Erstellt am: 12. 10. 2015 - 18:56 Uhr
TV Overload
FM4 in Serie
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"There's simply too much television", hat FX Networks CEO John Landgraf kürzlich gesagt. Wir wollen ihm das nicht glauben, alles anschauen kann man sich trotzdem nicht. Es folgt eine Kurzübersicht über aktuell neu angelaufene Shows und Staffeln.
Willkürlich zusammengestellt und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Zu ausgewählten Themen gibt's auch in Zukunft ausführlichere Einsichten und Erkenntnisse.
American Horror Story: Hotel
Nach den Themenkreisen Haunted House, Sanatorium, Hexenzauber in New Orleans und Freak Show in den ersten vier Staffeln nimmt sich die Anthology-Show von Ryan Murphy im fünften Durchgang also dem tollen Schreckensort "Hotel" an.
"Horror" und "Hotel" – diese Kombination erweckt eine übermächtige Assoziation – weshalb in der ersten Episode der neuen Staffel sehr schnell das Wissen um den Schatten von "The Shining" abgefrühstückt werden muss. Der Teppich gleicht im hier von Kathy Bates mit strenger Hand geführten Hotel freilich jenem im Overlook Hotel von Kubrick. Es gibt kleine Kinder, die in langen Korridoren stehen und glotzen.
"AHS" ist wieder einmal ein Friedhof der Zeichen geworden: "Village of the Damned", Blutsauger, Fetisch-Ästhetik aus 90er-Jahre-Industrial-Pop- und Alternative-Musikvideos, es wird ungewollter Geschlechtsverkehr mit dem zugespitzten Metall-Dildo vollzogen. In die erste Episode wird alles reingeschmissen, was Platz hat, Heroin, Lady Gaga spielt eine Hauptrolle.
Interessant ist da ein Kriminalfall, der bislang noch vornehmlich außerhalb des antik verstaubten und rustikal heruntergekommenen Hotels spielt: Wes Bentley gibt einen aufgewühlt durch ein schwitziges Los Angeles gleitenden Familienvater und Cop in Anzug und Krawatte, der einem Mörder nachspürt, der seine Opfer gerne Se7en-haft okkult motiviert und symbolbeladen drapiert. Doch auch dieser Cop hat wohl Geheimnisse im Lebenslauf jucken.
Das alles spritzt und glänzt vor Fett, und macht nach wie vor Spaß - bloß gruseln muss man sich lange schon nicht mehr. Angst haben darf man aber.
The Player
Der Triumph des sympathischen Douche-Bags. Eine Prämisse, in der sich Verschwörungstheorie, Totalüberwachung und der endgültige Hedonismus zu einer steilen Action/Thriller/Mystery-Serie mischen.
The Player
Ein knautschgesichtiger, muskelbepackter Sicherheitsexperte mit soldatischer Vergangenheit wird in Las Vegas von einer undurchsichtigen Geheimorganisation (am Ruder: ein bemüht virtuos aufspielender Wesley Snipes) zu ihrem "Player" erkoren: Mittlerweile seien, so sagt uns die Show, Verbrechen mit relativer Sicherheit vorhersehbar, Internet etc., der "Player" soll das Gröbste verhindern, jedoch nicht aus purer Menschlichkeit – vielmehr wetten die Superreichsten der Superreichen zu ihrem Privatvergnügen auf den Ausgang der Missionen.
All dies erfährt man in "The Player" aus gestelzten Dialogen, in denen besonders unsubtil alles zu Ende erklärt wird. Ebenso wird die Backstory der Charaktere wie im Vorbeigehen in einem oft einzigen Satz dargelegt, in einer Sprache, die niemand spricht: "Hey, Ex-Wife!" - so funktioniert hier Figurenzeichnung.
Aber es kracht. Verfolgungsjagden in Boxershorts, Explosion, Fallschirmspringen ohne Fallschirm. Realistisch wie das "A-Team" und ein James Bond mit Timothy Dalton. Solides Blockbuster-Entertainment für die C-Movie-Abteilung im Straight-To-Video-Segment.
The Grinder
In der Comedy "The Grinder" gibt der immerjunge und viel zu gut aussehende Rob Lowe eine vage Variation seiner Figur Chris Traeger aus "Parks and Recreation": Ein positiver und wohlmeinender Luftikuss, körperbetont, selbstverliebt und ein bisschen naiv.
Die Vorgeschichte zur Handlungsgegenwart der Show macht in "The Grinder" eine fiktive TV-Show namens "The Grinder": Der von Lowe verkörperte Schauspieler Dean Sanderson, Jr. war hier über mehrere fiktive und hocherfolgreiche Staffeln hinweg als rob-lowe-hafter Charmebolzen von einem Rechtsanwalt unterwegs, dem es schlicht unmöglich war, einen Fall nicht zu gewinnen. "The Grinder rests", ist sein Lieblingssatz.
Nach dem Ende des fiktiven "The Grinder" sieht sich sein Darsteller nun orientierungslos und zieht bei der Familie seines kleinen Bruders (Fred Savage) ein, der tatsächlich Anwalt ist. Da kann man sich schon die Reibungen ausmalen.
Der "Grinder" weiß nicht wohin und was sonst und sehnt sich nach seinem alten Glanz. So folgt er seinem Bruder in Kanzlei und Gerichtsgebäude, um gegen dessen Willen bei Fällen mit "Grinder"-Charme auszuhelfen. Das bedeutet: Charisma, Cheesiness, Bezirzen der Anwesenden, treudoofer Optimismus, das Aufsagen von speziell melodramatischen Drehbuchpassagen, Schönheit. Von der echten Juristerei hat der "Grinder" nämlich freilich kaum eine Ahnung.
Das ist bislang der einzige Witz von "The Grinder", den die Show in den bisher zwei ausgestrahlten Episoden brav durchbuchstabiert. Literally, noch Möglichkeit nach oben.
The Muppets
Glückliche Brauchtumspflege und Nostalgie mit moderneren Mitteln. Die neu aufgelegten "The Muppets" bemühen sich in augenzwinkernder Selbstbespiegelung und Meta-Künstlerei, die schon so deutlich ausgestellt ist, dass jeglicher verschwörerische Mehrwert flöten geht.
The Muppets
Nasenmann Gonzo beschwert sich über die längst schon öd gewordenen Mechanismen der Mockumentary - selbstredend in einem Segment, das den hauptcharakteristischen Merkmalen der Mockumentary nachmodelliert ist: Dem neben der Haupthandlung stehenden Einzelinterview in der Show, in dem ein Protagonist diesen und jenen Standpunkt vertritt - im sofortigen Gegenschnitt hinein in den Plot widerspricht er dann sogleich durch Handlungen und Worte in witzig gemeinter Brechung dem Ebengesagten.
So schlimm ist das nicht, besser ist "The Muppets", wenn es schlicht dem Chaos hinter den Kulissen einer fiktiven TV-Show (wann kommt die Serie über die Macher einer Show über das Making-Of einer Dokumentation über eine Reality-Show?) folgt: Die mit Grandezza und Diva-Parfüm wie eh und je bestäubte Miss Piggy hat jetzt nämlich eine Late Night Talk Show, Fozzie, der Bär, datet eine menschliche Frau, was deren Eltern wiederum nicht gefällt, der schwedische Küchenmeister macht Sushi, alles explodiert, der liebe grüne Freund Kermit muss alles zusammenhalten.
Homeland, Staffel 5
Wenn Carrie Mathison ihre Sonntagnachmittage nicht gerade im Berghain wegravet, ist die Topagentin diesmal in beruflicher Mission in Berlin unterwegs. Nach einem Tief in Staffel 3 und einer Rückkehr zur Form in Staffel 4 scheint es weiter bergauf zu gehen. Wer war Brody?
Standesgemäß weiß man eine ganze erste Episode lang kaum, um was es hier gehen soll, konstante intermenschliche Spannung und Mulmigsein liegen in der Luft. Saul ist ehrlich sauer – diesmal aber wirklich – auf Carrie, Quinn sprengt und Berlin liegt so richtig berlinmäßig da: Es gibt Graffiti und Fahrräder. Episode Zwei bringt die guten "Homeland"-Top-Ingredienzen. Turbulenz, Wahnsinn, Stress, Stress, Stress.
Einen wunderlichen, fast schon surrealistischen Höhepunkt aus der ersten Folge der Staffel lässt das nicht vergessen: Carrie spricht in Berlin eine Frau auf der Straße folgendermaßen an: "Fräulein!". Nicht etwa mit: "Entschuldigung", "Hallo", "Hey!", "Verzeihung", "Excuse me" oder mit einer der fünfzig anderen wahrscheinlichen Grußformeln.
Man mag "Homeland" jedes Attentat, jede Verschwörung, jeden Twist, jede Spezialintrige und jeden Dreifach-Agenten abnehmen, nicht aber, dass Carrie, diese gewiefte und erratische Top-Erfüllerin, spätestens nach fünf Sekunden vor Ort nicht im Stande sein soll, die üblichen Gepflogenheiten eines neuen Einsatzgebietes im Medikamentenrausch herunterzubeten.
Life in Pieces
Im Andenken an "Arrested Development", "Modern Family", "Transparent". Die Großeltern, drei erwachsene Kinder und ihre jeweiligen Ehen und Affären, die Kinder, vom Baby bis zum College-Freshman.
Life in Pieces
Die seltsame, aber doch recht liebenswerte Großfamilie hat wieder allerlei Probleme mit Sex, Liebe, sich selbst und vor allem dem Familiesein an sich. "Life in Pieces" beackert souverän altbekanntes Terrain und bemüht sich immerhin, formal interessant zu sein: Jede der 20-minütigen Episoden ist in vier Mini-Episoden, meist inhaltlich voneinander unabhängig, unterteilt. Im Regelfall werfen drei davon den Blick auf jeweils eine Teilfamilie des Clans, in der vierten kommen alle und alles irgendwie zusammen. Das gibt Rasanz.
Eine starke Cast (James Brolin, Colin Hanks, Betsy Brandt, Hanks Ehefrau aus "Breaking Bad", Dan Bakkedahl aus "Legit") absolviert so also unangenehme Familiendinner und lässt sich gegenseitig beim Sex erwischen. Oft etwas bieder, dann wieder bemüht edgy, meistens doch sehr lustig.
Wenn drei Männer der Familie mit nacktem Oberkörper und den eigenen Händen, in einem besonders männlichen Ritual versuchen einen Baum zu fällen, sich dabei besonders urig vorkommen und scheitern, und ihre Frauen ihnen augenrollend zusehen, ist das relatives Gold. Dazu läuft "I need a hero" von Bonnie Tyler. Die Macher von "Life in Pieces" haben die Show mit folgendem Wort gepitcht: "Quirky".