Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""...our histories inhabit us""

Claudia Unterweger

Moderiert FM4 Connected und FM4 Homebase.

9. 10. 2015 - 21:03

"...our histories inhabit us"

Angela Davis über ihr Verhältnis zu T-Shirts mit ihrem Konterfei, warum die Flüchtlingskrise eine Folge des Kolonialismus ist und wie sie sich für #BlackLivesMatter engagiert.

Rede an der Universtät Wien
Angela Davis war am 5. Oktober zu Gast an der Uni Wien. Ihre Rede zum Thema "Life between Politics and Academia" gibt es auf Soundcloud.

Was an ihr zuerst auffällt, ist ihr Blick. Ruhig, freundlich und zugleich offen und interessiert. Auch als dutzende Menschen auf der Uni Wien um Angela Davis herumwuseln, bleibt sie gelassen. Gibt Autogramme, posiert für Selfies, beantwortet Fragen. Professor Angela Davis ist für mehrere Vorträge in Wien zu Gast, und das Gedränge um sie ist groß.

Angela Davis und Claudia Unterweger

Renée Gadsden

Auch ich bin nervös. Mit Angela Davis persönlich Bekanntschaft schließen zu können, damit hätte ich bis vor kurzem wirklich nicht gerechnet. Ihr Konterfei hatte ich schon früh entdeckt, damals als Schwarzes Mädchen in einer Gesellschaft aufwachsend, die fast ausschließlich von Abbildungen weißer Menschen geprägt war und in der Schwarze Menschen nur in rassistischen Kinderliedern auftauchten oder stereotyp als Opfer von Hungersnöten dargestellt wurden.

In diese Welt krachte plötzlich das Bild dieser selbstbewussten Schwarzen Revolutionärin, die als Kampfansage an weiße Schönheitsnormen ihr Haar offen als Afro trug und sich nicht den Mund verbieten ließ. Für mich damals ein Moment der Ermächtigung.

Angela-Davis_Stofftasche, getragen von einer Person auf der Straße

Claudia Unterweger

Nun sitze ich dieser Frau bei einer Pressekonferenz mit meinem Mikrofon gegenüber und frage sie, wie es sich anfühlt, zur Ikone stilisiert und vermarktet zu werden, das eigene Abbild auf T-Shirts und Kaffeetassen zu sehen. Angela Davis lacht. Lange Zeit sei es ihr das peinlich gewesen. Bis sie eines Tages eine Schwarze High School-Schülerin auf deren Angela Davis-Leiberl angesprochen habe.

“I felt bold and asked her – What is that all about? – And she gave me an answer that I’ll never forget. She said - When I wear this t-shirt I feel powerful. I feel as if I can do anything I want. And that actually released me from the sense that this image had anything to do with me. Therefore I can look at it and say: That’s the sign of a movement, in the past, and hopefully also for a movement to come.”

Kämpferin für Bürgerrechte

Rückblende: University of California, 1970. Standing Ovations für Angela Davis. Sie steigt aufs Rednerinnenpult, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt Ronald Regan, damals Governor von Kalifornien, bereits ihre Professur an der University of California aberkannt hat. Denn Angela Davis ist unbequem. Damals wie heute.

In den Siebziger Jahren ist Angela Davis Kämpferin für Bürgerrechte mit Naheverhältnis zur Black Panther-Bewegung. Und Mitglied der Communist Party. Ihr Engagement hat zur Folge, dass sie auf der FBI-Fahnungsliste der zehn meistgesuchten Terroristen landet. Und monatelang im Gefängnis sitzt, unter Androhung der Todesstrafe. Wegen Mordes, Entführung, Verschwörung. Nach einer weltweiten Solidaritätskampagne wird sie in allen Punkten freigesprochen und aus der Haft entlassen. Angela Davis kämpft weiter, vor allem auch gegen das Gefängnis-System, in dem Schwarze Menschen bis heute die Mehrheit der Inhaftierten ausmachen.

„We inhabit our histories, and our histories inhabit us. A prison system with 2.4 million people behind bars is a terrible spectre of slavery. And if indeed we can say that slavery was abolished we cannot deny that it still haunts us.”

Angela Davis auf der Uni Wien umringt von Fans

Claudia Unterweger

Das Gedränge rund um Angela Davis auf der Uni Wien ist groß.

Refugees welcome?

Ö1 im Gespräch mit Angela Davis

Do, 15. Oktober, 21 Uhr
"'Radikal' heißt einfach nur, Dinge an der Wurzel anzupacken!" - Renata Schmidtkunz im Gespräch mit Angela Davis, Bürgerrechtlerin, Philosophin, Humanwissenschafterin und Schriftstellerin

Was Angela Davis, die mittlerweile über 70 ist, auszeichnet, ist neben ihrem Mut ihr klarer Blick auf die größeren Zusammenhänge, auch in der aktuellen europäischen Flüchtlingskrise.

“What we are experiencing are the consequences of colonialism. This is the mark of postcolonial Europe, of a global capitalist system and the neoliberal ideologies that value only the individual over the community.“

Davis betont, dass wir uns gegen diese Strukturen auflehnen müssten, sonst würde sich die Flüchtlingskrise nicht lösen lassen. Und wir müssten den Nationalstaat endgültig in Frage stellen. Denn solange der Staat die einzige Institution bleibe, von der alle Rechte und Freiheiten ausgehen, solange würden jene, die illegalisiert sind, die keine Dokumente besitzen, es nicht verdienen, als Menschen behandelt zu werden.

Über die Flüchtlings-Hilfsaktionen der Zivilgesellschaft in Österreich weiß Angela Davis Bescheid. Und auch darüber, dass es deutlich weniger Solidarität in der Bevölkerung im Hinblick auf die politischen Forderungen des der Refugee-Bewegung gibt.

“The demonstration is a good thing. But it does not address the complicated issues. We need to be weary of a charity approach. Hierarchies are being consolidated that are responsible for repression. Reform and repression are always closely linked. Austrians need to develop a deeper engagement about what this crisis is all about.”

Angela Davis

Margaret Carter

#BlackLivesMatter

Die akademische Laufbahn der heute emeritierten Professorin an der University of California war immer begleitet von politischem Engagement. Sie sei selbst vor kurzem wieder in Ferguson gewesen, wo auch zwei Jahre nach der Erschießung des Jugendlichen Michael Brown durch einen weißen Polizisten die Proteste der Bevölkerung anhalten. Die Menschen hätten erkannt, dass es nicht nur darum gehe, dass Einzelne zur Rechenschaft gezogen würden. Sie forderten strukturelle Veränderungen und seien deshalb immer noch auf der Straße, berichtet Davis.

Ihrer Ansicht nach sei dies der größte Protest seit dem Montgomery Busboykott 1955. Damals demonstrierten Zehntausende mehr als ein Jahr lang aufgrund der Festnahme von Rosa Parks, die sich weigerte, der rassistischen Sitzplatzordnung in Autobussen Folge zu leisten.

"If all lives matter, we wouldn't have to claim that #BlackLivesMatter."

Die heutigen Protestbewegungen verfolgt Angela Davis nicht nur aus der Ferne. So hält sie engen Kontakt mit der Bewegung Black Lives Matter und lernt von der jungen Generation über heutige Tools der Mobilisierung und neue Wege des Widerstands.

“I am only a student. And I am excited about new ways to engage in struggle. I spoke to Black Lives Matter about the importance of twitter, and I realize how important this technology is in producing a sense of collective engagement. But also real bodies are needed. It is not enough to like something on facebook but it’s good for exchanging ideas. And with new technologies new modes of leadership come up: I can see much more collective leadership, and women in leadership positions. Women have always organized but never got enough credit for it. Now this is changing.”

Self Care and Music

7 Tage zum Anhören
Das Portrait von und ein Mini-Gästezimmer mit Angela Davis gibt es noch bis nächsten Donnerstag im Stream.

Angela Davis' 3 Gästezimmer-Songs:
Nina Simone - "I wish I knew how it would feel to be free"
Common - "A Song for Assata Shakur"
Janelle Monae - "Hell you Talmbout/ Say Their Names"

Es ist aber auch wichtig, bei allem Engagement nicht die eigenen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren, darüber tauscht sich Angela Davis bei einem Treffen mit der jungen Schwarzen Community in Wien aus. Sie erzählt, dass sie seit ihrer Zeit im Gefängnis Yoga praktiziert. Damals habe sie gelernt, minutenlang im Kopfstand zu verharren. Das habe ihr unter den gewaltvollen Umständen der Haft und der drohenden Todesstrafe geholfen, innerlich bei sich zu bleiben. Self care, das bedeute für sie vor allem, in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten zu sein und sich dessen auch in schwierigen Momenten der Isolation bewusst zu sein.

Zum Schluss spricht Angela Davis über Musik. Vor allem Jazz ist für die Menschenrechts-Aktivistin und Schriftstellerin wichtiger Bestandteil ihres Lebens. „Political struggles bleed into popular culture,“ stellt sie fest und freut sich, dass Musikerinnen wie Nina Simone, die sich in den Sechziger Jahren der Bürgerrechtsbewegung anschloss, nun von einem jungen Publikum wiederentdeckt wird. Auch über Lauryn Hill und Janelle Monae spricht Angela Davis und deren Songs gegen institutionellen Rassismus und Polizeigewalt. Songs, die sie persönlich inspirieren und Hoffnung machen - auf Freiheit für alle, wie sie sagt.

„Music, that inspires us to make connections to others to make a better world“.