Erstellt am: 8. 10. 2015 - 11:07 Uhr
Groove is in the Heart
Der DJ und das Zuhör-Publikum wollen immer neue Moden und den neuen Hype, in der Plattentasche und im Kopfhörer das coole Ding, das kaum noch einer kennt, mittlerweile fast schon im Sekundentakt. Dass sich da ein Plattenlabel so lange hält wie Compost Records aus München, seiner Note bei aller Freigeistigkeit verpflichtet bleibt, dabei aber nicht in biederer Traditionspflege versumpft, den Machern dahinter die Liebe, die Energie und vor allem auch die Reserven nicht verloren gehen, ist schon nicht bloß Respekt, sondern auch Freude wert.
Compost
Compost Records und Kopf Michael Reinboth feiern den zwanzigsten Geburtstag des Labels und veröffentlichen zu diesem Anlass ein schön aufgemachtes Jubel-Büchlein zur History und Mystery von Compost Records samt begleitender Jubel-Compilation mit 40 Stücken feinster Musik.
"Soul / Love – 20 Years Compost Records" nennt sich das Paket, und das ist auch richtig so. Zwanzig Jahre in Watte gepackte elektronische Musik, die raren Grooves, von Jazz, Funk und Soul geküsste Tanzmusik. Oder gerne auch bloß geschmackvollste Mitwippmusik, zwanzig Jahre Liebe zur Musik.
Superfashionable oder spezialhip ist Compost Records lange schon nicht mehr. Der Zeitgeist dreht und wendet sich, die Aufregung ist nach einer halben Saison ohnehin auch schon wieder vorbei. Selbst wenn das Label also nun nicht unbedingt im Zentrum der Hypemachine steht, hat Compost Records über 20 Jahre hinweg mit durchgehend hochwertigen Produktionen beglückt, oft neben dem Strom.
In den 90ern ist Compost Reords eines der prägendsten Labels around gewesen, englischen Labels wie Talkin' Loud, Ninja Tune oder Mo’ Wax nicht unähnlich oder auch der sogenannten Wiener Schule ästhetisch verwandt haben sich die Menschen von Compost um beseelte, abgebremste Clubmusik gekümmert, die man vielleicht auch im Sitzen hören konnte und wollte. Und die auch heute noch gültig ist.
Fälschlicherweise ist derlei Musik nicht selten als allzu geschmeidige Nebenbei-, Boutique- und Milchkaffeemusik verunglimpft worden. Zu Unrecht, viel mehr haben wir es hier mit feinstofflicher Musik mit Sinnlichkeit und Gefühl und Sex zu tun. Es muss nicht immer knallen.
Die neue Compilation ist dreigeteilt: Einmal „Freshly Composted (Previously Unreleased), einmal „Some Michael Reinboth Favourites“ und einmal „Hidden Compost Gems“. Es sind hier also Tracks quer durch die Phasen und die Styles versammelt, Altes, Freshes, Unbekanntes, Hits und geheime Perlen.
A Forest Mighty Black, Beanfield oder das Trüby Trio, Christian Prommer, das waren in den Anfangstagen unter anderem die Freunde, Wegbegleiter und Mitgestalter von Compost Records und sind es mitunter auch heute noch. Mit dieser Compilation wird nicht bloß mit allem Fug und Recht auf einen altehrwürdigen Katalog zurückgeschaut, sondern eben auch nach vorne geblickt. Es geht immer noch.
Beschwingt angejazzter Pop, federleichte Disco, Latin Stuff, verdubbte Elektronika. Neben wunderbarer Listening Music für das Cognac-Zimmer arbeitet Compost Records aber freilich auch klar dem Dancefloor zu und gibt der House-Musik seine Pracht zurück. Compost hat schon lange bevor vorformatierter Shoppingmall-House inklusive Saxophon-Gedudel en vogue war, dem Jazz auf dem Dancefloor nachgespürt.
Man nehme den Überhit "Oddity" des Schweizer Produzenten Zwicker im Remix von John Talabot. Den neuen Track "Good Day" der Compost Allstars mit House-Ikone Robert Owens. Den Smasher "Pipes’n’Sneakers" von Jay Shepheard oder das Trüby Trio im Remix von Ame. Vieles hier ist zärtliches Gold.
Das dazugehörige Buch kommt im kompakten Fanzine/Magazin-Stil daher, mit vielen Fotos, Fundstücken, Flyern und Anekdoten aus der ereignisreichen Vita von Compost Records, sowie einem ausführlichen Interview mit Chef Michael Reinboth. Geschichte und weiter an der Zukunft bauen. Mehr als nur ein guter Grund, wieder einmal in dieses Label einzutauchen. Oder es erstmals kennenzulernen.