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25. 10. 2015 - 15:54

Schöner untergehen mit Austropop

"Wenn die Checker nicht genervt sind, dann hast du auch keinen Hype!" Musikjournalist Linus Volkmann stellt sich der Frage, ob die nächste Generation österreichischer Musiker wegen Bilderbuch und "Bussi" wirklich dem Untergang geweiht ist.

von Linus Volkmann

"Sounds like Home"

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"Die Jungen werden zerstört" formuliert Marco Wanda die Sorge bezüglich des aktuellen Hypes um seine eigene Band und um den Begriff Austropop. Nun ja, auch Zigaretten sind schädlich, aber sie erfüllen ihren Zweck.

Don’t believe the Hype

Wie weit ein Hype mittlerweile fortgeschritten ist, lässt sich am besten an seinem Backlash ablesen. Wenn man dafür die immensen Zugriffe und die Bestätigung, die der bös polemische Blog-Artikel "Eine Fischvergiftung namens Wanda" von Wolfgang Zechner erreichte, als Maßstab nimmt, kann man konstatieren: Die Story von den fünf ledernen Hallodris und damit auch die von einem "neuen Austropop" befindet sich gerade in einem Orbit, den kontemporäre Popmusik nur ganz selten erreicht. Das ist eine Leistung, das ist schon fast Lady Gaga, das ist im wahrsten Sinne ... "Wrecking Ball".

Hype, das bedeutet, dass Monate nachdem es sogenannte Early Adopter schon wussten, nun auch der komplette Mainstream mitzieht. Das wiederum ist den Checkern eine Qual: Einerseits wussten sie es doch schon vorher (was mittlerweile aber keinen mehr interessiert, der Trend gehört jetzt allen) und andererseits möchten sie ihre Entdeckungen dann doch nicht mit der unüberschaubaren Masse an Schönwetterfans teilen.

So sitzen die Early Adopter, wenn sich ein Hype tatsächlich doch mal in die Breite durchgesetzt hat, völlig überreizt Daheim und bejammern die große Flut.

Hierbei handelt es sich um einen ganz natürlichen Prozess - wie Zellteilung oder Photosynthese. Das muss so sein, das ist wie schon erwähnt einfach ein Gradmesser der allgemeinen Hysterie. Faustregel: Wenn die Checker nicht genervt sind, dann hast du auch keinen Hype.

Linus Volkmann

Ein guter Gabalier-Song? Träum weiter!

Insofern ist es mein Rat, sich jetzt erstmal nicht irritieren zu lassen, wenn sich in die ganze Aufregung zwangsläufig auch mal Misstöne mischen. Das, was gerade mit und um Austropop herum passiert, ist eine großartige Sache. Eine Sache, von der man wohlgemerkt noch Anfang 2014 nicht mal geträumt hätte. Über die zwei Ausnahmebands Wanda und Bilderbuch ist die gesamte Popmusik-Szene des Landes ins Gerede gekommen. Sagenhafte Nummer - rarer als ein guter Gabalier-Song.

Infolgedessen schaut man jetzt auch von Deutschland plötzlich genauer hin, wenn eine Band mit dem Zusatz "Österreich" um die Ecke kommt. Vom Außenseiter-Stigma zum State of the Art. So definiert sich die Gunst der Stunde. Und wenn Wanda-Manager Stefan Redelsteiner nun das Trojanische Pferd rausschickt und dafür wohlwollende Reviews auch in der deutschen Medienlandschaft einsammelt oder die familiy affair Worried Man & Worried Boy von dem Berliner Label Staatsakt gepusht werden oder dann doch mal ein paar Leute mehr kommen, wenn der Nino aus Wien in Hamburg spielt, dann sollte man das einfach so bewerten, wie es ist: Nämlich außerordentlich positiv. Dass es genannte Acts wiederum letztlich in Deutschland "nicht schaffen werden" (hässlicher Verwertungs-Slang der Musikbranche), das ist zwar abzusehen, aber der Trend bietet momentan österreichischen Bands die Chance, abseits der eigenen Zusammenhänge wahrgenommen zu werden.

Linus Volkmann

Embedded Ö-journalism - Der Kölner Autor Linus Volkmann unter Wandas.

Sicherlich hat Marco Wanda Recht, wenn er darauf hinweist, dass dieses "Wahrnehmungsfenster" auch negative Aspekte befeuert. Hierbei ein "Zerstören der Jungen" zu befürchten, scheint allerdings mehrere Eskalationsstufen zu weit zu gehen.

Wurmstichig und gefloppt

Fraglos ist: Ein Hype erzeugt dank kapitalistischer Verwertungslogik dumme, gefällige Me-Too-Produkte, die auf den schnellen Euro hinproduziert wurden - und vielleicht fällt sogar die ein oder andere Band auf diese "Verheißung" hinein und bleibt im Wanda- beziehungsweise BiBu-Adeptentum stecken. Doch ganz ehrlich, dann hat sie es auch nicht besser verdient und hätte unter anderen Umständen auch nicht geiler abgeliefert. Als sich beispielsweise in Deutschland Kraftklub selbst erfunden und eigenhändig in Charts gebracht hatten, wurden fix in den Pop-Akademien des Landes Bands mit Hosenträgern versehen und Extrakurse für "frechen Rock mit Sprechgesang" aufgestellt. Die Ergebnisse, die einem letztes Jahr dann die dazugehörigen Majorlabels um die Ohren hauten, blieben allesamt wurmstichig und floppten. So what? Diese ehrlosen Hampelmänner, die sich auf diesen Deal eingelassen haben, hätten sonst eben nur irgendeinen anderen Mist gebaut. Und so werden auch jede Menge auf Austropop und Trend getrimmte österreichische Bands untergehen.

Doch wer wirklich was Außergewöhnliches zu bieten hat, der stößt dank Wanda und Bilderbuch eben nicht mehr auf komplett vernagelte Türen. Die Qualität der beiden hier allzu oft beschworenen Bands ist eine gute Voraussetzung, dass österreichische Acts sich die nächsten Jahre nicht immer wieder aufs Neue werden erklären müssen, wenn sie außerhalb der Landesgrenzen auflaufen.

PS: Und auf Austrofred und Stefanie Sargnagel scheint der deutsche Popkulturmarkt übrigens schon das nächste Auge geworfen zu haben. Ein Umstand, den ich nur begrüßen kann und der Teil eines neuen Selbstbewusstseins und einfach einer starken Szene in Ö ist. Tja, jetzt habt ihr halt den Hype - und den Salat. Macht das Beste draus!

PPS: Wo bleibt eigentlich das nächste Album von Gustav?