Erstellt am: 12. 10. 2015 - 15:18 Uhr
One Day Goodbye Will Be Farewell
„There is absolutely no way that we can generate any interest from record labels in the United Kingdom“, so beginnt Morrisseys Abschiedsrede an sich selbst, veröffentlicht vor knapp zwei Wochen auf der Fanseite true-to-you.net, „therefore the imminent two nights at Hammersmith are likely to be our final ever UK shows“.
Boštjan Tacol
Ungewohnt transparent präsentiert sich der Ex-Smith in den letzten Monaten und scheint sich in einer Zeit der eigenen Transformation zu befinden. Da wird im Interview mit Larry King über Obama, die Krebserkrankung und moderne Musik geredet, per Blogeintrag David Camerons Piggate thematisiert und schlussendlich mit der britischen Labellandschaft selbst abgerechnet. Deren Desinteresse soll ihn nun an das Ende seiner (Live-)Musikkarriere gebracht haben, Vorschläge, wie Amanda Palmers Crowdfunding-Tipps stoßen auf taube Ohren, der Mancunian scheint an seiner Exitstrategie aus dem Musikmarkt zu arbeiten. Denn möglicherweise wird Morrissey die tragende Säule Liveshows in Zukunft gar nicht mehr brauchen, erschien zuletzt doch sein erster Roman „List of the Lost“.
Boštjan Tacol
Diskutiert wird dabei vor allem - wie soll es auch anders sein bei einer polarisierenden Persönlichkeit - die angeblich zu bemängelnde Qualität des Buchs, die den Guardian dazu brachte „List of the Lost” letzten Endes als „unpolished turd of a book" zu bezeichnen. Immerhin stieg der Roman aber doch auf Nummer 3 in den UK Paperback Fiction Charts ein, was auch immer sowas heutzutage bedeuten soll.
Ums Buch geht es aber gar nicht an diesem Samstagabend in Ljubljana, sondern um die Show. Und die ist bei Morrissey eine der zu erfüllenden Grunderwartungen, so standardisiert ist die Live-Performance des Musikers in den letzten Jahren geworden - nur heute findet das halt alles angeblich zu einem der letzten Male statt. Das letzte Mal Gongschlag, „Meat is Murder“ mit Tiermordvideoprojektion, Rockabilly-Hüne Boz Boorer an der Gitarre, Tränen in der ersten Reihe, geworfene Blumen und inszeniertes Chaos. Weil überrascht wird man nicht mehr bei einem Morrissey-Gig - und will das irgendwie ja auch gar nicht werden.
Christoph Sepin
Die Hala Tivoli in Ljubljana sieht ein bisschen so aus wie das Wiener Audimax vor der Renovierung. Im echten Leben ist das eine Venue für Eishockeyspiele, ein ausgeschaltetes Scoreboard an der Wand bezeugt das. Der Boden ist mit grauem Teppich bedeckt, die Halle fast voll. Eine Vorband gibt es auch diesmal nicht, auf der Leinwand vor der Bühne werden wie gewohnt Youtube-Clips gezeigt. Die Fans kennen das schon, wissen wann sie zu jubeln haben, wann es langsam Zeit für Morrissey wird. Der startet mit „Suedehead“ in den Abend, scheint besonders gut gelaunt zu sein und tanzt sich verspielt und mikrofonkabelschwingend durch die Setlist von Hits aus der Smiths- und der Solokarriere. In besonderen Momenten klatscht er seiner Band und dem Publikum zu, verbeugt sich demonstrativ und bedankt sich regelmäßig.
Während „Ganglord“ werden auf der Leinwand hinter der Band Videos von Polizeigewaltszenen gezeigt. „If by chance it does offend you“, sagt Morrissey hinterher, „that's life... that's death“. „The World Is Full of Crashing Bores“ wird durch Projektionen von William und Kate, über deren Köpfen in Union Jack-Lettern „United King-Dumb“ geschrieben steht, unterstützt. Die Stimmung in der Halle ist großartig, Geschenke werden auf die Bühne gereicht und dankbar aufgenommen, jede Bewegung der Band in Richtung Crowd von begeistertem Jubeln begleitet.
Boštjan Tacol
Zur Zugabe singt Morrissey zuerst den Smiths-Klassiker „I Won't Share You“ a capella kurz an und lässt das Publikum weitersingen, bevor er uns mit „The Queen Is Dead“ nach Hause schickt. Am Ende skandiert er, mittlerweile mit nacktem Oberkörper, wiederholt „I Love You“ ins Mikrofon und meint das auch so. Denn an diesem einen Abend ging es nur um Morrissey und seine Fans, um gegenseitiges Feiern und eine Live-Show, wie man sie bei kaum jemand anderem finden würde. Und auch wenn eines Tages Goodbye Farewell bedeuten wird, hoffentlich war es nicht dieser verregnete Samstagabend in Ljubljana. Und hoffentlich wird es nächstes Mal wieder genauso schön.