Erstellt am: 10. 10. 2015 - 17:57 Uhr
"Everything continues"
steirischer herbst,
bis 18. Oktober 2015, Graz, Hart bei Graz, Leoben und Vordernberg
"Can you tell me the story of your life?" Wer diese Frage stellt, will einen so schnell nicht loswerden. So am Telefon gefragt, antwortete Enseblemitglied Kristin Worrall ihren KollegInnen vom Nature Theater of Oklahoma mit ihrer Lebensgeschichte. Am Ende des ersten Telefonats war Worrall bei ihren Erinnerungen als Achtjährige angelangt. Also telefonierten Pavol Liska und sie nochmal. In insgesamt zehn Telefonaten und in 16 Stunden erzählte Kirsten Worall "the story of her life".
Daraus entwickelten Kelly Copper und ihr Kollege Pavol Liska eine ganze Serie an Theaterarbeiten: Die heißt "Life And Times" und hat sich von Stücken hin zu Filmen und einem Video entwickelt. Beim steirischen herbst ist das Nature Theater of Oklahoma immer wieder zu Gast. Der Fan-Block ist derart angewachsen, dass vergangenen Sonntag im Innenhof des Schubert-Kinos gerade noch Platz genug war, um im Gewusel nicht zu viele Sektgläser unabsichtlich zu streifen. Trotzdem zerschellten nicht wenige am Boden. Vielleicht war es auch die fröhliche Aufregung im Publikum. Der Gala-Abend mit dem Nature Theater of Oklahoma begann nachmittags und endete spätabends mit der Uraufführung von Episode 9: In Graz drehten die SchauspielerInnen ein Rap-Video. Siebzehn Minuten, alle Hit-Melodien und Rapper-Klischees berücksichtigend und selbstverständlich aus den Erfahrungen Kirstin Worralls schöpfend.
Nature Theater of Oklahoma
Bisher zum steirischen herbst
Das erste Yeah
Mitten im Eröffnungswochenende des steirischen herbst der erste Höhepunkt.
Luise, 37
Sie gehören zu den umtriebigsten Grazer Theatergruppen: Die Rabtaldirndln machen turbulente und brachiale Performances.
"Mein Kampf" als Theaterstück
Die Urheberrechte von „Mein Kampf“ laufen aus. Ab 2016 gilt Hitlers Hetzschrift als Gemeingut und darf wieder gedruckt werden. Die Dokumentartheatergruppe Rimini Protokoll fragt, wie wir damit umgehen sollen.
Kein Anfang und kein Ende
Die Theatergruppe zählt zu den bekanntesten "Off-Off-Broadway"-Truppen. Was das heißt? Das Nature Theater Of Oklahoma macht Stücke, die vor Charme und schonungslosem Humor sprühen, dabei hinreißend aus dem Leben erzählen.
"A series is really appealing because you can bring people on a longer journey with you", sagt Kelly Copper. "A show is just a show, but if you come back year after year and people grow with you, there is a different kind of investment". Und Pavol Liska fügt hinzu: "Also: This idea of beginnings and endings is always troublesome and difficult. There are no beginnings and no endings, everything continues. There is a continuous time. So the structure of a series imitates the way life is or the way we perceive even stories."
In "Life And Times" kann man jederzeit einsteigen, man muss nicht die vorangegangenen Episoden gesehen haben. Besonders großartig ist Episode 7. Wie ein Hollywood-Klassiker in schwarz-weiß gehalten, begibt man sich in dem Film mit Kristin Worrall auf eine Achterbahnfahrt an Gefühlsleben ("She slept with him right away. And she was like: I don't even know him. And I said: What if he is a serial killer?") und Jobwechseln - und das in einem fantastischen Tempo. Alles geht immer weiter, unaufhaltsam.
Radio FM4
Ein Tag in Vordernberg
Wolfgang Silveri
Die Installation "Ophiopogon" der deutschen Künstlerin Anna Peschke ist noch dieses und kommendes Wochenende bei freiem Eintritt zu besuchen: In einer Altbauwohnung in Vordernberg fügen sich Pflanzen wie Möbel zu einem träumerischen Ort, an dem man verweilen will. Ophiopogon, das ist eine Pflanze aus der Familie der Spargelgewächse. Sie wird auch Schlangenbart genannt. Kurzes Erschrecken beim Öffnen einer Schublade einer kleinen Kommode, die Abbildungen von Schlangen beherbergt. In den Zimmern kann man sich in aller Ruhe umsehen, all die grafischen Arbeiten genau betrachten und sich gar nicht wundern, warum hier ein Bett mit echtem Gras überzogen ist. Selbstverständlich darf man sich hineinlegen, das Präparat eines Eichhörnchens schaut einen groß an.
Schön wäre es jetzt, nicht in den Shuttle-Bus zurück nach Graz zu steigen, sondern in Vordernberg zu übernachten und am nächsten Tag noch einmal ins Raithaus zur Installation "Ophiopogon" von Anna Peschke zu gehen. Da sind sich alle einig, die Stunden zuvor als Spielgruppe "Radwerk 5" von den österreichischen Performance- und SpielkonzeptmacherInnen der Gruppe "Nesterval" tief in eine Geschichte verwickelt wurden. "Die Heimkehr der Eleonore Nesterval" heißt das Auftragswerk der Nestervals für den steirischen herbst.
Wolfgang Silveri
Nesterval machen auch das FM4 Street Game. Im steirischen Vordernberg wird unter ihrer Regie die ganze Marktgemeinde zum Schauplatz und als BesucherIn wird man Teil dieser Geschichte. Dank an die VordernbergerInnen für diese tolle Zeit. Bei "Die Heimkehr der Eleonore Nesterval" will ein dunkles Geheimnis erkundet werden. Dramaturgisch ist die Produktion derart gelungen, dass man vor gespielten Polizisten wegläuft, als gebe es sonst kein Morgen bzw. würde man wichtige Spielminuten verlieren, fiele man ihnen in die Hände. "Die Heimkehr der Eleonore Nesterval" ist ausverkauft, eventuell gibt es noch Restkarten zu ergattern.
Abstrakte Musik und Abstrakt-Noise-Hopper
In Graz hat indes gestern das musikprotokoll mit einer Uraufführung von und mit Fennesz begonnen. Das musikprotokoll versteht sich als Labor und ist ein Festival im Festival und zwar eines für zeitgenössische und experimentelle Musik. Auf den Kasematten am Grazer Schloßberg stehen dieses Wochenende alte Lautsprecher, die mit "Purer Elektronik" tönen. Reine Tonbandmusik präsentieren dafür die "Vintage Concerts". Es ist abstrakte Musik, schickt Winfried Ritsch, Musiker, Medienkünstler und Lehrender am Institut für Elektronische Musik und Akustik in Graz voraus.
Ninja Tune
Konkurrenz innerhalb des Programms des steirischen herbst macht dem musikprotokoll heute die Band Young Fathers. Die schottischen Abstrakt-Noise-Hopper (© Philipp L'heritier) spielen ein Konzert im Grazer Orpheum. Der steirische herbst währt noch eine Woche und vergeht wieder viel zu schnell.