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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 10. 2015 - 17:05

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 14-10-15.

Wen wird Marcel Koller nächsten Juni mit nach Frankreich nehmen?

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Hier ein schöner Einblick in Marcel Kollers taktisches Konzept seit seiner Amtsübernahme 2011.

Hier eine Analyse des mentalen Aufbaus, der nach den Wolkenkuckucks-Krankl, Lasch-Hickersberger und Katastrophen-Constantini nötig war.

Siehe auch Tuesday Edition, 13-10-15: Umstellung auf die Mittelstrecke und andere Geschichten: was Österreichs Fußballvertreter bei der Euro 16 erwartet.

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Das ÖFB-Betreuerteam umfasst aktuell: Marcel Koller, Co Thomas Janeschitz, Tormanntrainer Klaus Lindenberger, Sportchef Willi Ruttensteiner, der Sportwissenschafter und Bioenergetiker Gerhard Zallinger, Teamarzt Richard Eggenhofer, die Physios Michael Vettorazzi und Mike Steverding, Sporttherapeut Chris Ogris, Kondi-Trainer Roger Spry, Sportpsychologe Thomas Graw, die Zeugwarte Jovo Marjanovic und Walter Lachnit, Teammanager Christian Schramm, die Presseleute Wolfgang Gramann und Susanne Polansky sowie Busfahrer Stefan Kutsenits. Womöglich werden zudem Experten aus dem Nachwuchs-Bereich (zb Wolfgang Luisser) hochgezogen.

Das ÖFB-Team für Frankreich 2016 hat sich mehr oder weniger bereits selber aufgestellt. Die Zahl der Akteure, die in den Quali-Spielen auf dem Rasen standen, ist höchst überschaubar. Und auch Kollers Back-Up-Varianten/Bankdrücker sind seit vielen Monaten dieselben. Und auch wenn man historisch zurückgeht: bis auf den verletzungsbedingt zurückgetretenen Franz Schiemer, Oddball Paul Scharner, Oldie Manuel Ortlechner und drei verirrte Kurzeinsätzler (Säumel, Gratzei, Bürger) in den ersten Matches, sind alle, die je unter Koller gespielt haben immer noch im erweiterten Kader dabei. Zählt man die halbwegs regelmäßig auf Abruf nominierten Spieler dazu, verfügt Koller über ein Reservoir von 50 Spielern, auf die er sofort zurückgreifen kann.

Da die Kriterien für die Nominees sich aus den stark erweiterten und sehr speziellen Ansprüchen ergeben, die so ein Turnier benötigt (und die hier gestern ausführlich Thema waren), zerfällt diese große Gruppe recht deutlich in einzelne Cluster.
Und genau genommen steht jetzt schon ein 24-Mann-Kader fest. Aber der Reihe nach:

Die Anser-Panier

... also der erste Anzug (=Panier), steht seit geraumer Zeit fast unerschütterlich fest auf dem Platz, auch bei Testspielen, auch um die Abläufe, Laufwege, Automatismen noch zu stärken.

Das sind Robert Almer im Tor, Florian Klein als rechter Verteidiger, Aleksandar Dragovic als rechter Innenverteidiger, Martin Hinteregger als linker sowie Kapitän Christian Fuchs als Linksverteidiger. Julian Baumgartlinger als tendenziell defensiver orientierter, meist halbrechts agierender Sechser (also: defensiver Mittelfeldspieler), David Alaba als dessen deutlich offensiver orientiertes Pendant auf der halblinken Seite sowie Zlatko Junuzovic zentral vor den beiden, als fluid agierendes Bindeglied. Martin Harnik rechts offensiv, Marko Arnautovic links offensiv, Marc Janko als Stoßstürmer.

Das Geheimnis dieser Elf ist zum einen das Zusammenspiel der drei Mittelfeldakteure bzw. ihre höchst wechselhafte Aufgabenverteilung. Alaba kann durch sein Vorstoßen ein druckvoll-offensives 4-1-4-1 auslösen, Junuzovic kann, wenn er sich nicht hinter, sondern neben Janko setzt, ein brutal pressendes 4-4-2 (4-4-1-1) einläuten. Zum anderen ist es der hochmoderne Spielaufbau der hinteren (mittlerweile in die Europaklasse aufgestiegenen) Achse Dragovic-Hinteregger, die durch ihre Ballsicherheit ihre Außen weit nach vorne schieben und oft auch auf das Abkippen eines Sechsers verzichten kann, was ein bis drei zusätzliche Anspielstationen bringt. Auf die potentielle Quasi-Ausfall-Gefahr Hinteregger (und die aktuell geprobte Ersatzlösung mit Prödl bin ich bereits gestern, hier unter 3C schon ausführlich eingegangen.

Die Aussichten dieser Elf sind hervorragend: Alaba ist Weltfußballer-nominiert, Baumgartlinger, Junuzovic und Harnik Kapitäne ihrer Teams, Arnautovic und Janko genießen hohes Ansehen, Klein und jüngst auch Fuchs haben sich in ihren Teams festgespielt und Robert Almer hat sich im letzten Jahr extrem stabilisiert und seine legendäre Anfangs-Unsicherheit abgelegt.

Der zweite Anzug

Die erprobten Ersatztorleute Ramazan Özcan und Heinz Lindner; Rechtsverteidiger György Garics, die Innenverteidiger Sebastian Prödl und Kevin Wimmer, Linksverteidiger Markus Suttner; der defensive Mittelfeldspieler Stefan Ilsanker, die Achter Veli Kavlak und Christoph Leitgeb und die versatilen Flügelspieler Marcel Sabitzer und Jakob Jantscher; außerdem Janko-Back-Up Rubin Okotie und der offensiv überall einsetzbare Lukas Hinterseer.

Man sieht: bis auf Junuzovic ist jeder Spieler der Anser-Panier zu ersetzen, selbst als - wie gegen Russland - mit Baumgartlinger-Alaba eine für unersetzbar gehaltene Achse ausfiel.

Die Aussichten dieser Back-Up sind wirklich gut: Özcan, Suttner, Garics und Hinterseer haben sich bei den Aufsteigern in die deutsche Bundesliga festgespielt, Prödl ist bei Watford ebenso gesetzt wie Ilsanker und Sabitzer in Leipzig, Jantscher in Luzern und Kavlak (der vor seiner jüngsten Verletzung auch bereits 2. Kapitän bei Besiktas war) in Istanbul. Okotie hat sich als Wechsel-Ass etabliert. Im Fall von Kevin Wimmer (aber auch Tormann Lindner) hält es Koller mit seinem Grundsatz, dass es besser ist bei einem Spitzenklasse-Team zu trainieren als in Österreich stammzuspielen. Sollte der Ex-Kölner im Winter von Tottenham an einen Mitbewerber verliehen werden, würde es aber nicht schaden. Das größte Fragezeichen in diesem Cluster ist die Fitness (und der Rückkehrwille) von Christoph Leitgeb.

Diese 24 Kicker müssen alle anderen, also alle im weiteren Kreis, erst einmal herausspielen.

Der weitere Kreis

Es kann schnell gehen. Zuletzt waren mit Kavlak, Leitgeb und dann auch Pehlivan die drei logischen Kandidaten für den vierten, den zentralen Mittelfeldspielern zustehenden Platz im Kader verletzt, also musste Koller auf ein Back-Up zurückgreifen. Und erinnern wir uns an die Euro 2008, als mit Payer und Gratzei plötzlich zwei Torhüter ausfielen und die nominelle Nr. 5 (Özcan) in den Kader rutsche.

Insofern ist der weitere Kreis eine Art Wartehalle für die Tafelrunde.

Am schwächsten ist das ÖFB-Team (wen wundert's angesichts der dafür Verantwortlichen Konrad, Wohlfahrt und jetzt Lindenberger...) bei den Torleuten gerüstet. Aktuell auf Abruf ist der U20-WM-erfahrene Andreas Lukse, zuvor waren es der bei Salzburg abgestürzte Cican Stankovic und Rieds Thomas Gebauer. Zu Kollers Anfangszeiten waren auch Lukas Königshofer und Jörg Siebenhandl nominiert. Michael Gspurning, Marco Knaller oder Michael Langer wurden nie seriös beobachtet.

Womöglich ließe sich aber - im Fall der Fälle, dem eines Ausfalls - aber auch Alexander Manninger für eine teambildende Rolle als 3er-Tormann zurückgewinnen.

Als Innenverteidiger hat Michael Madl den einige Zeit in Reserve gehaltenen (jetzt in den USA tätigen) Emanuel Pogatetz im Ranking verdrängt. Links ist Andreas Ulmer erster Nachrücker-Kandidat. Als Rechtsverteidiger hätte wohl Christopher Trimmel die Nase vor Stefan Lainer, weil der bei Salzburg auch zu wenig spielt.
Auch im Defensiv-Verbund ist der weitere Kreis also wenig dicht besetzt (Christopher Dibon oder Stefan Stangl können keine seriösen Optionen sein) - weshalb zwei Notvarianten anzudenken sind: zum einen kann Stefan Ilsanker auch Innenverteidiger spielen, zum anderen soll es Überlegungen mit Valentino Lazaro als rechten Verteidiger geben.

Im zentralen Mittelfeld steht Yasin Pehlivan direkt hinter den fünf im 24er-Team quasi-gesetzten. Sollte Robert Gucher, neuerdings Kapitän einer Serie A-Mannschaft, im November noch eine Test-Chance bekommen, werden die Karten neu gemischt. Stefan Schwab oder Stefan Kulovits (auch ein Kapitän, in der deutschen 2. Liga) werden auch noch von Alessandro Schöpf, dem taktisch wohl reifsten der aktuellen U21, vielleicht auch von Dominik Wydra überholt werden. Raphael Holzhauser wird sowieso übersehen.

Im offensiven Mittelfeld drängen sich dafür die Alternativen: Valentino Lazaro hat (kontinuierliche Entwicklung vorausgesetzt) die besten Back-Up-Chancen, ebenso wie Guido Burgstaller (Nürnbergs Spieler des Jahres, vielseitig einsetzbar) und auch Andreas Ivanschitz, der nicht nur alibimäßig abrufnominiert ist, sind die erstgereihten, noch vor Michael Liendl, Robert Zulj. Ein Shooting-Star-Szenario könnte noch Louis Schaub oder Florian Grillitsch hochhieven, eher nicht Florian Kainz und Philipp Schobesberger oder Alexander Gorgon und Alexander Grünwald.

Im Angriff sind die Positionen klar besetzt: Andreas Weimann hat die Nase vorn, weil Philipp Zulechner zu wenig Einsatzzeit bekommt, Marco Djuricin sich erst wieder aus seinem Tief rausziehen muss und Philipp Hosiner bei Koller wegen seiner Spielanlage nicht gut gelitten ist, Jimmy Hoffer schon gar nicht. Wenn Michael Gregoritsch sich beim HSV etabliert, überholt er eh alle aus dem Stand.

Und überhaupt: für medial sichtbare Legionäre in Deutschland (Geheimtipp: Lukas Gugganig) ist, die entsprechende Aufmerksamkeitsökonomie vorausgesetzt, noch etwas möglich. Für solche in weißfleckigen Regionen (Martin Pusic, Daniel Royer, Markus Berger, Adthe Nuhiu) gibt's keine Chance.
Auffällige Ligakicker wie Karim Onisiwo haben dann eine Mini-Chance, wenn sie im Winter ins Ausland wechseln und schnell andocken. Vereinstreue Akteure wie Patrick Farkas fallen da raus.
Der Knackpunkt für die aktuelle U21 (also Gregoritsch, Schöpf oder andere) sich in einen medialen Vordergrund zu spielen, wird die Begegnung mit Deutschland am 17. November sein.

Fazit

Die Top 24 (fett) stehen also ebenso fest wie der weiteste Kreis von etwa 50 (kursiv). die Chancenlage auf ein Finalticket ist also klar, auch das informelle Ranking recht übersichtlich: eine hervorragende Voraussetzung für eine sinnvolle und halbwegs friktionsfreie Kadererstellung. Bis auf ganz wenige, dann aber auch seit jeher beiseite gelassene Akteure, haben alle Infragekommenden Chancen bzw Gesten erhalten, eine radikal-komplette Ablehnung wie etwa die Kießlings durch Löw gibt es bei Koller nicht.

Es sind für alle also noch zwei Trainingslager und die dazugehörigen Testspiele Zeit um sich zumindest in die Nähe des Kaders zu spielen. Und da Koller angekündigt hat das November-Camp auch wieder nur mit 23 Leuten zu bestreiten, wird es keine speziellen Handreichungen geben.

Kollers Interesse gilt ab jetzt weniger dem für ihn de facto feststehenden Personal, sondern dem verstärkten Teambuilding, dem immer noch weiter verbesserten Kennenlernen seiner Kerngruppe, der Verschworenheit auf und abseits des Platzes. Personalspekulationen sind die Lieblingsbeschäftigung von Medien, vor allem des Boulevards, weil die keine Lust haben sich mit Taktik bzw. Strategie auseinanderzusetzen. Koller wird in dieser Hinsicht aber null Angriffsfläche bieten.