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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

23. 10. 2015 - 18:07

Sinnvoll reagieren

Das Diskursprogramm am Elevate Festival regt dazu an, auf die Missstände in der Welt zu reagieren. Irgendwie - vorzugsweise kreativ.

Elevate Festival

Das Grazer Festival für Musik, Kunst und politischen Diskurs findet von 22. bis 26.10 in Graz statt.
Mehr zum Diskursprogramm beim Elevate Festival hier von Maria Motter, das sind die fünf Nominees für den Elevate Artivism Award 2015

Das vollständige Lineup des Elevate 2015 steht hier.

Die Eröffnung des Elevate Festival ist immer eine erste Einstimmung auf das umfangreiche Programm der nächsten Tage – quasi eine Art ausführlicher Teaser, wo auch schon einige der diesjährigen Gäste auf die Bühne gebeten werden. Da gibt es Kurzvorträge, Interviews oder auch improvisierte Performances mit dem Publikum.

Wie gewohnt, geht es auch dieses Jahr beim Diskursprogramm des Elevate wieder um die schwierigen Themen: globale Probleme wie demokratiepolitische Missstände, Klimawandel und die Datensammelwut. Die Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation sollen aus der gefühlten Ohnmacht, die wir sonst so im Alltag mit uns herumtragen, eine Ermutigung machen. Es geht darum, aktiv zu werden, zu reagieren – irgendwie, vorzugsweise kreativ. „Creative Response“ lautet passenderweise das Motto des diesjährigen Elevate.

Menschen vor einer Bühne

Robert Glashüttner

InterACT

Mach‘ eine Geste zur Weltverbesserung!

Wie beliebig diese Antworten ausfallen können, stellt die partizipative Theatergruppe Interact unter Beweis. Zwei Motivatoren fordern zu seltsamen Gruppenspielen auf, bei denen etwa das Publikum seine Körper aneinander drücken soll. Das nennt sich dann „dynamisches Gleichgewicht“ und soll ... ja, was eigentlich? Es ist unangenehm, mit Leuten, die man nicht kennt, in seltsamen Körperkontakt zu treten – nur, weil auf einer Bühne jemand dazu einen pseudo-relevanten Kontext herbeifabuliert.

Wie knackig und relevant das kreative Reagieren aber auch ausfallen kann, weiß man, wenn man dem Klimaaktivisten Tadzio Müller zuhört. “Wir stecken tief in der Scheiße“, bringt er die vielen globalen Krisen auf den Punkt. Aber Resignation hilft uns auch nicht weiter. Ebenso wenig das ewige Empören in der eigenen sozialen Blase. Diskussionen, Konzepte, Experimente und Aktivismus müssen in Strategien münden, meint Müller bei seinem Vortrag am Freitag am Nachmittag, sonst wäre das viele Reden langfristig nutzlos. Und: “Purismus ist in der Transformationsphase nicht geboten“. Das spielt auf Menschen an, die zwar alternative und nachhaltige Lebensweisen predigen und sich selbst daran halten, aber keine Vision haben, auf eine überzeugende Weise möglichst viele Menschen außerhalb der eigenen Komfortzone miteinzubeziehen. Der CSU-wählende Opa – Tadzio Müller hat so einen – müsse überzeugt werden, dass und in welcher Form Strategien für erneuerbare Energien umsetzbar sind. Sollte das nicht klappen, bleibt im Zweifelsfall immer noch der zivile Ungehorsam. “Nur so wurden in der Vergangenheit relevante Änderungen umgesetzt“ - darauf wird beim Elevate immer wieder gerne hingewiesen.

Tadzio Müller am Rednerpult

Elevate-Festival/Isselsteini

Tadzio Müller

All together now

Ein wesentlicher Faktor der Strategiebildung ist das Bilden von Banden. „Konvivial“ nennt es die Ethnologin und Philosophin Andrea Vetter. Das Motto stammt aus den 70ern, und die Bedeutung ist eigentlich trivial: Es geht ums Helfen und Zusammenarbeiten statt dem ständigen Pflegen der Ich-AG. Weniger um ewiges Wachstum, sondern um eine Gesellschaft, die im „achtsamen Werden“ ist (Fachwort: Degrowth), wie es im Programm des Elevate dazu heißt. Diese Gesellschaft soll sich auch nicht in zu vielen Untergruppen, Vereinen und Bemühungen verlieren. “Manchmal ist es einfach auch gut, wenn man sich nicht um alles kümmern muss“, sagt Tadzio Müller dazu. Mal loslassen können, Verantwortung abgeben und sich in der eigenen Geschwindigkeit Problemen widmen – das ist ein wichtiger Zugang, um Menschen zu motivieren und in einer unaufgeregten, aber dennoch zielgerichteten Weise Dinge und Zustände zu verändern bzw. zu verbessern.

Auch fürs Elevate ist dieser gemäßigtere Zugang zu Aktivismus und Propagieren alternativer Lebensmodelle neu. Vielfach hatte man in den Vorjahren den Eindruck, dass es nur zwei Möglichkeiten geben würde: du gehörst komplett dazu oder du hältst dich nicht an eine der ungeschriebenen Regeln und fliegst fortan raus. Dieses Öffnen des politischen, ökologischen und wirtschaftlichen Aktivismus hat hohes Potenzial. Denn das mit der „Scheiße“, von der Müller spricht, hat sich längst auch in Kreisen herumgesprochen, die vom Klischee des Ökos weit entfernt sind.

Schwarze Papierflieger auf einer Wand

Robert Glashüttner

Tactical Technology Collective

Aufklärung und Möglichkeiten zum Aktivwerden in Sachen digitaler Datenpolitik und Privatsphäre liefert das international agierende Tactical Technology Collective mit Sitz in Berlin. Beide Dinge sind wichtig: einerseits verstehen, welche Firmen in welcher Weise mit unseren Daten profitieren und wie wir dieses Wissen effizient und glaubhaft an unsere Mitmenschen weiterkommunizieren. Im Workshop Politics of Data wird das am Samstag den ganzen Tag über anhand alltäglicher Beispiele durchgespielt werden.

Elevate Festival – bis inklusive Montag

Es wird ein langes Wochenende in Graz: Diskurs untertags, progressive Clubmusik am Abend. Die FM4-Bühne präsentiert sich heute, Freitag, im Dom im Berg und im Radio ab 21:30 in FM4 La Boum deluxe.