Erstellt am: 20. 10. 2015 - 17:20 Uhr
Surreale Realitäten
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Ein Mann steigt in einen Zug, der in die Vergangenheit fährt, dabei wollte er doch in die Zukunft reisen! Eine Gruppe junger Freunde versucht beim sommerlichen Dart-Turnier das Böse zu eliminieren. Und eine Kuh will Polarforscherin werden. All das geht sich aus – und zwar in Funny van Dannens neuer Geschichtensammlung.
Der Funny-Stil
Funny van Dannen ist den meisten wohl eher als Liedermacher bekannt. Seine unzähligen Alben voller lustiger und melancholischer Songs leben von überraschenden Wendungen und hervorragendem Wortwitz. Das ist bei seinen Büchern nicht anders.
Die neuen Geschichten bewegen sich, wie der Name des Buches schon sagt, immer ganz knapp "An der Grenze zur Realität". Wenn man Funnys Werke bereits kennt, dann ist das nichts Neues. Und umso besser, wenn es nicht so ist, dann kann man den Überraschungseffekt noch voll auskosten.
Imago | Christian Thiel
Von Zombies, Wasserflöhen und Steinzeit-Rouladen
In "Phantasie und Realität" verliebt sich ein Säbelzahntiger in ein Rattenweibchen und die Ur-Ur-Urmenschen essen Saurierrouladen.
Draußen vor der Höhle saß der zahme Säbelzahntiger Hancock und dachte sich Sachen aus, die es noch gar nicht gab. Er war so kreativ im Kopf! Gestern hatte er sich eine Gitarre mit zwei Saiten ausgedacht und jetzt gerade ein Viskose-Top für Männer und Frauen. Hätte er nur wie die Menschen sprechen können! So blieb alles pure Phantasie, denn handwerklich war Hancock eine Niete.
Die Geschichte "Der Mann mit den süßen Öhrchen" beginnt so:
Edition Tiamat
Beim Telefonieren schaut die Wetterbeobachterin Kerstin Mölder aus dem Fenster. Draußen geht ein Zombie vorbei.
Oh, ruft Kerstin. Du Lena, ich muss Schluss machen! Da draußen geht ein Zombie vorbei, den möchte ich kennenlernen. Ich ruf dich später an.
Und in "Das Farbenglück" hat ein Mann einen Streit mit zwei Wasserflöhen und bekommt von ihnen ein drittes und viertes Auge verpasst, die erst mit der Hilfe eines Magiers wieder verschwinden:
Wie heißt ihr überhaupt?, fragte ich in der Annahme, sie hätten keine Namen.
Daphne, sagten beide.
Ihr heißt beide Daphne?, staunte ich.
Schöner Name, was?, fragten sie zurück.
Ja schon, gab ich widerstrebend zu, aber für Wasserflöhe etwas hochtrabend.
Kurzweilig und doch nachhaltig
Obwohl die Geschichten oft ins Fantastische abgleiten, Tiere sprechen können, und sich ein paar Gebäude auf einen Kaffeeklatsch treffen, ist das Buch dennoch zutiefst menschlich.
Nur wenige Geschichten in "An der Grenze zur Realität" überschreiten die Länge von zwei Seiten und so kann man auch die paar wenigen Erzählungen gut überstehen, die dem_der Leser_in vielleicht nicht so zusagen. Eines ist jedoch sicher: trotz der Kürze werden einige Figuren und Sätze noch lange nachhallen.
Es dämmerte mit Macht.