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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

29. 10. 2015 - 11:20

Mit fünf Kochtöpfen

Warmes Essen war für die Menschen im Transitbereich in Spielfeld nicht vorgesehen. Jetzt ist die "Mobile Küche" vor Ort. Eine der privaten Initiativen für die ankommenden Refugees.

Es war eine spontane Entscheidung, doch keineswegs eine ohne Erfahrung und Know-how im Gepäck: Seit Mittwochnacht ist die "Mobile Küche" in Spielfeld vor Ort. In unmittelbarer Nähe zum Zelt des Roten Kreuzes beim Transitbereich, wo hunderte bis tausende Refugees auf Busse warten, haben Emrik Hundal und Stefan Schartlmüller ihr Equipment in einem kleinen Planenzelt aufgebaut. 15.000 Portionen warmen Essens haben die Köche mit freiwillgen HelferInnen bereits in den ersten 24 Stunden zubereitet. Verteilt wird ihr Essen von Freiwilligen des Roten Kreuz und des "Team Österreich".

Seitens der Behörden war warmes Essen ursprünglich allerdings nicht vorgesehen. Im Zelt des Roten Kreuzes händigen Freiwillige Tee, Wasser, Weißbrotscheiben, Bananen sowie Äpfel und bei Bedarf Babynahrung an die Refugees aus. Alle zwanzig Minuten wird ein Topf von der Mobilen Küche fertig und geht raus – und kommt geleert zurück. Für die Refugees ist es das erste warme Essen nach vielfach ungezählten Stunden.

"Wenn Ungarn entscheidet, die Grenzen zu Serbien und Kroatien dicht zu machen, gibt es einen Druck auf Slowenien. Aus diesem Grund sind wir in Kärnten und der Steiermark vorbereitet", hieß es Mitte Oktober aus dem Verteidigungsministerium. In Spielfeld war von ausreichender Vorbereitung vergangene Woche nichts zu bemerken.

Der mit Bauzäunen eingerichtete Transitbereich besteht jetzt aus einem großen Asphaltplatz und seitlich errichteten Zelten, die als Notschlafstellen für jene Refugees dienen, die noch nicht mit Bussen weitergebracht wurden. Hier, am Grenzübergang, ist definitiv kein Versorgungslager. Soll es auch nicht sein, so die Behörden. Versorgt werden würden die Refugees in den Notquartieren. In Spielfeld beim Transitbereich gibt es ein Erste-Hilfe-Zelt mit Notärzten und Sanitätern, die Caritas hat eine Notausgabe für Kleidung und Schuhe eingerichtet, wobei etwa Sonntagabend keine Männerschuhe-Spenden ab Größe 41 und keine Decken mehr vorrätig waren. Zeitweise dürfen auf polizeiliche Anweisung hin keine Decken ausgehändigt werden, weil Refugees diese anzünden könnten - mit dem Zweck, sich kurz am Feuer zu wärmen. Bundesheer und Polizei geben Aludecken aus.

Laut Polizei gelten die Grenzkontrollen. Nur wenn die Menschenmenge zu groß ist, wird nach Verhältnismäßigkeit davon Abstand genommen, so die Landespolizeidirektion Steiermark. Erfasst würden die Refugees später in den Transitquartieren.

Bundesheer und Refugees: Menschen kommen im Transitbereich auf österreichischem Staatsgebiet an.

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Ankommen im Transitbereich in Österreich

Ein erstes warmes Essen

Koch Emrik Hundal kocht seit Wochen in Traiskirchen mit Freiwilligen für Refugees. In Spielfeld arbeiten jetzt ehrenamtlich fünfzehn bis achtzehn Personen in der "Mobilen Küche" und bei der Essensausgabe. Das Zelt der "Mobilen Küche" des Vereins The Welcoming Organization misst ca. drei Meter mal sechs Meter, es ist nicht regenfest. Aber das Rote Kreuz will ein gutes Zelt zur Verfügung stellen. Biertische dienen als Arbeitsflächen und Regale, um Lebensmittel zu lagern.

"Wir haben fünf große Gaskocher und fünf große Töpfe zwischen fünfzig und achtzig Liter Fassungsvermögen. Darauf basiert das Ganze", erklärt Schartlmüller, der seine Gastronomie-Laufbahn aufgegeben hat, um sich mehr politisch engagieren zu können. Auch in der Nacht wären viele HelferInnen da gewesen. "Wir würden immer ein bisschen mehr Unterstützung in der Nacht brauchen, aber ja. Insgesamt funktioniert’s!"

In einem großen Kochtopf werden Zwiebel angeröstet

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Emrik Hundal steht vor einem 80-Liter-Topf mit Suppe, neben ihm schneiden freiwillige Helferinnen Gemüse klein. In der mobilen Küche in Spielfeld

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Koch Emrik Hundal freut sich und rührt die Suppe

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Einhundert Kilo Gemüse, einhundert Kilo Trockenwaren, Linsen, Reis und Gewürze haben sie gestern eingekauft. Alles wird privat mit Lebensmittel- und Geldspenden finanziert. Einen Euro pro Mahlzeit rechnen die Köche, da sind Einwegbesteck und Schüssel, Gas inklusive, doch klarerweise exklusive Personalkosten. In einer Nacht wurden 10.000 Euro Spenden verkocht. Gesammelte Spenden schwinden, doch die Privatinitiative will weitermachen und helfen.

Ingwer wird fein geschnitten, ein Linsen-Couscous-Eintopf ist fertig und eine Gemüsesuppe mit Reis wird vorbereitet. "Wir verkochen, was wir haben und was wir bekommen", sagt Wilma, die Kartoffeln schneidet. Die Murtalerin hat sich vor drei Jahren beim "Team Österreich" für Hilfsarbeiten bei einer Flutkatastrophe gemeldet und wurde jetzt wieder angeschrieben, ob sie helfen wolle.

Die AktivistInnen der "Mobilen Küche" sind froh, dass sie im Transitlager geduldet werden. Unter den Menschen, die ein warmes Gericht entgegennehmen konnten, sei eine Frau mit ihren Drillingen gewesen: Die Babys sind drei Tage auf der Welt. Die Feuerwehr hat der "Mobilen Küche" Unterstützung zugesagt und inzwischen eine Feldküche und ein Zelt zur Verfügung gestellt.

Lokale Initiativen helfen

Dich einbringen und ehrenamtlich helfen kannst du hier:
Helfen wie wir,
Rotes Kreuz Steiermark,
Caritas Steiermark.

Viele aktuelle Informationen finden sich auf der Facebook-Seite"Flüchtlinge - Willkommen in der Steiermark

Bevor die "Mobile Küche" angekommen ist, hat die "Plattform Willkommenskultur" Suppen zu den Refugees im Transit gebracht. "Eine Sisyphos-Aktion", sagt Petra Leschanz. Jetzt helfen Freiwillige der Plattform Emrik Hundal, andere wiederum sind als Dolmetscher dringend gebraucht. Wie der Syrer Nasir. Wasser und Bananen reicht er, selbst Asylwerber, den ankommenden Refugees. "Muz", das ist Arabisch für Banane. Nasir lebt seit einem halben Jahr in Mureck und wartet auf sein Interview für sein Asylverfahren. Seine Familie sei in die Türkei geflohen. Er hoffe, seine vier Kinder und seine Frau nach Österreich holen zu können. In Mureck hat er viele Freunde gefunden, hilft in der Pfarre mit und mag die Menschen. Er sei Österreich so dankbar, verabschiedet er sich, um wieder zum Freiwilligendienst zurückzukehren.

Auch AsylwerberInnen, die der Verein "Gib' mir deine Hand" aus dem südsteirischen Ehrenhausen unterstützt, helfen in Spielfeld. Mit Deutschkursen, einer Imkergruppe, mit Sportmöglichkeiten und einem Flüchtlingscafé an jeweils einem Tag in einer der Unterkünfte der AsylwerberInnen unterstützen die Mitinitiatiorin Doro Blancke und ihre FreundInnen AsylwerberInnen. Jetzt dolmetschen viele AsylwerberInnen im Transitbereich in Spielfeld.

Vormittags trafen sie sich mit dem Train of Hope. Die Wiener Hilfsinitiative liefert täglich einmal etwa 2500 Sandwiches nach Spielfeld, erklärt Doro Blancke, die das Projekt "Gib mir deine Hand" initiiert hat. Erfahrene Freiwillige verteilen die Sandwiches unter jenen Refugees, die bereits ganz vorne im Transitbereich unmittelbar auf dem Lkw-Parkplatz auf die kommenden Busse warten, die sie entweder zu Bahnhöfen und damit zu Sonderzügen nach Deutschland oder aber in Notquartiere in ganz Österreich bringen werden. "Man darf in diesen Bereich keine Unruhe hineinbringen, das wäre zu gefährlich, es sind viele Kinder dabei. Wir gehen in den Gängen hinein, fangen vorne an und verteilen gruppenweise das Essen", erklärt die Südsteirerin. Schließlich kommen die Refugees aus dem Transitbereich zu den Bussen und die nächsten Refugees können einige Meter weiter vorgehen, um ihrerseits auf den Transport zu warten.

Mobile Küche in einem kleinen Zelt in Spielfeld beim Transitlager

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Die "Mobile Küche" hat sich unmittelbar neben der Teeküche und dem Zelt des Roten Kreuzes/Team Österreich eingerichtet. Alle arbeiten zusammen
Freiwillige HelferInnen teilen Bananen, Weißbrot, Tee und Wasser an Flüchtlinge aus im Zelt des Roten Kreuzes in Spielfeld

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Kein Zugang zum Niemandsland

Genau am anderen Ende, Blick Richtung Slowenien, Blick Richtung Niemandsland: Tausende Flüchtlinge warten hinter aufgestellten Bauzäunen, um in den Korridor zum Transitbereich auf österreichischem Staatsgebiet zu kommen. Ohrenbetäubend schallen die Ansagen aus den Lautsprechern, die bereits zum Transitbereich gehören. Die Männer und Frauen des Bundesheers halten sich die Ohren zu. Ein Kleinkind steht auf der Seite im Transitkorridor und schaut verzweifelt. Bald weint es. Eine Soldatin nimmt das Kind zu sich. Mit "Familienzusammenführungen" sind die erfahrenen Ehrenamtlichen beschäftigt. Sie suchen nach Begleitpersonen von Kindern, nach von ihren Liebsten getrennten Personen. Wenige Minuten später sind die Eltern des Kleinkindes gefunden.

Im Niemandsland zwischen Slowenien und dem Transitbereich auf österreichischem Staatsgebiet hängen hunderte bis tausende Refugees fest. Spätabends brennen Feuer aus Plastikmüll. In diesem Niemandsland bleiben die Menschen ohne Versorgung.

Blick Richtung Niemandsland: Tausende Flüchtlinge warten hinter aufgestellten Bauzäunen, um in den Korridor zum Transitbereich auf österreichischem Staatsgebiet zu kommen

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Blick Richtung Slowenien, Blick Richtung Niemandsland: Hunderte, tausende Menschen harren ohne jegliche Versorgung aus
Hinter dem Trennzaun: SodatInnen mit organen Sicherheitswesten, Refugees und unter ihnen ein kleiner Bub im Transitkorridor in Spielfeld

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Ankunft auf österreichischen Staatsgebiet
Soldatin mit einem Kleinkind, das seine Begleitpersonen verloren hat, im Transitbereich in Spielfeld. Wenige Minuten später ist die Familie gefunden

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Ein Kleinkind hat seine Bezugsperson verloren und weint, eine Soldatin kümmert sich

Am frühen Abend wird die Situation vor dem Eingang zum Transitbereich "sehr schwierig", sagt Petra Leschanz von der "Plattform Willkommenskultur". Tausende Leute tauchten im Niemandsland vor den Barrieren am Eingang zum österreichischen Transitbereich auf, doch im Transitraum waren auch noch sehr viele Refugees. Es wäre gelungen, die Barrieren kontrolliert zu öffnen und einige hundert Menschen in den Transitbereich vor zu lassen.

"Aber die Schwächsten, mit alten Menschen und kleinen Kindern, werden wohl wieder die Nacht da draußen verbringen müssen", befürchtet Leschanz, die Arabisch spricht und dolmetscht. "Ich habe Menschen getroffen, die drei Tage mit ihren Kindern in diesem Niemandsland festgesteckt sind. Eine andere Mutter, die jetzt kollabiert und mit ihren Kindern zu den Notärzten gekommen ist, hatte seit der Früh nichts getrunken."