Erstellt am: 27. 10. 2015 - 15:08 Uhr
Schweineschädel und Outta Space Grooves
fm4.ORF.at/elevate
Alle Geschichten vom Elevate Festival 2015
Der letzte Punkt des Musikprogramms am Elevate 2015 ist ein bestuhltes Konzert. Dieser Umstand kommt meinem Zustand sehr entgegen. Sobald ich Platz genommen habe, kämpfe ich gegen den Schlaf und die allzu beruhigende Fahrstuhlmusik, die die Wartezeit auf den Auftritt verkürzen soll.
Matthew Herbert und Jimi Tenor teilen sich das Line Up.
Beide haben aktuelle Veröffentlichungen. Im Fall von Mathew Herbert ist es The Shakes, ein Album das er unter den Namen Herbert veröffentlicht hat. Und das wiederum ist ein Name, unter dem er für den Club prädestinierte Kompositionen veröffentlicht. The Shakes ist eine Abkehr von den schwer konzeptlastigen Alben die Matthew Herbert in letzter Zeit der Werten Hörerschaft vorgelegt hat. Das Leben eines Schweines als Geräuschquelle für ein Album; oder der Klang einer explodierenden Bombe in Libyen. Nach all diesen erklärungs- und kopflastigen Projekten ist Herbert zurück auf sicheren Terrain: clubkompatible Songs mit Stimmen und Harmonien.
Elevate / Clara Wildberger
Elevate / Clara Wildberger
Elevate / Clara Wildberger
Jimmi Tenor ist nach wie vor in groovin Outta Space. Sein aktuelles Werk trägt den Namen "Mysticum Magnum" und vertont mit einer Big Band zeitgenössische, mystische Kompositionen. Sehr passend dass ich Jimi Tenor beim Frühstück im Pentagramm-Pullover gesehen habe. Auf dem Album spielt Tenor Saxophon, Querflöte und den russischen Synthesizer RITM-2. Die ersten beiden Instrumente werden auch an diesem Abend im Orpheum in Graz verstärkt zum Einsatz kommen.
Jimi Tenor, seine Blechblasinstrumente und sein Maschinenpark sind eine Ein-Mann-Band. Nicht von dieser Welt, irgendwo zwischen virtuos und quirky. Sanfter Lounge-Jazz wird zu minutenlangen Spaceblubbern, Tenor singt und spielt quasi gleichzeitig Querflöte. Er spielt kompositorisch raffiniert erweiterte Versionen seiner Hits Take Me Baby, Sugar Daddy, Year of the Apokalypse. Die Versionen die er spielt sind so wie die Serie im Vergleich zum Spielfilm: Mehr Zeit für Ausführungen und Seitenplots ohne dass dabei Drama und Bombast zu kurz kämen.
Tenor spielt ebenfalls Stücke aus seiner Zusammenarbeit mit dem Afro Beat Drummer Tony Allen und lässt den ersten Teil des Konzertabends in Graz mit Chaos-Pad produzierten Space Noise ausklingen. Eine Zugabe, ein Schlückchen Champagner und Jimi Tenor ist wieder entschwunden.
Matthew Herbert tritt mit realer 9-köpfiger Band inclusive Sängerin und Sänger auf. Während die Band geflogen ist, hat Matthew Herbert zwei Tage im Zug verbracht. Konsequenterweise (und der Logik des politischen Hintergrunds seiner Werke entsprechend) steigt der Mann, der Musik aus dem Müll von Fast Food Ketten macht, in Europa nicht ins Flugzeug.
Elevate / Clara Wildberger
Elevate / Clara Wildberger
Zu Beginn des Konzerts gibt uns Matthew Herbert mit dem Gestus des Maestro eine Einführung in sein Werk und seine Person. Er ist der Typ, der aus dem Klang des Ziehens eine Zahnes und eines sinkenden Bootes voll mit fliehenden Menschen Musik macht. Das erklärt er dem Publikum. Form und Inhalt stehen bei Mathew Herbert nicht nur an diesem Abend in einem gewollten Widerspruch. Aus den verstörenden, teils politische Verbrechen ansprechenden Quellen schafft er harmonische, positiv emotionalisierende Musik. Auch die Herrschaften neben mir, die sich - gierig auf Hochkultur-Konsum - in Schale geworfen haben, dürften auf ihre Rechnung gekommen sein. Genau so wie die hinter mir, die tapfer gegen den Schlaf kämpfend die Highlights der letzten Afterhour besprechen.
Elevate / Clara Wildberger
Elevate / Clara Wildberger