Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Zimtkuchen und Schopska Salat"

Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

21. 10. 2015 - 14:31

Zimtkuchen und Schopska Salat

Was würde wohl passieren, wenn einfach alle die Grenzen überqueren könnten?

"In Bulgarien ist es gerade warm!", sagt Stefan, während er die letzten Strahlen der Stockholmer Sonne genießt. Die Sonne in Stockholm im Oktober scheint zwar, wärmt aber nicht besonders. Wir stehen vor dem riesigen Fenster eines Bürogebäudes aus Glas, wo sich der Sitz eines internationalen IT-Unternehmens befindet. Stefan aus Sofia arbeitet hier seit einigen Monaten als "Senior Webdesigner". Die nachmittägliche "Fika", eine alte schwedische Tradition, die Kaffee trinken und Zimtkuchen essen beinhaltet, ist gerade vorbei. Man nutzt die Fika um sich zu auszutauschen und anzufreunden.

"Gehst du denn nicht bald nach Hause?", fragt Stefans Kollege Mathias aus Deutschland, der gerade seine Sachen in seine Prada-Tasche packt. Bald ist er auf dem Weg zu seinem 500.000 Euro teuren Haus auf einer Insel nahe der schwedischen Hauptstadt. Stefan sagt mir, dass Mathias immer eine Stunde früher nach Hause geht. "Wenn du in Schweden irgendwo angestellt wirst, kannst du nie mehr gefeuert werden", glaubt Mathias.

Straßenlaterne vor dem Sonnenuntergang in Stockholm

CC BY 2.0 von Tobias Lindmann flickr.com/cowb0y2000/

CC BY 2.0 Sonnenuntergang in Stockholm

Fast alle in Stefans Unternehmen sind Ausländer: es gibt Amerikaner, Russen, Inder und Rumänen. Alle laufen ständig mit einem Lächeln im Gesicht herum. Die schwedischen Zimtkuchen helfen der Integration anscheinend sehr. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht erzählt mir auch Stefan über seine Ankunft in der Firma. Eine Weile haben ihn seine Kollegen mit Vorsicht betrachtet, da sie Angst hatten, dass er ein blutdürstiger Balkanese mit einem Messer im Gürtel sein könnte. Jetzt lächeln sie ihn an und alle essen gemeinsam Zimtkuchen.

Stefan spricht kein Schwedisch. Er sagt, er braucht es nicht. Fast niemand in seinem Unternehmen spricht diese Sprache. Alle reden Englisch oder die universelle Computersprache.

Nach einer Stunde macht sich auch Stefan auf den Weg zu seiner unglaublich überteuerten Wohnung im Stockholmer Nobelviertel Östermalm, wo laut Stefan "kein einziger Migrant zu sehen" ist. Vielleicht gerade deshalb hat er entschieden dort zu leben. Auf dem Weg nach Hause ruft er seine Freundin an und sagt, sie soll bulgarischen Schopska-Salat zubereiten und den Rakija einkühlen. "Die schwedischen Zimtkuchen schmecken super, aber nichts kann man mit dem bulgarischen Salat vergleichen!", sagt Stefan.

Stefan eilt zu seiner Wohnung, heute ist ein wichtiger Tag. Die bulgarische Volleyballnationalmannschaft spielt im Halbfinale der EM. Stefan verfolgt die Meisterschaft schon seit ihrem Beginn. Seit einer Woche schon streamt Stefan alle Spiele. Für einige Stunden vergisst Stefan, dass er in Schweden ist. Der Schopska Salat und besonders der Rakija helfen dabei.

Vor dem Spiel werden Nachrichten aus Bulgarien gezeigt: Ein bulgarischer Grenzpolizist habe einen afghanischen Flüchtling an der bulgarisch-türkischen Grenze mit einem Schuss in den Nacken getötet. In den Nachrichten heißt es, dass der Polizist in die Luft schießen wollte und er den rennenden Migranten nur zufällig getroffen habe. Einige, die nicht dabei waren, meinen sogar, dass der Flüchtling bewaffnet gewesen sei. Bulgarische Politiker aus nationalistischen Parteien schlagen vor, dass der Grenzpolizist ausgezeichnet werden sollte.

"Man kann nicht einfach so die Grenzen passieren!", meint Stefan. "Ich könnte nicht einfach so ohne die Kontrollen einfach nach Schweden reisen! Was würde wohl passieren, wenn alle diese bewaffneten Migranten wohl hier landen!"

Ich versuche ihn daran zu erinnern, dass seine Kollegen im IT-Unternehmen auch gemeint haben, er trage ein Messer im Gürtel. Stefan überhört meine Argumente. "Schauen wir das Spiel", sagt er. Bulgarien hat das Halbfinale verloren. Stefan hatte keinen Grund, stolz zu sein. Aber der Salat hat ausgezeichnet geschmeckt.