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Ali Cem Deniz

Das Alltagsmikroskop

13. 10. 2015 - 14:00

Facebook ist tot?

Facebook langweilt und nervt. Dennoch nutzen mehr Menschen als je zuvor das soziale Netzwerk und die Herausforderer scheitern kläglich. Wieso eigentlich?

Als 2010 Diaspora angekündigt wurde, war die Aufregung groß unter den Facebook-Usern, die sich um ihre Privatsphäre sorgten und genug von der personalisierten Werbung hatten. Diaspora hätte das Anti-Facebook werden sollen, ohne Werbung dafür mit Datenschutz. Einer der GründerInnen hieß Max Salzberg. So anti-facebook war das Projekt. Letztendlich war aber auch der Erfolg der Plattform anti-facebook, und fünf Jahre später ist Diaspora eine Geisterstadt.

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    Dass Diaspora als kleines Start-Up Facebook nicht verdrängen konnte, ist keine große Überraschung. Doch auch ambitionierte Projekte mit Riesenbudget sind im Konkurrenzkampf mit Facebook kläglich gescheitert. Das berühmteste und berüchtigste Beispiel ist Google Plus. Vielen Usern ist das soziale Netzwerk des Suchmaschinenriesen als Zwangsgeschenk zum YouTube-Account bekannt.

    Plus wurde 2011 gestartet und wollte mit neuen Features die NutzerInnen locken. Eine Besonderheit sind die sogenannten „Kreise“, die AnwenderInnen unkompliziert aus ihren eigenen Interessensbereichen erstellen können. Das hätte auch ziemlich praktisch sein können, nur fehlten die Menschen, die Inhalte produzieren und verbreiten.

    Also griff Google zu den schweren Waffen und verknüpfte die vielen Youtube-Accounts mit Plus. Nur mühsam konnten die Youtuber den neuen Plus Account deaktivieren, um dann festzustellen, dass essenzielle Youtube-Funktionen wie Playlists nicht mehr vorhanden waren. Auch für andere Google-Apps war ein Plus Account erforderlich.

    Die Chat-App Hangouts, Googles Whatsapp Alternative, erlaubte nur Plus Usern Profilbilder und das Verschicken von Fotos. Erst dieses Jahr wurden die Zwangsverknüpfungen von Google aufgehoben. Google will Plus zwar noch nicht ganz aufgeben, aber es ist klar, dass das Netzwerk nie eine ernste Bedrohung für Facebook werden kann.

    Der Friedhof der Facebook-Killer

    Nicht zu vergessen sind die sozialen Netzwerke, die selbst von Facebook gekillt wurden: MySpace und StudiVZ sind heute Running Gags.

    Aktuell versucht Ello, ähnlich wie Diaspora, mit dem Spruch „You are not a product“ die werbefreie und nach eigener Beschreibung „schönere“ Alternative zu Facebook zu sein. Allerdings ist das Netzwerk, das erst vor einem Jahr gestartet wurde, ebenso wie Diaspora, App.net, Path oder Microsofts So.cl in Vergessenheit geraten, bevor es sich überhaupt richtig ausbreiten konnte.
    Wenn man sich die öffentlichen Profile auf Ello anschaut, sieht man vor allem Menschen, die „was mit Medien“ machen und moderne Kunststücke teilen. Ello wird wohl auch kein Facebook-Killer werden.

    Erfolg haben heute nur Anwendungen und Netzwerke, die gar nicht direkt mit Facebook konkurrieren wollen, wie Instagram, Whatsapp, Snapchat, Twitter, Pinterest, Tumblr oder das hauptsächlich in den USA bekannte Reddit. Keine von diesen Netzwerken bietet das Gesamtpaket Facebook. Stattdessen spezialisieren sie sich auf bestimmte Inhalte.

    Facebook will alles

    Facebook hingegen will sein Angebot sogar noch erweitern. Mit 1,3 Milliarden Usern hat das Netzwerk unglaublichen Traffic und setzt in Zukunft noch mehr auf klassische Medien. Die sollen statt auf ihren eigenen Internetseiten, ihre Inhalte direkt auf Facebook stellen. Dafür bekommen sie mehr Aufrufe und müssen sich nicht mit den Kommentaren plagen.

    Es nicht überraschend, dass Facebook eine Reihe an Empathie-Buttons einführen möchte, mit denen User Artikel effektiver bewerten können als mit dem bisherigen Like-Button. Allerdings wissen wir, dass Facebook im Umgang mit Hetze und Hass-Kommentaren selbst nicht besonders erfolgreich ist. Ob da neue Buttons Verbesserungen bringen können ist eher fragwürdig.

    Das Aufblähen des Netzwerks ist für die Menschen praktisch, die ohnehin keine andere Seite besuchen als Facebook. Für alle anderen kann das aber schnell zu monoton werden.Facebook ist heute definitiv das neue AOL, und das kommt dem Tod schon verdammt nahe.

    FM4 Auf Laut - Facebook ist tot?

    Hasskommentare überfluten die Diskussionen, Tanten, Onkeln und Großeltern spammen die Timeline mit Hoax-Meldungen und irgendwo in der Ecke lauert immer eine umheimlich personalisierte Werbung.

    Nach über zehn Jahren als Speerspitze der sozialen Netzwerke leidet Facebook an Alterserscheinungen. Facebook wagt keine Risiken und große Änderungen werden immer seltener. Der lang erwartete Dislike-Button, soll jetzt in entschärfter Form eines Empathie-Buttons kommen, damit die User nicht gezwungen sind tragische Ereignisse zu „liken“.

    Die Gesamt-Userzahlen wachsen noch, aber die Jungen wandern aus: Instagram, Whatsapp, Snapchat und Dating-Apps wie Tinder ersetzen das veraltete Gesamtpaket Facebook.

    Ist Facebook schon tot oder nur im Koma? Wie kann die Reanimierung ausschauen? Über diese Fragen diskutieren Conny Lee und Social-Media Expertin Judith Denkmayr mit Anruferinnen und Anrufern in der wöchentlichen
    Diskussionssendung FM4 Auf Laut. Heute ab 21 Uhr, live auf FM4.

    Ruf an und diskutiere mit unter 0800 226 996. Natürlich sind wir auch weiterhin über Facebook erreichbar.