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Ali Cem Deniz

Das Alltagsmikroskop

20. 10. 2015 - 15:21

Der Mann im weißen Van

Stephan Jobke hat alles verkauft, seine Wohnung aufgegeben und lebt seit einem halben Jahr in einem Kleinbus. Dabei hat er gelernt, worauf er verzichten kann und was er zum Leben braucht.

Wenn in der Wohnung etwas kaputt ist, rufen die meisten Menschen den Installateur oder Elektriker an. Stephan Jobke aus Ried im Innkreis geht zum Automechaniker. Der Diplomkrankenpfleger lebt seit einem halben Jahr in einem Kleinbus und bloggt über sein Leben ohne festen Wohnsitz.

Hier gehts zu Stephan Jobkes Blog.

Derzeit ist aber sein Wohnsitz wieder etwas fester als ihm lieb ist. Seine Wohnung steht seit zwei Wochen in der Autowerkstatt. Bis die Reparaturen erledigt sind, übernachtet er abwechselnd bei seiner Freundin oder Freunden. "Unabhängig bei wem ich wohne, auch in einer 60m² Wohnung ist es echt beklemmend für mich. Es ist zwar schön, wieder mehr Struktur zu haben, aber ich fühle, dass ich einen Teil von dem was mich ausmacht und was mich dazu getrieben hat, im Bus zu leben, verliere."

Stephan Jobke auf dem Bus

Stephan Jobke

Der ewige Urlaub

Am Anfang war der weiße Van als Camper für den gemeinsamen Urlaub mit der Tochter gedacht. Doch schon bald freundete er sich mit der Idee an, für immer im Bus zu leben. So ist aus der Urlaubsidee eine Lebenseinstellung geworden. Die Bequemlichkeiten seiner 60m² Wohnung hat er gegen die Freiheit im 6m² Kleinbus getauscht.

Den größten Platz nimmt im Bus das Bett ein. Darunter sind in Kisten Schuhe, Töpfe und Sportsachen verstaut. In einem kleinen Kleiderschrank hängen ein paar T-Shirts, Hemden und Hosen. Für ein paar Bücher hat er auch Platz.

Der Fahrersitz ist Stephans Büro. Hier hat er ein paar Ordner mit wichtigen Dokumenten. Dennoch sagt er: „Es geht mir nicht unbedingt darum, minimalistisch zu leben und auf gewisse Sachen zu verzichten."
Deswegen hat Stephan noch sein Tablet und sein Smartphone. "Die brauche ich ja noch, aber ich brauche keine zwanzig Töpfe um eine Suppe zu kochen". Mit dieser Einstellung stößt er bei manchen "AusteigerInnen" auf Unverständnis. Doch Stephan will nicht alles aufgeben, sondern seinen Alltag verändern. Deswegen bleibt er auch vorerst in seinem Job.

Die Wohnung aufzugeben und seine Sachen zu verschenken und zu verkaufen war eine große Befreiung für Stephan. Er hat sogar Geld gezahlt, damit seine Möbel schneller wegkommen. So groß war der Drang einen neuen Alltag anzufangen.

Organisierter Verzicht

Einen kleinen Koch- und Hygienebereich hat Stephan in den Bus eingebaut, dennoch hört er als erstes immer die Frage: Wo duschst du eigentlich? „Da muss ich immer lachen. Natürlich habe ich auch selbst als erstes daran gedacht. Zum Glück kann ich mich auf der Arbeit duschen und meine Wäsche waschen.“ sagt der Diplomkrankenpfleger. So ganz ohne Struktur ist der Alltag im Kleinbus auch nicht.

Stephan Jobke in der Waschküche

Ali Cem Deniz/FM4

Der Weg von der Arbeit zur Wohnung ist nicht lange. Oft steht Stephans Bus am Parkplatz des Krankenhauses. „Wenn ich hinter dem Lenkrad sitze, ist es als wäre ich im Flur. Und dann geht’s nur darum, wo fahre ich heute hin und was erlebe ich heute.“

Stephan Jobke im Bus

Stephan Jobke

Jeden Tag nach der Arbeit fährt Stephan zu seiner Freundin nach Salzburg oder zu Freunden in Oberösterreich. Oft ist er auch alleine unterwegs. Seine Lieblingsspots sind der Ebensee und Traunstein, wo er als erstes wieder hinfahren möchte, wenn seine Wohnung wieder aus der Werkstatt kommt. Die eigentliche Reise soll aber zu seinem Selbst führen: „Zuerst habe ich den Fernseher ausgeschalten, weil ich keine Lust mehr hatte anderen Menschen beim Leben zuzuschauen.“

FM4 Auf Laut - Leben im Kleinbus

Stephan ist am Dienstag Abend zu Gast bei Elisabeth Scharang in FM4 Auf Laut und diskutiert mit ihr und euch, was man eigentlich zum Leben braucht; und wen.

Am 20. Oktober, um 21 Uhr, live auf FM4 und gleich im Anschluss auch für 7 Tage unter fm4.orf.at/7tage.

Die Nummer ins Studio: 0800 226 996