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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

27. 10. 2015 - 17:25

Sprechprosa und Reden

Sie hat den Bachmannpreis 2015 gewonnen, schreibt Kurzprosa und Lyrik und trägt diese am liebsten live vor. Nora Gomringer ist heute zu Gast in Wien.

Sie ist ein Lockenkopf und wirkt resolut. Nora Gomringer ist 1980 geboren und dichtet seit ihrem 16. Lebensjahr – „regelmäßig“. Man könnte behaupten, es liegt in der Familie: Nora Gomringer ist die Tochter einer deutschen Germanistin und des Schweizer Dichters Eugen Gomringer, der als Gründer der Konkreten Poesie gilt.

Konkrete Poesie, das ist experimentelle Dichtung, die versucht, die sprachlichen Elemente von ihrem Sinn zu lösen. Im Unterschied dazu geradezu klassisch war der Text, mit dem Nora Gomringer beim Wettlesen um den Bachmann-Preis in Klagenfurt vergangenen Juli an den Start ging und gewann. Mit „Recherche“ erzählte sie von einer Frau, die Nachfragen in einem Mehrfamilienhaus anstellt. Denn ein dreizehnjähriger Bub hat sich in den Tod gestürzt.

Dieser Text ist in ihrem neuen Band enthalten. Der Band trägt den Titel „Ich bin doch nicht hier, um Sie zu amüsieren“. Darin klärt Nora Gomringer auch sich in ihrer poetischen Praxis aufdrängende Fragen. Etwa, wann das Sprechen singt und wie die deutsche Sprache klingt. Schließlich war Gomringer viel unterwegs, mit Stipendien in New York, Novosibirsk oder auch in Krems und Venedig.

Nora Gomringer

ORF/Johannes Puch

„Wenn ich sehr einsam war in großen Städten wie New York, wo ich mich lange Zeit herumgetrieben habe, hatte ich wie zur Selbstverteidigung meistens beim Herumlaufen ein Gedicht auf den Lippen“, so beantwortet sie die Frage, ob jede und jeder ein Gedicht auswendig kennen müsste.

Der Band beinhaltet dazu auch Reden und Kurzprosa in Form kleiner Abhandlungen zu – nunja – diversen Themen.

Heute, Dienstag, ist Nora Gomringer um 18.30 Uhr im Wiener Konzerthaus zu Gast. Im Konzerthaus wird sie ihre Sprechtexte und Kurzprosa performen. Begleitet wird sie dabei vom Bassisten Manu Mayr.

Am 19. November kommt sie dann für eine Lesung ins Literaturhaus Graz und am 18. Dezember wird sie im Spiegelzelt in Salzburg zu hören sein.

„Ich bin sehr pragmatisch und ich bin auch schnell. Und ich kann Kraft bündeln auf Momente hin und vielleicht gelingt mir das auch in Texten hin und wieder gut“, sagt Nora Gomringer über ihr Schreiben und gibt sich dabei sehr bescheiden. Privat wäre sie „eher unauffällig“, gibt sie an einer Stelle im neuen Band zu Protokoll, aber auf der Bühne ist sie gern sichtbar, wenn es da etwas für sie zu tun gibt. Und zu tun gab es schon eine Menge. Nora Gomringer hat die deutsche Poetry Szene einige Jahre hindurch mitgestaltet. Heute würde sie Slams jedoch nur noch ab und an organisieren.

Zuhause ist Nora Gomringer im deutschen Bamberg. Dort leitet sie das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia, in das jährlich zwölf Künstlerinnen und Künstler eingeladen, um dort ein Jahr zu wohnen und zu arbeiten. Für ihre eigene Kunst reichen ihr oft drei Wörter, um ein Bild in den Köpfen ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer zu schaffen.