten) sinkt die akute Bedeutung von veröffentlichter Medienmeinung per se einmal ins Bodenlose - und wird nur dann zur Kenntnis genommen, wenn die Infos in die Befindlichkeit der eigenen Blase passt.
Die neue Transparenz sorgt dann auch dafür, dass das, was früher pudelwurst war (nämlich wofür Medien stehen, wer sie betreibt, welche Interessen sie vertreten etc) heute neugierig aufgesogen wird. Und das, was jedem aufgeklärten Citoyen immer schon bewusst war (Medien sind nie objektiv oder unabhängig, sondern verfolgen eine Linie, die vom Eigentümer vorgegeben wird; Eigentümer sind meist/immer Mächtige, ökonomische Player, die mit Politik und Wirtschaft eng verbandelt sind und ihr Eigen/Gruppeninteresse immer vor das der Leserschaft, des "kleinen Mannes" stellen wird - umso mehr, je stärker sie sich als dessen Anwalt gerieren - und das sickert jetzt, in den digitalen Umbruchzeiten ins Denken von Menschen, die sich davor kaum mit komplexen politischen Zusammenhängen beschäftigt haben. Das was vorgestern noch als "aber in da Zeitung is gstanden!" felsenfest geglaubt wurde, hat heute den Nennwert von Krebswurst.
Die Folge: Überforderung; und Ablehnung der System-Medien als verlogene Einflussnehmer. Dass die, die am allerverlogensten vorgehen und ihre Userschaft auf das Zynischste verachten sich aus dieser Nummer rauswinden und dem Publikum am effektivsten vorgaukeln können urvoll auf ihrer Seite zu sein, ist der destruktive Treppenwitz der Gesamtsituation.
Aber auch daran sind die vor allem betroffenen Qualitätsmedien selber schuld: sich in Sonntagsreden über den Boulevard erheben und es selber kaum anders machen, das rächt sich. Denn in der Distinktions-Republik Österreich in der jeder, der - wie Deutsche oder Amerikaner - unfallfrei formulieren kann, grundsätzlich des Elitarismus verdächtig ist, sind sie mitgefangen/mitgehangen.
So passiert, was sich im Fall Biró offenbart: wegen der Unerreichbarkeit letztlich aller Österreicher und Österreicherinnen können sich die Medien auf den Kopf stellen uns Fakten präsentieren so viel sie wollen - sie werden nur noch von denen rezipiert, in deren Einschätzungswelt sie schon davor vorgekommen sind. Das nennt man Lagerdenken.
Aber, Achtung: das andere Lager ist nicht das böse Facebook, oder Social Media an sich. Dort wird nur das gebündelt, was sonst halt im kleinsten Kreis kursiert ist: das ist halt Stammtisch 2.0, auch eine höchst geschlossene Gesellschaft, in die nur hineinkommt, wer auch hineinwill. Die klassischen Medien z.B. nicht. Die haben ihre Position als 4. Kraft im Staat verloren, weil sie sich zu lange als billige Stichwortgeber, Groupies, Steigbügelhalter und Parteigänger gefallen haben. Solange ihr Publikum keine Wahl- oder Wehrmöglichkeit hatte (und auch nichts von der bewussten Verdummung wissen wollte bzw konnte), ging sich das aus. Damit ist's jetzt vorbei.
Und weil alle Konzepte, klassische Medien ins digitale Zeitalter zu überführen immer nur an Technik und Ökonomie entlanggedacht werden, und weil es - auch wegen der natürlich weitergehenden Interessenssteuerung, der teilweise auch bewusst gestalteten Abhängigkeit von den Mächtigen - gar kein Interesse daran gibt, die neue (aktuell eben noch vogelwild um sich schlagende, den erstbesten Demagogen verfallende) digitale Demokratisierung um das zu bereichern was ihr fehlt (ein sich selber komplett offenlegender Journalismus, mit allen unwuchtigen Subjektivitäten, letztlich eh nur eine professionelle Spiegelung der Userschaft) werden die Medien noch eine gehörige Zeit an sich und ihrer Machtlosigkeit leiden.