Erstellt am: 20. 10. 2015 - 18:00 Uhr
Games in der Galerie
Es war eine erfreuliche Ablenkung vom lauten Promotion-Rambazamba, als ich vor knapp zehn Jahren auf der Branchenmesse E3 ein kleines Kunst-Refugium entdeckt habe. In einem etwas abgeschiedenen Bereich hingen Bilder an weißen Wänden - Bilder aus damals aktuellen Computerspielen. Größtenteils waren es Artworks, die stellenweise sogar umfangreicher und detailverliebter dargestellt wurden als sie im jeweiligen Game selbst sichtbar waren. "Into The Pixel" hieß diese Ausstellungsserie damals und heißt sie auch heute noch. Es ist eine Kollaboration zwischen der Entertainment Software Association (Gamesindustrie) und der Academy of Interactive Arts & Sciences (Kunst).
Johannes Figlhuber, Max Degen
Das Prinzip, Spiele durch Standbilder und in weiterer Folge durch Bilder in einer Ausstellung zu präsentieren, hat in den letzten zehn Jahren leider kaum an Fahrt gewonnen. "Into The Pixel" ist weiterhin eine Ausnahme geblieben. Durchgedrehte Kunst-Querköpfe wie Cory Arcangel (der schon 2005 bei einer kuriosen Performance in Wien war), die mühelos zwischen Gameskultur und Kunstszene wandeln, gibt es weiterhin selten.
Robert Glashüttner
Umso erfreulicher, dass jetzt in Wien diesem Prinzip wieder einmal gehuldigt wird, und zwar auf eine sehr gewissenhafte Art und Weise. Der ehemalige Spieleprogrammierer und nunmehrige Maler, Kunstphilosoph und Akademiker Christian Bazant-Hegemark hat sich nach einigen Jahren der ludischen Absenz wieder mehr mit digitalen Spielen beschäftigt - und eine unglaublich reichhaltige und dynamische österreichische bzw. Wiener Entwickler/innenszene vorgefunden, die nur darauf wartet, in neue Kontexte gestellt zu werden. Bazant-Hegemark hat sich nach seinen Recherchen mit einer jungen Galerie im 15. Wiener Gemeindebezirk zusammengetan und eine Ausstellung namens "Vienna Video Game Aesthetics" auf die Beine gestellt.
Robert Glashüttner
Interview mit dem Kurator
Kollege Rainer Sigl hat mit Christian Bazant-Hegemark für Video Game Tourism ein ausführliches Interview geführt.
Bilder von fünfzehn aktuellen heimischen Indie-Spielen sind in der Ausstellung zu sehen. Die Werke wurden gemeinsam mit den Designer/innen bzw. Artists in Größe und Form gestaltet. So sieht man Triptychons ebenso wie Collagen kleinerer quadratischer Bilder oder wandfüllende, größere Werke. Stilistisch treffen Pixel- und Voxelart auf klassische gegenständliche Malerei ebenso wie auf abstraktere Formen. Ein Computerspiel, das zwischen 30 und 60 Bilder pro Sekunde darstellt, auf wenige Bilder oder überhaupt nur ein Bild zu reduzieren, ist dabei keine kleine Herausforderung.
Robert Glashüttner
Fast interessanter als die Wechselwirkung zwischen Computerspiel und bildender Kunst ist die Frage, warum es zwischen diesen Feldern solche Berührungsschwierigkeiten gibt. Ohne Ausnahmeerscheinungen wie Christian Bazant-Hegemark, der herrlich unprätentiös und aufgeschlossen versucht, Brücken zu schlagen, scheint es gar nicht zu funktionieren. Zeitgenössischer Kunst und ihrer Galerie-Kultur haftet vielerorts immer noch eine betuliche Blasiertheit an, der sich viele nicht aussetzen wollen, wenn sie nicht selbst Ausstellende sind oder durch Familie oder Freundeskreis damit zu tun haben. Games wiederum kommen gesellschaftlich nur schwer aus ihrem Kommerz- und Kiddie-Kontext heraus - auch wenn sich diesbezüglich in den letzten Jahren viel bewegt hat und sich langsam auch in den Köpfen Weniger-Spieler/innen der Gedanke breit macht, dass Computerspiele mehr sein können und sind als das, was in diesen Regalen beim Elektrogroßmarkt liegt, zu denen man nie geht.
Robert Glashüttner
Bei freiem Eintritt bis 13. November in der Hollerei Galerie zu sehen. Die Ausstellungsstücke sind käuflich zu erwerben.
Die lokale Spieleszene kommt in letzter Zeit oft zusammen: Man trifft sich etwa bei Subotron-Abenden, bei Veranstaltungen der Gamestage oder neuerdings auch bei Game Dev Meetups. Bei der Vernissage von "Vienna Video Game Aesthetics" war das Zusammentreffen der bekannten (und mancher unbekannten) Gesichter aber anders als sonst. Die Freude, dass man sich mal in einem anderen Rahmen trifft, war in der gut gefüllten Galerie spürbar. Hier geht es nicht darum, Games zu entwickeln, sie zu spielen oder sich über dazugehörige Fachthemen auszutauschen. Diesmal geht es gänzlich darum, wie Spiele visuell wirken und welche Emotionen und Geschichten sie in uns damit auslösen.
Die Ausstellung führt vor, dass die vielen Themenbereiche, aus denen Spieleentwicklung schöpft - Erzählung, Spielmechanik, Programmierung, Visuals Arts, Sounddesign, und so weiter - noch in vielen Bereichen kaum ausgereizt sind. Schön, dass diese Vielfalt jetzt mal im visuellen Bereich gebührend zelebriert wird.