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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

13. 11. 2015 - 14:45

FAQ zu Flüchtlingen

Tausende Flüchtlinge sind in den letzten Wochen in Österreich angekommen. Wie geht es weiter für jene, die hierzulande einen Antrag auf Asyl stellen?

Gilt das Fremdenrecht noch? Die Frage könnte man dieser Tage dem Innenministerium stellen. Ja natürlich, lautet die Antwort, und: Es passiere nichts, was nicht im Gesetz vorgesehen wäre, heißt es aus dem Innenministerium mit Verweis auf das rechtsstaatliche Grundprinzip der Verhältnismäßigkeit. 72.728 Menschen stellten zwischen 1. Jänner und 8. November 2015 einen Asylantrag in Österreich.

Wer ist asylberechtigt?

Asyl wird Menschen gewährt, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden. Völkerrechtliche Grundlage des Asylrechts ist die Genfer Flüchtlingskonvention. "Die im Übrigen besagt, dass das Recht auf Asyl solange besteht, solange die Asylgründe bestehen. Auch sagt die Genfer Flüchtlingskonvention nichts zu Kontingenten. Darum wäre die europäische Ebene gefragt", erklärt die Grazer Rechtsanwältin Susanna Ecker.

"Wenn ich also aus einem Land fliehe, in dem Krieg ist, aber ich persönlich nicht verfolgt werde, bin ich nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht geschützt", erklärt die Juristin. "Es ist der- oder demjenigen aber auch nicht zuzumuten, in ein Kriegsgebiet zurückzukehren. Die Person würde subsidären Schutz erhalten und dürfte damit in einem sicheren Land verbleiben, bis die kriegsartigen Zustände oder die Zustände, vor denen sie oder er geflohen ist, aufgehört haben werden."

Zur Beschleunigung der Verfahren und zur Entlastung des Systems erachtet es die Juristin als sinnvoll, beispielsweise derzeit SyrerInnen, in deren Land der Bürgerkrieg eine Tatsache ist, diesen subsidären Schutz zu gewähren. Menschen fliehen nicht grundlos und würden an und für sich wieder zurückkehren, - vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.

Flüchtlinge in einem beheizten Zelt in Spielfeld und ehrenamtliche Helfer des "Team Österreich"

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Was ist dieses "Dublin"?

Die sogenannte Dublin-Verordnung legt Kriterien und Verfahren zur Bestimmung jenes Mitgliedsstaats der Europäischen Union fest, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist. Damit will die Europäische Union sicherstellen, dass jeder Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wird. Mittlerweile gilt die Dublin-Verordnung, die mit 19. Juli 2013 in Kraft trat, kurz Dublin III genannt. Deutschland hatte Dublin III für syrische StaatsbürgerInnen seit August vorübergehend ausgesetzt.

Wer ist für Asylanträge zuständig? Bei wem machen die Flüchtlinge ihre Einvernahme?

Susanna Ecker

Susanna Ecker

Krise?

Die Grazer Menschenrechtsanwältin Susanna Ecker weigert sich, von einer Flüchtlingskrise zu sprechen. Neben Asylrecht ist sie spezialisiert auf Familienrechte, Opferschutzrechte und Kinderrechte.

"Ich finde, es ist keine Krise, sondern eine Haltungsfrage, wie wir uns zu Menschen auf der Flucht aufstellen. Dazu gibt es diesen Vertrag, die Genfer Flüchtlingskonvention, an den Österreich gebunden ist. Österreich hat auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterschrieben."

Aus ihrer Praxis kennt Ecker Menschen, die vor zwanzig Jahren vor dem Krieg im Balkan geflohen sind und jetzt die Aufforderungen erhalten, in ihre Ursprungsländer zurückzukehren.

Die Erstbefragung erfolgt durch die Polizei, es ist eine Amtshandlung für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Einen Asylantrag stellt man, indem man nach Österreich kommt und hier bei jedem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde erklärt, den Anspruch auf Asyl in Österreich geltend machen zu wollen. Die Polizei nimmt dann die Daten auf, sie nimmt auch den Fingerabdruck und muss die Daten weiterleiten.

Das Interview erfolgt beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. "Da wäre es wichtig, dass das Interview möglichst zeitnah stattfindet. Es gibt gewisse Bearbeitungszeiten. Wünschenswert wäre, wenn das Interview innerhalb der ersten drei bis sechs Monate ab Stellung des Asylantrags stattfinden würde, weil dann geprüft werden kann: Ist der Flüchtling ein Flüchtling nach der Genfer Konvention oder kann man ihr oder ihm subsidären Schutz zuerkennen?", so Susanna Ecker.

Wo werden Fingerabdrücke der Flüchtlinge gespeichert?

Die Fingerabdrücke werden in der EURODAC Datenbank gespeichert. Dass Fingerabdrücke genommen werden, ist Teil des Verfahrens, um prüfen zu können, ob es seitens des Asylwerbers/der Asylwerberin schon einen Asylantrag in einem anderen sicheren Drittstaat gibt.

Können Flüchtlinge zu jedem Polizisten sagen, sie möchten Asyl in Österreich? Und entscheidet dieser Polizist dann, ob er den Antrag annimmt oder nicht?

Der Asylantrag kann bei jedem Polizisten deponiert werden. Dieser kann nicht entscheiden, ob er den Antrag annimmt oder nicht. Theoretisch kann er an die nächste Polizeidienststelle verweisen, wenn er etwa auf der Straße steht. Aber PolizistInnen dürfen keinen Antrag ablehnen und sich für nicht zuständig erklären.

Und der erste Polizist/die erste Polizistin, an den sich ein Flüchtling wendet, entscheidet auch nicht, ob der Flüchtling zum Asylverfahren zugelassen wird?

Nein. Die Polizei darf auch nicht prüfen, ob der Flüchtling aus einem sicheren Drittstaat kommt oder nicht. Die Polizei darf die Daten aufnehmen und müsste dann schauen, dass der oder die AsylwerberIn, die der Flüchtling dann schon ist, in ein Quartier kommt, wo der Antrag dann weiterbearbeitet wird. Die Weiterbearbeitung des Asylantrags erfolgt durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Es ist möglichst schnell zu prüfen, ob die Person zum Asylverfahren in Österreich zugelassen oder ob sie zurückgeführt wird in den sicheren Drittstaat, aus dem sie gekommen ist.

Soldatin mit einem Flüchtlingsbuben, um sie herum stehen weitere Soldaten, ehrenamtlicher Dolmetscher und ein erwachsener Flüchtling im Transitbereich in Spielfeld

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Ohne ehrenamtliche HelferInnen wäre die derzeitige Situation schwer vorstellbar. Vor allem ÜbersetzerInnen sind gefragt.

Ist es möglich, dass Flüchtlinge, die es aus Ungarn nach Österreich geschafft haben, wieder nach Ungarn abgeschoben werden?

Ja, wenn Dublin III vollzogen wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat Abschiebungen nach Ungarn nicht gestoppt. Man muss davon ausgehen, dass die österreichischen Asylbehörden sehr bald wieder nach Ungarn abschieben werden. "Da es in Ungarn Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtlinge gegeben hat, wird zu prüfen sein, ob man Menschen nach Ungarn zurückschicken und behaupten kann, dass sie dort ein faires Asylverfahren bekommen, bei dem alle Rechte gewahrt sind", sagt Susanna Ecker.

Karl-Heinz Grundböck

Innenministerium

Karl-Heinz Grundböck

Indes erklärte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto diese Woche das Dublin-System für tot und lehnte die Rückkehr von Flüchtlingen nach Ungarn kategorisch ab. Im Hinblick auf Ungarn werden die Dublin-Verfahren geführt, in den letzten Wochen hat aber keine Rückführung nach Ungarn stattgefunden, so die Auskunft des Innenministeriums.

Gibt es Anhaltspunkte, dass die Verfahrenszuständigkeit nicht in Österreich, sondern einem anderen Land liegt, werden Konsultationsverfahren mit diesem Land geführt. "Diese Konsultationsverfahren werden geführt - auch mit Ungarn. Einzig mit Griechenland nicht, da nach Griechenland generell nicht rückgeführt wird", sagt Karl-Heinz Grundböck. Die Verfahren werden geführt. Ob es tatsächlich eine Rückführung gibt, ist auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit.

Dass Menschen, die von Slowenien nach Österreich und weiter nach Deutschland gekommen sind, nach Slowenien zurückgeschickt werden, ist sehr wahrscheinlich?

"Ja. Damit ginge ein Wellenprinzip los: Wenn Deutschland Menschen nach Österreich zurückschickt, schickt Österreich sie nach Slowenien, und Slowenien schickt sie nach Kroatien zurück. Das Problem verlagert sich dann jeweils an die Außengrenzen. Europäische Solidarität ist dringend gefordert, weil man das Problem immer nur ins nächste Land verschiebt und nie behebt", sagt Susanna Ecker. Würde man Dublin III streng nach den Buchstaben des Gesetzes vollziehen, müsste man die Flüchtlinge nach Griechenland - das erste Land, das sie in der Europäischen Union betreten haben, - zurückschicken.

Macht es einen Unterschied, in welchem österreichischen Bundesland der Antrag auf Asyl gestellt wird? Gibt es Unterschiede in Bezug auf die Bearbeitungszeit?

Das sollte nicht so sein. Es ist aber der Fall. Die Steiermark weist im Moment die längsten Bearbeitungszeiten Österreichs für Asylverfahren aus. Das Innenministerium führt Statistiken.

Worauf haben Flüchtlinge Anspruch, wenn sie ihren Asylantrag in Österreich gestellt haben?

"Sofern entschieden wird, dass Österreich für das Verfahren zuständig ist und sie nicht aus einem sicheren Drittstaat kommen, haben sie den Anspruch darauf, Grundsicherung, also den Anspruch auf Wohnversorgung erhalten. An und für sich kommen Flüchtlinge bzw. AsylwerberInnen ab Stellung des Asylantrages auch in die Grundversorgung und haben Anspruch darauf, in einem Erstaufnahmezentrum aufgenommen zu werden. Was im Moment nicht ganz funktioniert, weil es offensichtlich zu wenige Quartiere gibt und die Neuschaffung von Erstaufnahmequartieren nur sehr schleppend vor sich geht", sagt Ecker. "Da sehe ich Handlungsbedarf."

Obdachlosigkeit sollte nicht vorkommen, aber sie kommt zurzeit jeden Abend etwa in Traiskirchen vor. Ehrenamtliche HelferInnen versuchen, die obdachlosen Flüchtlinge in Notschlafstellen unterzubringen.

Was derzeit auch vorkommt: In Graz gibt es ein Transitquartier, in dem Menschen, die ihren Asylantrag hierzulande gestellt haben, dauerhaft verbleiben. Die Halle in einem ehemaligen Einkaufszentrum ist nur ein Transitquartier, in dem Menschen versorgt werden, bis sie weiterreisen wollen. Das Rote Kreuz und die Caritas sind zuständig, und auch das Team Österreich hilft mit, die Versorgung der Menschen zu gewährleisten.

"Das ist hier etwas, wo in einer etwas krisenhaften Situation, die wir derzeit haben, aufgrund der stark weiter gestiegenen Asylanträge Menschen, die nicht in einem Asylquartier aufgenommen werden können, behelfsmäßig unterkommen können", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums.

Das Innenministerium erklärt sich für die Transitquartiere nicht zuständig

"Das stimmt. Die Zuständigkeit fängt dort an, wo Menschen, die schon in die Bundeszuständigkeit gehören, in diesen Transitquartieren sind", sagt Susanna Ecker. Ab Stellung des Asylantrages in Österreich haben sie Anspruch, in einem Erstaufnahmezentrum untergebracht zu werden. "Ganz wichtig ist dabei, dass sie auch eine Postzustelladresse haben, die funktioniert: Denn wenn den Menschen ihre Post nicht zukommt, stoppt das Asylverfahren. Und das ist ein Zustand für die Menschen, der unhaltbar ist."

Ankunft in Österreich: Mann mit zwei Kindern betritt österreichisches Staatsgebiet, an Trennzaun stehen Soldaten

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Ankommen auf österreichischem Staatsgebiet in Spielfeld

Müssen Flüchtlinge in den zugewiesenen Quartieren verweilen?

Wenn ein Grundversorgungsquartier zugewiesen wird, ist dieses nach geltendem Recht auch verpflichtend zu beziehen. Es gibt keine Wahlmöglichkeit eines Quartiers oder eines Bundeslandes, so der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck. Befolgen Flüchtlinge diese Grundzuweisung nicht, können sie aus der Grundversorgung ausgeschlossen werden. Für die Verfahrensdauer sollten bzw. müssen die Personen in den Quartieren verweilen, da ihnen dort auch die Post zugestellt wird. Wer nicht verweilt oder untertaucht, riskiert, dass das Asylverfahren zu einem Stillstand kommt.

Können Flüchtlinge das Bundesland wechseln?

Zunächst dürfen die Menschen den Sprengel nicht verlassen, in dem sie den Asylantrag gestellt haben. Der Sprengel ist oft der Sprengel der Bezirkshauptmannschaft. Sobald sie anerkannte Flüchtlinge sind oder subsidären Schutz haben, können sie sich frei bewegen. Auch zu beachten: Durch die Zuweisung in einem bestimmten Quartier in einem Bundesland begründet sich auch die Verfahrenszuständigkeit bei einer bestimmten Regionaldirektion des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

Was wäre der Fall, wenn jemand hierherkommt, Flüchtling ist und finanzielle Mittel hat, auf die sie oder er noch zugreifen kann?

Kann man sich aus eigenen Mitteln versorgen, hat man keinen Anspruch auf Grundsicherung. Auch gibt es keine Verpflichtung, die Grundversorgung in Anspruch zu nehmen. "Diesbezüglich müsste man überlegen, ob strenge Anforderungen an mehrjährige und unkündbare Mietverträge, wie sie im Moment bestehen, aufgelockert werden, um auch diese Quartiersituation zu entschärfen. Denn selbstverständlich kann ich selbst mieten, wenn ich das kann", sagt Susanna Ecker, die sich in diesem Bereich mehr Privatautonomie und Flexibilität wünscht.

Dürfen Flüchtlinge im schulpflichten Alter die Schule besuchen?

Zuständig sind die LandesschulinspektorInnen. Die Frage der Schulpflicht richtet sich nach den Entscheidungen der Bundesländer. So kann es sein, dass um Asyl werbende Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter erst den Unterricht besuchen dürfen, wenn sie länger als sechs Monate in Österreich sind. Das Recht auf Bildung für alle Kinder ist in der UN-Kinderrechtskonvention vorgesehen, die von der Republik ratifiziert wurde.

Für Jugendliche älter als 15 Jahre wird es interessant: Haben die Flüchtlinge eine Berechtigung, eine fortführende Schule zu besuchen? "Da gibt es zwei Antworten. Die Praxis sagt im Moment: Nein", weiß Ecker. "Menschenrechtlich gibt es das Recht auf Bildung und das Recht auf Arbeit und das Recht, eine Lehre zu machen. Dann muss man selbstverständlich sehen, dass man unbegleitete Minderjährige in ein System der Bildung und der Lehre einbindet."

Dürfen Flüchtlinge arbeiten?

Nein. Grundsätzlich haben sie keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Ausnahmsweise dürfen sie für Kommunen im Rahmen von gewissen Tätigkeiten arbeiten und manchmal gibt es Ausnahmegenehmigungen in der Landwirtschaft und im Gastgewerbe, die zu bewilligen sind und für die es Kontingente geben muss. Ist jemand anerkannter Flüchtling in Österreich oder wurde der Person subsidärer Schutz zugesprochen, hat sie bzw. er Zugang zum Arbeitsmarkt.

Wer keinen Aufenthalt in Österreich zugesprochen bekommt, kriegt die Aufforderung, nach Hause zurückzukehren, oder sie/er wird auch abgeschoben. Die Caritas hat eine Rückkehrhilfe, die ganz gezielt Beratungen für Menschen anbietet, die zurückkehren wollen.