Erstellt am: 25. 10. 2015 - 17:13 Uhr
Eine Rose ist eine Rose
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken
Die schöne Kunst der Selbstbespiegelung: Der Dichter schreibt vom Dichten oder vom Gerade-Nicht-Dichten-Können. Dem Schriftsteller werden die Sprache und die Wörter, seine Instrumente also, Untersuchungsgegenstand. Doch Vorsicht: Wir wollen von selbstreflexiver Meta-Gedanken-Huberei nicht allzu deutlich die Gewieftheit ihres Erschaffers vorgeführt bekommen.
Anfang Dezember wird unter dem Namen "Young" das Debütalbum der Wiener Band Hearts Hearts erscheinen, die Vorabsingle singt von den Worten und den Wörtern und davon, was man mit ihnen vielleicht so machen könnte oder nicht.
Christoph Hudl
Das Wort "Word" taucht in dem Song "Hunter Limits" oft auf, gleich die erste Zeile möchte sich auf die Macht des Wortes verlassen können: "I’m longing for the word out of concrete and steel", heißt es da. Wenn Sänger David Österle hier das Wort "Word" singt, kippt und bricht ihm die Stimme ein wenig, vermutlich mit Absicht, ein netter Nebeneffekt - vielleicht ist das Wort also doch nicht so stählern.
"Hunter Limits" ist ein zerbrechliches, zartes Liedchen, dabei detailreich ausgestaltet. Eine Verwebung von akustischem Songwritertum und elektronischem Pop, aus dem schon auch ein bisschen die Wehmut tropft. Viele kleine Soundideen sind hier zu erleben: Im Mittelteil schiebt sich eine für einen Popsong doch recht lange Instrumentalpasssage in das Lied, getragen von einem unterkühlten Cello, nimmt den Schwung raus und besorgt so eine schöne und schön unangenehme Unterbrechung. Wir atmen ein, wir atmen aus, wir denken nach, was wir als Nächstes sagen könnten, um eine möglicherweise unangenehme Situation innerhalb einer Zweierbeziehung wieder in günstige Bahnen zu lenken.
Ebenfalls ein unaufdringlicher, feiner Moment: Wenn sich gegen Ende des Songs das Schlagzeug langsam zurück in das Stück schiebt und sanft druckvoller wird. Die vierdimensional anmutende Anordnung der Beats, des Raschelns und Klapperns lässt fast schon das Aufnahmestudio als weiten Raum im Kopf des Zuhörers sicht- und fühlbar zum Leben erwachen. Gegen Ende ist kurz ein Pfeifen zu hören, nicht stolz ausgestellt, es ist halt irgendwo da hinten.
Der Text erzählt von den Wörtern und den Dingen, den abstrakten, den konkreten, den Gefühlen, den Gerüchen und den Namen, die wir ihnen geben, bleibt dabei aber selbst recht kryptisch: "You inhale my words, like a polygraph, in cold sweat I metaphorize our love" - in einem Song voller bildhafter Sprache wird das Stilmittel der Metapher ausdrücklich, wenn auch schwer verständlich, erwähnt, wie sich unser Erzähler allerdings seine Liebe zurecht metaphorisiert, verrät uns "Hunter Limits" nicht. Wie wir miteinander sprechen, miteinander umgehen, einander lieben, oft fehlen uns die Worte.