Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Wie Russia TV über den Syrienkrieg berichtet"

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

18. 10. 2015 - 19:00

Wie Russia TV über den Syrienkrieg berichtet

Russland musste eingreifen, weil die USA in Syrien völlig plan- und erfolglos agieren - dieses Narrativ ist aus allen Berichten des russischen Staatsfernsehens herauszuhören.

Die eskalierende Situation zwischen den Großmächten USA und Russland spiegelt sich nirgendwo deutlicher wider, als in der Berichterstattung des russischen Staatsfernsehens RT. Seit dem Eingreifen Russlands in den Syrienkonflikt vor zwei Wochen berichtet RT ja erstmals aus der Perspektive eines in einen militärischen Konflikt verwickelten Landes. Das geschieht allerdings deutlich anders, als etwa die privaten US-Medien bei den Invasionen der USA in Afghanistan oder dem Irak über das US-Militär berichtet hatten.

Vladimnir Putin vom Gipfel in Astana

RT

Das darunterliegende Narrativ

Die täglichen Bombardements der russischen Luftwaffe in Syrien dominierten bis zum Wochenende zwar oft den Meldungsblock, doch regelmäßig fiel der Syrienkrieg etwa zugunsten aktueller Bilder von den Straßenschlachten in Israel in der Hierarchie zurück. Das darunterliegende, offizielle Narrativ ist etwa so: Russland musste in Syrien eingreifen, weil die USA dort seit mehr als einem Jahr völlig planlos agieren. Präsident Vladimir Putin, der in RT aktuell nun öfter zu sehen ist - während des Ukrainekriegs war er praktisch unsichtbar - wird dann auch stets mit Aussagen wie "Die USA haben keine erkennbare Strategie in Syrien" zitiert.

Nachrichten von RT zu Syrien

RT

Noch im Herbst sollen zwei von der EU finanzierten russischsprachige Kanäle starten, um der Medienoffensive Moskaus mit "Mythbusting" zu begegnen. Das allerdings ist gerade die Spezialität von RT TV.

Diese Linie zieht sich quer über alle Sendungen durch das gesamte Programm. Wenn die Anmoderation lautet, Moskau habe bisher leider vergeblich versucht, die Position der USA herauszubekommen, dann dauert es nicht lange, bis eine Aussage dazu kommt. In diesem Fall war es Putin selbst, der auf dem Gipfel mit den Präsidenten der ehemaligen Sowjet-Staaten in Astana am Freitag Washington beschuldigte, jeden Dialog über Syrien zu verweigern. Während über diesen Gipfel, in dem Putin mit den Präsidenten der Anrainerstaaten über die eskalierende Lage in Afghanistan diskutierten, in aller Ausführlichkeit berichtet wurde, fand der EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise am Vortag gerade einmal am Rande einer Reportage zum Thema Erwähnung.

Nicht-Empfehlungen zur Ukraine

Das ließ man zur selben Zeit lieber den tschechischen Expräsidenten Vaclav Klaus kommentieren, der am Donnerstag in einem langen Interview zu sehen war. Dabei bezeichnete Klaus, dessen Neigung zum Gepolter schon während seiner Amtszeit regelmäßig zu Kontroversen mit anderen EU-Staaten und auch Brüssel geführt hatte, die Vertiefung der europäischen Integration während der 90er Jahre als "tragischen Fehler der EU". Aus diesem Zuviel an Integration seien erst die Euro- und dann die Flüchtlingskrise entstanden und darauf sei eben die gesamte verfahrene Situation in Europa zurückzuführen.

Vaclav Klaus bei RT

RT

Vaclav Klaus, Expräsident von Tschechien

Den USA bescheinigte Klaus, dass sie die Situation in Syrien ebensowenig verstünden wie jene in der Ostukraine. Dann ließ sich Klaus nicht lange bitten und erklärte ausführlich, warum die Teilung eines Landes keineswegs eine Katastrophe wäre. So habe die Teilung der ehemaligen Tschechoslowakei in Tschechien und die Slowakei beiden Staaten enorm gutgetan, zumal dies ja im gegenseitigen Einvernehmen geschehen sei, sagte Klaus und fügte dann mit einem breiten Lächeln noch hinzu, dass dies doch bitte nicht als direkte Empfehlung zu verstehen sein möge.

Der offizielle Launch von RT UK, einer eigenen RT-Nachrichtenschiene für Großbritannien im November 2014 fiel nicht ganz zufällig mit den umstrittenen Wahlen in der von russischen Separatisten besetzten Ostukraine zusammen.

"Juwelen der Luftwaffe"

Während die US-Medien bei allen Invasionen die eigenen Technologien in langen Videostrecken und Reportagen abfeierten, leistet sich der russische Staatssender derlei nur zwischendurch, so etwa anlässlich der Stationierung neuester Bomber auf dem Luftwaffenstützpunkt Latakia in der vergangenen Woche. "Parade der Juwelen der Russischen Luftwaffe" hieß es da in einem Bericht des Kriegsreporterteams vor Ort, das die phänomenalen Flugeigenschaften dieser Maschine neuesten Typs und die Bewaffung vorstellte.

Tyenbeschreibung des Suchoi-Bombers

RT

Dabei wurde auch auf die Luft-Luft-Raketen hingewiesen und die rhetorische Frage gestellt, gegen wen sich diese Kampfjets dadurch schützen würden, wenn doch keine der vielen Rebellentruppen in Syriens über eine Luftwaffe verfüge. Die Antwort: "Allein das Vorhandensein dieser Bewaffnung hat die Analysten zu vielsagenden Interpretationen veranlasst."

Die Effizienz der Moskauer Spin-Doctors bekam der vergleichsweise winzige TV-Nachrichtenkanal Ukraine Today gleich nach dem Launch im September 2014 zu spüren. Seitdem waren die beiden Sender in einen ungleichen Propagandakrieg verstrickt

Der Spin der Positionierung

Interessanterweise werden solche exklusiven Reportagen - von der russischen Luftbasis Latakia berichtet ausschließlich RT - nicht in die Trailerstrecken aufgenommen, die große Teile der Sendezeit einnehmen. Das ganze Wochenende über wurde in diesen Trailern kein einziger Beitrag über Syrien gespielt, die Strecken dominierte vielmehr US-Präsident Barack Obama mit seinen Aussagen über den Doch-Nicht-Abzug amerikanischer Truppen auѕ Afghanistan. Obama ist generell um ein Vielfaches öfter als sein Gegenüber Putin in diesen Trailerstrecken zu sehen, die ausschließlich Themen mit USA-Bezug gewidmet sind, wenn sie nicht überhaupt aus Sendungen amerikanischer TV-Netzwerke zusammengeschnipselt werden.

US-Drohnen-Operator Brandon Bryant

RT

Anders als die exklusiven Reportagen aus Syrien wurde jene über den abgesprungenen US-Drohnen-Operator Brandon Bryant in die Trailerstrecken aufgenommen, die mindestens stündlich wiederholt werden.

Weltmacht am Satellitenhimmel

Ob es nun Trailer, eigene Berichte oder auch zugekaufte Dokumentationen sind, so ist das alles vom Handwerklichen her absolut professionell gemacht und mit rasanten Schnitten auf die Rezeptionsweise eines relativ jungen Publikums abgestimmt. Das aber ist keineswegs auf Europa oder die USA beschränkt, denn RT sendet auch Vollprogramme in Arabisch und Spanisch über das weltweit wohl größte Sat-TV-Netzwerk aus. Gerade einmal zehn Jahre nach der Gründung dieses Sendenetzes werden die Programme aus Moskau über mehr als dreißig Satellitenpositionen von 166 Grad Ost (Australien) bis 30 Grad West gesendet. Dazu werden sie über eine unbekannte Zahl von Kabel-TV-Netzen ausgestrahlt, über die eigene Agentur Ruptly TV mit Sitz in Berlin werden Videos vom weltweiten Geschehen anderen Sendern angeblich sehr kostengünstig zur Verfügung gestellt.

Luch-5V in der Endphase der Fertigung

Roskosmos

Luch-5V in der Endphase seiner Fertigung

Kollisionsgefahr im All

Auch diesen Bereich in fast 30.000 Kilometern Höhe haben die Spannungen zwischen den USA und Russland inzwischen offenbar erreicht. Nach Serien von Hackangriffen auf Netze in den USA, die staatlichen Akteuren aus Russland zugeschrieben wurden und den nicht unriskanten Flotten- und Luftmanövern des russichen Militärs kamen am 8. Oktober sehr beunruhigende Nachrichten über diese bisher weitgehend friedliche Domäne. Die Generaldirektorin des Bereichs Sat-Services für Regierungen der Intelsat-Gruppe ging überraschend mit Vorwürfen gegen die Betreiber eines russischen Militätsatelliten an die Öffentlichkeit.

Wie erst da öffentlich bekannt wurde, wurde der als Luch-5V im September 2014 gestartete Militärsatellit im Frühjahr entlang des Äquators verschoben, bis er auf einer ziemlich prekären Position zur Ruhe kam. Seit Monaten befindet sich der auch als "Olymp-K" bekannte Luch-5V auf 18,1 Grad West, genau zwischen Intelsat 7 (18,2) und Intelsat 901 (18 Grad West), die beide neben zivilen TV-Kanälen auch staatliche und militärische Dienste übertragen.

Eskalation, die nächste Stufe

Da stationäre Satelliten täglich einer achterförmigen Drift unterworfen sind ist es bei einem so geringen Abstand - höchstens zehn Kilometer - üblich, dass die jeweiligen Operators Kontakt aufnehmen, um etwa bei Manövern zur Kurskorrektur die anderen Raumobjekte nicht zu gefährden. Im Fall von Luch, der offiziell als Funkrelais zur Erde für russiche Raumkapseln gewidmet ist, geschah dies wenigstens bis Ende Oktober nicht. Allgemein wird angenommen, dass Luch-5V und seine Schwesternsatelliten zur Nachrichtenaufklärung gedacht sind. Diese Manöver in der Nähe zu den Intelsats, die auch von US-Militärs genützt werden, lässt diese nun befürchten, dass Luch-5V womöglich auch eine Nutzlast an Anti-Satellitenwaffen an Bord haben könnte. Die Eskalation setzt sich also weiter und ungebrochen fort.

Dass Luch inzwischen diese Position wieder verlassen hat - vor einer Woche war der Satellit angeblich bei 24,4 Grad West positioniert - trägt keineswegs zur Beruhigung der US-Militärs bei. Die Flugbahn ist nämlich auch für einen militärischen Satelliten ungewöhnlich. Luch war von 93 Grad Ost gekommen und hat auf seinem Weg nach Westen binnen eines Jahres in etwa 30.000 Kilometern mehr als ein Viertel des Erdumfanges passiert.