Erstellt am: 7. 10. 2015 - 11:07 Uhr
Bis wann warten?
Am Grazer Stadtpark und direkt vor dem Ämtergebäude der Bundespolizeidirektion zelten Refugees, aus Protest. Unter drei Zelten haben sich Asylwerber versammelt, die seit Monaten, zum Teil seit über einem Jahr, in Österreich sind und hier Anträge auf Asyl gestellt haben. Doch die Bearbeitung ihrer Verfahren dauert. "Warten, warten, warten auf die Einvernahme bei der Polizei. Warum warten? Der Krieg in Syrien zerstört unser aller Leben", sagt Fadi.
Besonders deutlich wird, wie unterschiedlich die Asylverfahren in Österreich und Deutschland zurzeit laufen, am Fall zweier Brüder: Akram wohnt jetzt in der Steiermark, er ist seit acht Monaten hier und wartet auf sein erstes Interview. Sein Bruder hat es nach Deutschland geschafft: binnen einem Monat hatte Akrams Bruder in Deutschland Asylstatus. "I'm still waiting. It's really - I can't say sad. I don't demand anything. It's frustrating. I, like so many others, can't concentrate. We fear for our families, on the T.V. is always bad news."
Seit acht Monaten lebt der Syrer in der Steiermark und versucht, sich so gut es geht, Deutsch beizubringen. "Der Zugang zu Deutschkursen ist eine wichtige Forderung, denn es ist so schwer für jene von uns, die weder Englisch noch ein bisschen Deutsch sprechen, sich mitzuteilen", sagt Hussein und er will für alle sprechen, die sich unter drei Partyzelten versammelt haben. "Tatsächlich sind wir hierhergekommen, um die Polizei zu ersuchen, unsere Dokumente und Anträge schneller zu bearbeiten".
Um ihren Protest Tag und Nacht durchzuhalten, haben die Asylwerber auch Zelte aufgebaut, in denen sie nächtigen. Gekocht und der Abwasch gemacht wird im Forum Stadtpark, wo auch Toiletten und Duschen zur Verfügung stehen. "Wenn uns Österreich nicht haben will, wäre es fair, unsere Fingerabdrücke zu vernichten und uns zu sagen, dass wir verschwinden sollen", sagt einer der Refugees. Der Verwaltungsgerichtshof hat Abschiebungen nach Ungarn nicht grundsätzlich gestoppt und JuristInnen gehen davon aus, dass die österreichischen Behörden Flüchtlinge wieder nach Ungarn und nach Slowenien abschieben werden.
Styria / Syria
Wie viele andere Männer hat Fadi seine Frau und seine Söhnchen im Kleinkindalter in seinem Geburtsland oder in der Türkei zurückgelassen. Warum? Der Weg nach Europa sei für Frauen und Kinder zu gefährlich. Wäre ihnen auf der Flucht etwas zugestoßen, hätte er sich das nie verzeihen können. Zudem hat das Geld für die Flucht nicht gereicht. Die Familie und Freunde zahlten zusammen, um ihm die Flucht zu ermöglichen. "I got here for schaffen a new life here", sagt der 31-jährige, den es sehr belastet, seine Familie nahe Damaskus zu wissen. "Das ist unser Problem".
Die Männer hoffen, ihre Familienangehörigen aus Kriegsgebieten nach Österreich holen zu können. Aber eine Familienzusammenführung in naher Zukunft ist nahezu unmöglich. Ehepartner und minderjährige Kinder könnten laut Gesetz nachgeholt werden. Eine achtzehnjährige Tochter bliebe somit alleine in Syrien zurück.
Indes sind die österreichischen Behörden damit beschäftigt, jene Refugee-Familien, die durch Transittransporte von einem Notquartier ins nächste hierzulande ungewollt getrennt wurden, wieder zusammen zu bringen.
Unter den demonstrierenden Refugees ist keine Frau, doch österreichische Aktivistinnen unterstützen den Protest. "Hauptsächlich kommen männliche Refugees nach Europa. Die Flucht ist für Frauen viel gefährlicher", sagt auch Tanja, eine der Privatpersonen, die sich die Demoleitung schichtweise teilen. Initiiert und organisiert wird das Protest-Camp von Asylwerbern. Aber um die Demonstration anzumelden, braucht es eine Person mit österreichischer Staatsbürgerschaft, und die muss für die Polizei erreichbar sein.
Radio FM4
Die Refugees hier haben alle Asyl in Österreich beantragt. Dass die Asylverfahren hier aber derart unterschiedlich lang dauern, empört sie.
Eine Entscheidung binnen drei Monaten wäre für Hussein okay. Das wäre besser, als umsonst zu warten. Hussein ist 24, er kommt aus dem Irak, hat einen Bachelor in Geologie und würde gerne weiter studieren, um schließlich bald arbeiten zu können. An der Universität Graz bekam er die Auskunft, dass eine Fortsetzung seines Studiums möglich wäre. Aber die vollen Studiengebüren kann sich Hussein nicht leisten.
Die Männer, die am Paulustor protestieren, kommen ursprünglich aus Syrien, Irak und aus Afghanistan. In der Steiermark wohnen sie am Land. Viele fühlen sich isoliert. Sie sehnen sich nach Gesprächen mit ÖsterreicherInnen. Einige PassantInnen erkundigen sich, was es mit den Zelten auf sich hat. Anfeindungen und offenen Hass hat Hussein auch schon erlebt. "Wir müssen uns ruhig verhalten, das ist nicht unser Land".
Eine knappe Woche dauert der friedliche und stille Protest der Refugees jetzt bereits an. Seitens der Polizei gibt es auf den Protest und die Forderungen derzeit: “Keine Reaktion”.