Erstellt am: 29. 10. 2015 - 15:38 Uhr
Im normalen Unterricht
Acht Schülerinnen und Schüler sitzen heute Vormittag im Deutschkurs für Fortgeschrittene. Sie ordnen Hauptwörter ihren Artikeln zu oder spielen Lese-Verständnis-Spiele mit dem Lernbaukasten LÜK. Nicht alle von ihnen sind allerdings Flüchtlinge. Sie werden von mehreren LehrerInnen betreut. Einige von ihnen sind eigentlich schon pensioniert, kommen aber in ihrer Freizeit in die Schule, um die Flüchtlinge beim Deutschlernen zu unterstützen.
FM4/Irmi Wutscher
Es ist übrigens nicht überraschend, dass die syrischen Flüchtlinge sagen, sie tun sich in der österreichischen Schule leicht. Syrien hat nämlich bis zum Beginn des Bürgerkriegs als Bildungs-Vorzeigeland im arabischen Raum gegolten.
"The language is the problem for us", sagt die 16-jährige Amina. Sie kann noch nicht gut genug Deutsch, um ein Interview zu geben, spricht aber fließend englisch. Sie ist aus Syrien nach Österreich geflüchtet, genau wie die anderen drei Refugees, die in diesem Deutschkurs sitzen. Der Schulstoff fällt ihnen nicht schwer. "Mathematik und Englisch ist gleich wie bei uns", sagt Abdullah. Amina und Carlos finden sogar, hier ist es leichter als in Syrien, viel weniger Hausübungen. "Was ich wirklich schade finde, ist, dass ich die Sprache nicht so gut spreche, dass ich die Schule hier gut schaffen kann", sagt Carlos.
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Recht auf Bildung
Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, und dieses Recht gilt auch für Flüchtlinge. Diesen Standpunkt hatte Unterrichtsministerium Gabriele Heinisch-Hosek mit September eindeutig klar gemacht und angekündigt, alle Flüchtlingskinder, auch die, die jetzt im Sommer neu in Österreich angekommen sind, in österreichischen Schulen unterzubringen. 6.000 Flüchtlingskinder sind es, die derzeit österreichische Schulen besuchen, gab die Ministerin gestern im Unterrichtsausschuss im Parlament an.
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14 Refugees besuchen hier im Oberstufenrealgymnasium in Wien-Liesing Anton-Krieger-Gasse die Schule, 13 davon sind jetzt im Herbst neu an die Schule gekommen. Manche von ihnen sind erst seit Kurzem hier, andere schon mehr als ein Jahr. Manche haben Asylstatus, manche nicht. Bei denen, die noch im Asylverfahren sind, weiß man gar nicht, ob und wie lange sie an der Schule bleiben werden, sagt Direktor Michel Fleck. Trotzdem sollen sie während der Wartezeit auch etwas lernen können.
Im "normalen" Unterricht
Die meisten des 14 Refugees besuchen die fünfte Klasse Oberstufe. "Gerade bei Fächern wie Deutsch oder Turnen, wo sie den sozialen Kontakt aufbauen können, ist es wichtig, dass sie in den Klassen sind", sagt Agnes Lörnitzo, eine Lehrerin. Sie leitet einen der drei Deutschkurse, die für Refugees und andere SchülerInnen mit zu wenig Deutschkenntnissen stattfinden. Deutsch haben die Refugees, soweit es geht, während Stunden bei denen sie wegen der Sprachbarriere zu wenig verstehen würden. Für die Deutschkurse wurden der Schule extra Stunden vom Landesschulrat bewilligt. Zusätzlich engagieren sich pensionierte LehrerInnen, die mit den Refugees Lese- und Lerntandems bilden, damit es mit dem Deutschlernen schneller geht.
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Den Alltag und wie es in der Schule abläuft, haben die Neuen schnell durchschaut, sagt Agnes Lörnitzo, da gab es keine Probleme mit der Eingewöhnung. Fluchterfahrung und Fluchtgeschichten hat sie aus dem Unterricht bisher eher ausgeklammert: "Jetzt werde ich bald Familie durchnehmen, da wird das dann schon thematisiert werden. Ich probiere es halt eher auszuklammern, dass sie sich auf das Deutschlernen konzentrieren können. Auch damit sie ein bisschen abgelenkt sind von dem, was sie durchgemacht haben."
Freundschaften ja, aber in der Schule
Mit den anderen Schülerinnen und Schülern verstehen sie sich gut, sagen die Jugendlichen, die ich im Deutschkurs getroffen habe. "Ich habe schon eine Freundin gefunden", sagt Natalie. "Aber es ist schwer, weil ich kann nicht so gut deutsch". Carlos meint: "Manchmal ist es ganz leicht, manchmal auch nicht. Ich habe auch mehr Burschen- als Mädchenfreunde."
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Über die Schule hinaus gehen die Freundschaften meistens nicht, auch weil die Sprache dazwischen steht. Vanessa ist die Sitznachbarin von Amina. Sie sagt: "Man merkt einen Unterschied, weil die Refugees einfach nicht so gut Deutsch können. Aber Amina kommt in der Früh und lächelt und umarmt uns alle zur Begrüßung, sie ist schon ziemlich ein Teil von der Klasse." Auch bei der Klassen-WhatsApp-Gruppe ist Amina dabei. "Aber da schreiben wir meistens auf Deutsch. Da wird sie halt auch nicht alles mitbekommen", sagt Samuel. Für das Treffen zu zweit in der Freizeit reicht der Wortschatz einfach nicht, sagt Vanessa. Ihrer nicht auf Englisch und der von Amina nicht auf Deutsch. Aber das Sprachproblem wird sich mit der Zeit vielleicht noch lösen.
FM4 Irmi Wutscher