Erstellt am: 16. 10. 2015 - 15:41 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 16-10-15.
#demkokratiepolitik #medienmündigkeit
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Fünf Tage danach ist die umfassende Konsequenzlosigkeit der am Sonntag begangenen Wien-Wahl erst recht augenfällig. Nicht nur im Vergleich zu dem, womit eine aufgeheizte Öffentlichkeit gerechnet hat, ist nichts passiert, sondern auch in Relation zu dem, was eigentlich unvermeidlich sein sollte.
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Denn, sorry fürs spoilen, die Reparatur-Maßnahmen die die ÖVP die letzten Tage über vornahm, die waren pre-planned. Das Einstelligkeits-Desaster war so absehbar, die Sprüche von der Neugründung kamen derart wahlabendschnell, die Personalien waren so flott geklärt - Ablenkungsmanöver inklusive (etwa zu streuen dass Sebastian Kurz gefragt wurde und abgelehnt habe) - da wurde obviously schon länger dran gebastelt. Und zwar noch ehe der Blümel-Nachfolger sich mit seinem Kur-Ausritt rechtzeitig ins öffentliche Bewusstsein schob, also wohl schon vor August.
Neben diesem geschickt als spontan getarnten Aktions-Paket (das auch deshalb geschnürt wurde, um angesichts möglicher Veränderungen von Mitbewerbern nicht nackert dazustehen): nichts.
2
Nichts als billige Ausreden und öd-durchschaubares techsprek-Gebrabbel bei den Meinungs- und Trendforschungs-Insituten, die zwar valide Zahlen hatten, die aber (weil man's immer so gemacht hat) falsch hochgerechnet hatte. Im Gegenteil: die, die noch am ehesten nicht so daneben lagen, haben damit auch noch angegeben, wiewohl eine prognostizierte 4%-Kluft doch deutlich näher an den kreuzfalschen 2% liegt als an der Realität der 8%.
3
Nicht ein Wort der Entschuldigung bei jenen, die diese Fehlzahlen gierig aufgesaugt. übernommen und in ihr Narrativ der blutigen Entscheidungsschlacht gemünzt haben: den Medien, so gut wie allen. Angst, egal aus/in welche/r Richtung, ist ein toller Verkäufer - das war wichtig; eine realistische Einschätzung inopportun; das ist blanker populistischer Opportunismus, der vor allem bei Medien, die sich als letzte Ritter gegen ebenjene populistische Strömungen geben, doppelt bitter.
Und: nur weil eine durch den Stress der letzten Wochen aktuell gelähmte Zivilgesellschaft, und ihr Pendant, die dauerbewusstlose, in Verschwörungstheorien abtauchende Es-muassi-wos-ändan!-Protestbewegung ohne Namen, nicht auf die Idee kommen (können), so etwas einzufordern, heißt das nicht, dass die Medien derlei nicht auch aus freien Stücken unternehmen könnten: Eine flotte Aufarbeitung all dessen, was im Vorfeld schiefgelaufen ist, in der Duell-Befeuerung und anderen gezielt abgeschossenen Halbwahrheiten. Um sich selber wieder glaubwürdig zu machen.
Nicht einmal ansatzweise geschehen. Stattdessen werden die vorher für nachher zurechtgelegten Schablonen, die Metaphern von toten Städten und andere dem nächsten Angst-Narrativ dienlichen Unsinnigkeiten, einfach umgedeutet, der neuen Situation angepasst. Mit dieser Strategie machen sich die großen Verlierer von #wienwahl15, die hysterischen Medien, für die Zukunft unbenutzbar.
4
Nichts als Freude bei den Neos, wiewohl die jetzt schon das Kreuz hinter die nächste Nationalratswahl schlagen müssten: mit 7 Wiener (und 7 Vorarlberger) Prozenten allein geht sich das gesamtösterreichisch nicht einmal ansatzweise aus.
5
Nichts außer Fremdschuldzuweisungen bei den Grünen, die sich wie das weltweit erste Opfer eines sogenannten Leihstimmen-Betrugs gerieren. Dass es der SPÖ seit dem Vorzugsstimmen-Wahlkampf von Josef Cap 1983 immer wieder mit allzu offensichtlichem Augenzwinkern gelingt, verloren zu gehen drohende linke Stimmen aufzusammeln, ist ihnen entgangen. Dass es auch eine Menge über die Core-Qualität der eigenen Anhängerschaft aussagt, wenn sie sich wegen einer einzigen, ausschließlich verbalen (und keinesfalls auf Handlungen basierenden), aber klaren und eindeutigen Positionierung eines abgeklärten Silberrückens abwendet; und noch mehr über die offenkundige Uneindeutigkeit der eigenen Position und die Absurdität der im Wahlkampf gezeigten Angst durch Konkretisierung den Anschluss an eine Feelgood-Klientel zu verlieren. Dass es zuallererst eine Truppe braucht, die an die eigenen Ziele und auch den Erfolg glaubt, um Ziele zu definieren und Erfolg auch annehmen zu können, hat sich auch noch nicht wirklich bis in die Lindengasse durchgesprochen.
6
Nichts außer Ausblasen und Abtauchen bei den eigentlichen Gewinnern. Schnell den gesundgeschminkten, gesundheitlich massiv angeschlagenen Spitzenmann in Sicherheit bringen und wieder drauf vertrauen, dass die Scheiße die die anderen bauen, sie weiter nach vorne schwappt, ist auf die Dauer kein ausfüllendes Konzept. Zumal die Disco/Jugendtauglichkeit Straches in dieser Campagne bereits massive Risse aufwies und sich Kickl das Umschwenken auf eine elder-statesman-Strategie (bei der nächsten Bundeswahl ist sein Aushängeschild praktisch schon 50) nicht und nicht traut. Und: Wer allzu oft ein Duell ausruft, das dann doch keines war, lockt damit zunehmend weniger Enttäuschte hinter den Ofen hervor.
7
Nichts als lachende Erleichterung beim Wahlverlierer, der Bürgermeister-Partei: der (noch ein wenig dem Schock des falschen Exit-Polls geschuldeten) Ankündigung nach dem Sonntag keinesfalls zur Tagesordnung übergehen zu können, und die Stadtpartei (andere Interpretationslesart: die Bundes-SPÖ) rundzuerneuern, folgt schon am Tag darauf die Praxis-Bremse. Außer die durch eigene Ungeschicklichkeit (Vassilakous Rücktrittsposse) angeschlagenen Koalitionspartner einmal wochenlang am Nasenring vorzuführen, wird nichts passieren. Dass "nur" Simmering verloren ging und etwa Floridsdorf nur deshalb gehalten werden konnte, weil rechts neben der FP noch die Schimanek-Liste 5% abgriff, wird weggedrückt.
8
Nichts als Erleichterung beim Strache-Verhindern-Wahlbündnis der zivilgesellschaftlichen Aktivisten. Die sich jetzt darauf verlassen, dass die FP mit den 31% an eine gläserne Decke stößt, dass da gar nicht mehr möglich ist, das Verblassen des alternden Strache einkalkuliert und die Mutter aller Wahlen als Beleg heranzieht.
Nichts davon ist schlüssig.
Derlei glaubte man schon nach Haiders Abstieg und Ende. Letztlich kann Herbert Kickl aber eben auch den berühmten Social-Media-Ziegelstein oder unbekannte Spitzenkandidaten wie die aus Oberösterreich oder der Steiermark aufstellen und wird trotzdem die weite Mehrheit der Unzufriedenen und der potentiellen Frontopfer abgreifen. Das ist völlig charismafrei möglich; die Geilheit entwickelt sich aus dem Gemeinschaftsgefühl des Untergebutterten.
9
Mit allem war zu rechnen, im Vorfeld dieser Wien-Wahl. Auch ganz ohne mediale Zuspitzung, einfach weil nach diesem Flüchtlingssommer klar war, dass sich die Wählerschaft positionieren werde müssen. Mit allem. Nur mit der kompletten Untätigkeit, mit jeder fehlenden Konsequenz aller daran Beteiligten nicht. Das nur als Lehre für alle Hochrechner.