Erstellt am: 7. 11. 2015 - 21:00 Uhr
Zwischen Familien und Orten
Was nimmt man immer mit im Leben, was lässt man hinter sich? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Buch "Die Schmetterlingsfängerin" von Margarita Kinstner.
Hauptfigur Katja ist Mitte dreißig, schwanger und kurz davor, Österreich zu verlassen, um zu ihrem Freund Danijel nach Sarajevo zu ziehen. Davor besucht sie Stationen ihrer Kindheit und Jugend, die sie in Wien, Graz und einem Dorf im Lusniztal in der Steiermark verbracht hat und stöbert in der Familiengeschichte.
Deuticke
In unserer Familie gab es keine Verwurzelungen, kaum eine blieb an dem Ort, an dem er aufgewachsen war, und die, die blieben, sehnten sich nach der Ferne. Wie hatte ich auch nur eine Sekunden annehmen können, dass man ausgerechnet mich, die ich mich dort so wohlfühlte, im Lusniztal lassen würde?
Eine Kindheit und Jugend zerrissen zwischen Familien und Orten. Katjas Mutter ist mit 18 Jahren schwanger geworden, sie und der Kindsvater sind überfordert. Deswegen verbringt Katja die ersten vier Jahre bei der Oma auf dem Land. Dann wird sie zurückgeholt nach Wien, um bei der alleinerziehenden Mutter und den anderen Großeltern zu leben.
Zwei Wochen später sitzt das Kind im Zug. "Wohin fahren wir?", fragt es die Frau, zu der die Großmutter deine Mutti sagt. "Nach Hause." Das Kind versteht nicht. Von zu Hause kommen sie doch.
Noch weiter zurück geht es in der Familiengeschichte: Da gibt es einen mysteriösen Onkel Kurt, der kurz vor Katjas Geburt verstorben ist und über den man nicht spricht. Es gibt Schwestern der Oma, die nach Kanada ausgewandert sind, und einen Urgroßvater, der aus Sarajevo eingewandert ist.
Lesung!
Margarita Kinstner ist am 13. November auf der FM4-Bühne der Buchmesse Buch Wien zu Gast und wird aus "Die Schmetterlingsfängerin" lesen.
© Arno Ebner / Deuticke
Warum hatte er Sarajevo verlassen? Die Familienlegende besagt, dass er nicht Pfarrer werden wollte. […] Also verließ er sein Elternhaus, stieg in einen Zug, landete – aus welchem Grund auch immer – in Solburg, ließ sich im Gasthaus am Hauptplatz nieder und verliebte sich in meine Urgroßmutter.
Schicht für Schicht legt Margarita Kinstner in "Die Schmetterlingsfängerin" eine Familiengeschichte offen. Die Geschichte der Familie wird aber nicht aufgerollt, sie steuert auf einen Höhepunkt hin und es wird klar, welche Ereignisse mit anderen zusammenhängen. Und wie sie einen selbst im Endeffekt prägen und beeinflussen. Wie man die Muster erkennen kann und sie vielleicht durchbricht.
Es geht aber auch um die Frage von Heimat, von zu Hause sein. Ob einem das Orte oder Familien geben können. Oder vielleicht auch nur einzelne Menschen.